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Türkischer Islamist in DeutschlandKarlsruhe untersagt Abschiebung

Die deutschen Behörden dürfen einen Islamisten nicht in die Türkei zurückführen. Das zuständige Gericht muss drohende Foltergefahren prüfen.

Wo Folter droht, dahin darf erstmal nicht abgeschoben werden: Abschiebeflug in Baden-Wüttemberg Foto: dpa

Karlsruhe taz | Islamisten dürfen bis auf Weiteres nur in die Türkei abgeschoben werden, wenn die türkische Regierung den Verzicht auf Folter ausdrücklich zusichert. Das hat das Bundesverfassungsgericht jetzt im Fall eines hessischen Salafisten beschlossen.

Konkret geht es um einen heute 30-jährigen Mann, der in Rüsselsheim geboren wurde. Er ließ sich aber nicht einbürgern und ist noch türkischer Staatsbürger. Ab 2011 radikalisierte er sich, wurde Salafist und reiste 2013 mit seiner Ehefrau und zwei Söhnen nach Syrien, wo er in einem von der syrischen Terrorgruppe Junud al-Sham kontrollierten Dorf wohnte.

Zurück in Deutschland wurde der Mann 2014 festgenommen und 2015 wegen Unterstützung von terroristischen Vereinigungen zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Junud al-Sham soll er Geld und ein Fahrzeug beschafft haben. An den IS soll er 25.000 Euro gespendet haben, die er sich über einen Kredit beschafft hatte.

Salafist berief sich auf Informationen von Amnesty

Die Ausländerbehörde des hessischen Wetteraukreises wies ihn 2016 aus und ordnete die Abschiebung in die Türkei an. Der hessische Verwaltungsgerichtshof konnte im August 2017 keine Abschiebungshindernisse erkennen. Er bezog sich auf den Türkei-Lagebericht des Auswärtigen Amts von Februar 2017. Folter hätten allenfalls Mitglieder der türkischen PKK zu befürchten und Anhänger des Predigers Gülen, der in der Türkei für den Putschversuch von 2016 verantwortlich gemacht wird.

In seiner Verfassungsbeschwerde berief sich der Salafist auf Informationen von Amnesty International. AI liege der Brief eines Türken vor, dessen Sohn in der türkischen Stadt Corum inhaftiert sei. Er werde geschlagen, erhalte keine ärztliche Versorgung und müsse in einer Zelle voll Fäkalien schlafen.

Das Bundesverfassungsgericht stellte jetzt fest, dass die hessischen Gerichte das Grundrecht des Islamisten auf effektiven Rechtsschutz verletzt hatten. Sie hätten die Amnesty International vorliegenden sehr konkreten Hinweise überprüfen müssen, zumal es genügend andere Hinweise auf Probleme im türkischen Strafvollzug gebe. Solange die im Raum stehenden Vorwürfe nicht ausgeräumt seien, wäre eine Abschiebung nur möglich, wenn die Türkei völkerrechtlich zusichert, dass sie den Mann nicht foltern oder unmenschlich behandeln wird. Der Karlsruher Beschluss lässt ausdrücklich offen, ob Islamisten in der Türkei Folter droht.

(Az.: 2 BvR 2259/17)

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11 Kommentare

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  • Das schlimme sind die Terrorprozesse gegen die Kommunisten der TKP/ ML in München. Auf Geheiß der Erdogan-Regierung wird dort Personen der Prozess gemacht, die in Deutschland seit langem leben, und keine Straftat begangen haben. Ein 129a-Verfahren gegen Mitglieder einer Gruppierung, die auf keiner Terror-Liste steht.

    Ein Gefangener hatte schwere Panikattacken, weil er durch die deutsche Haft retraumatisiert wurde.

  • ABER HALLO...

    liebe verwaltungsrichterinnen und -richter - schon mal was vom grundgesetz gehört. gibt's übrigens schon seit 23.05.1949. sollte man gelesen haben, bevor man abschiebt - gibt's irgendwas drin mit menschenwürde und schutz vor verfolgung. aber das kennt ihr ja aus § 53 auslG. auch die menschenrechtskonvention hilft - die buchstaben sind etwas grösser. und da de misère ohnehin bei abschiebungen nach afghanistan u.a. sich frei von recht und gesetz glaubt, seid ihr die einzige hoffnung. jedem verwaltungsrichter die entscheidung auf den tisch. danke verfassungsgericht!

  • Na Servus!

     

    Welche Fachgerichte - auch Leipzig? -

    Haben da den nun wahrlich eindeutigen &

    Mehrfachen!! - Schuß vorn Bug aus KA -

    Nicht gehört?

    kurz - Nich to glöben!

    Karlsruhe macht doch & das sollten gewisse - sorry -

    Hartmäulige in Robe - doch bi lütten kapiert haben -

    Juristisch sauber - "Nägel mit Köpfen!"

    &

    Niemand sollte sich ohne Not auf eine Stufe mit den

    Scharfmachern - einschl. ihrer staatlichen -

    Gefährdern stellen!

     

    Ende der Durchsage.

    • @Lowandorder:

      btw -

      //http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/12/rk20171218_2bvr225917.html;jsessionid=3BB8B8E49DC924CEAA58D01BC7B11175.2_cid361

       

      &

       

      Schön zu lesen - daß Rechtsanwalt Dr. Reinhard Marx - Ffm -

      Das alte Schlachtroß - sich von den ersichtlich insuffizienten -

      Elaboraten der Richter des VG Gießen des Hess. VGH Kassel -

      Nicht vom Gang nach Karlsruhe hat abschrecken lassen.

      &

      Nicht unerwähnt sollte auch sein - daß

      Herr Christian Rath in der taz zu einer der - sachlich gleichgelagerten -

      Vorangegangenen klaren Entscheidung - wenig rechtliches Gespür&Kenne

      Hat erkennen lassen ~> die eindeutige Ohrfeige an Leipzig schlicht "geschlabbert" hat/te. https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5435647&s=Karlsruhe+Algerien/

      &

      //http://www.taz.de/Umgang-mit-islamistischen-Gefaehrdern/!5441404/

      &

      //http://www.taz.de/!5468134/#bb_message_3566404

    • @Lowandorder:

      Da merke ich mal wieder wie doof ich bin.

      Mit meinem laienhaften, naiven Rechtsverständnis hätte ich es für eine Selbstverständlichkeit gehalten, dass sich ein Gericht, bevor es Abschiebungen anordnet, zumindest mal Gedanken darüber macht, ob die körperliche Unversehrtheit des Abzuschiebenden gewehrt ist, aber selbst das Denken muss wohl erst vom BVerfG manchen Richtern erst verordnet werden.

       

      Mal sehen, ob es den Mazieres und Söders noch einfällt, wie sie die Gesetze so verändern können, dass foltern bei "Gefährdern" zukünftig als mit der Menschenwürde vereinbar definieren können.

      • @Age Krüger:

        (btw only - Nein Sie sind nicht doof -

        Aber die Sache liegt via KA & VGs - a weng komplizierter & daher mal was später dazu.)

        • @Lowandorder:

          Ok. Mal mit dem flotten dicken Stift.

           

          Das Bundesverfassungsgericht ist nicht ("die") Superrevisionsinstanz. Punkt.

           

          (anders als weitgehend der Supreme Court der USA.

          Der allerdings gemäß dem Grundsatz des "judicial self-restraint" -

          vulgo "richterliche Zurückhaltung/Selbstbeschränkung" -

          Anstehende Rechts/Entscheidungsfragen als "politische Fragen" - deklarieren

          Bezeichnen/Einordnen - damit deren Entscheidung - ablehnen kann;

          Was Karlsruhe wg des im Grundgesetz vorgesehenen Entscheidungskanons grad nicht kann.)

           

          Soweit die Theorie und die weitgehende Praxis.

          &

          Soweit hier von Belang - Grund/Menschenrechtsschutz - ja!

          Heißt das - Fachliche Fragen der jeweiligen betroffenen Rechtsgebiete sind -

          Letztinstanzlich den Obersten Gerichten vorbehalten;

          deren Entscheidungen wiederum binden die übrigen Richter jenseits des grad entschiedenen Einzelfalles grad nicht!

          Beliebter Bonmots "Das Privileg der herrschenden Meinung ist - regelmäßig zuvor Mindermeinung gewesen zu sein & es regelmäßig ala long auch wieder zu werden!";)

           

          But. Schon als Asyl noch Asyl in Deutschland garantierte & verstärkt nach dessen Schreddern Anfang der 90er bis hin zum heutigen Torso - sah sich Karlsruhe gehalten - über Asyl hinaus zum Ausländerrecht - vor allem zum Aufenthaltsrecht - salopp formuliert "über die Zäune zu fressen!"

          &

          Das hatte seinen nicht ganz unerheblichen Grund darin - daß die Alleinzuständigkeit des VG Ansbach gekippt wurde - Asylverfahren zunächst auf die großen Verwaltungsgerichte - sodann auf alle verteilt wurde.

          &

          Karlsruhe - & nicht ihr ihm - blieb zweierlei nicht verborgen.

          In der Sache unsägliche Asylentscheidungen einzelner Richter/Gerichte

          &

          Ausländerbehörden die in vorauseilendem Gehorsam zum mainstream unserer staatlichen Gefährder - dreist "unterm Löffel weg - abschoben!" etc

           

          ff schonn

          • @Lowandorder:

            ff

             

            &

            Dieser Verluderung trat & tritt Karlsruhe - bis einschließlich wiederholter

            Ohrfeigen an Oberste Richter - konsequent entgegen - indem es wie z.B. hier knallharte fachliche Vorgaben zum Aufenthaltsrecht macht.

            M.E. völlig zu recht.

            &

            Auch klar. Diese Tendenz zum partiellen Superrevisionsgericht -

            wird von den einen - & so auch mir begrüßt.

            (Wer Kollegen zu gewärtigen hatte - die Ausländer für Untermenschen hielten &

            Ausländerbehörden z.B. in Westfälisch Sibirien zu Raison zu bringen sich veranlaßt gesehen hat;

            bis hin zu rAndrohung der Zwangsvollstreckung&Ersatzvornahme - wird dafür Verständnis haben!)

            &

            Anders gestrickte? - Nun - die "pöbeln" schon mal auf Tagungen -;) - dreist -

            "Wieso macht der Senat das?!"

            & ~>

            Konsequent " Weil wir das können!" - Däh! Genau!

             

            & nochens

            (Für mein Teil wäre ich gern bei den verfassungswidrigbedenklichen Kaffeekränzchen

            KA & GroßKotz-Regierung - Mäuschen - lauschend,

            Ob unsere exekutivAsis - der Heiko el Kurzbehoste aka JuMi &

            Der staatliche Gefährder Verfassungsminister - De Misère!

            Die ja indirekt via KA permanent abgewatscht werden - Aber Hallo!

            Es wagen - "Wieso macht der Senat das?" .... Nö wa - Lieber nich - kerr!

             

            kurz - Ach was! Die halten lieber den Rand!)

  • Für einen "in Deutschland geborene[n] und aufgewachsene[n] Türke[n]" sollte die Ausländerbehörde gar nicht zuständig sein. Das Problem ist schließlich hausgemacht. Konflikte, die in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich entstanden sind, sollten deutsche Behörden selber lösen. Sie müssen sich sonst den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Macht, die sie beanspruchen, gar nicht verdienen.

     

    Die Türkei ist ein autoritärer Staat. Es ist ein Armutszeugnis, ein Beleg für Feigheit, Faulheit und/oder Konzeptlosigkeit, wenn ein demokratischer Staat signalisiert, die Chancen einer (Beinahe-)Diktatur auf Lösung des geschilderten Finanzierungsproblems seien größer als die eigenen. Es ist zudem ein völlig falsches Signal an die, die schon immer der Ansicht waren, ein Volk sei mit einem einzelnen Führer (wie Erdogan) besser dran, als mit einem "Debattierclub", einer "Weichei-Justiz" und einer "Lügenpresse".

     

    Ja, in Deutschland gilt Erziehung als Innere Angelegenheit der Familien. Aber Bildung und Erziehung sind nicht zu trennen, und an die Schulpflicht lässt die Republik ja (ganz zu Recht) auch keine Luft. Wieso also sollte im Konfliktfall das schon vom Kaiser und den Nazis bevorzugte Abstammungsprinzip (auch „Recht des Blutes“ genannt) gelten, und nicht ein sinnvolleres?

     

    Ich weiß nicht, was sich die Verfassungsschützer gedacht haben bei ihrer Entscheidung. Sie verraten es ja nicht. Fakt ist: Sie dürfen nur die Gesetze zur Grundlage ihrer Richtersprüche machen, die gerade gelten. Daran, wie weit sie diese Gesetze verbiegen müssen für ihre Urteilsbegründung, wird erkennbar, wie weit die Gesellschaft bereits abgedriftet ist.

     

    Im vorliegenden Fall darf sich ein in Deutschland Geborener auf Asylgründe berufen, die ihm nicht helfen würden, wäre er Deutscher. Da kann man mal sehen, wie lange sich unsere „Entscheidungsträger“ schon herumdrücken um die Frage, für wen und für was sie Verantwortung übernehmen wollen – oder auch nicht.

  • "und von den dortigen Behörden die Zusicherung einholen müsse, dass dem Betroffenen keine Menschenrechtsverletzungen drohten."

     

    Ja genau, da muss sicher auch der dann weichgekopfte noch Lachen

  • Was soll dem denn in der Türkei drohen? Das dortige Regime ist doch selbst auf dem Weg zum Islamismus. Alles, was nicht gegen den Sultan und seinen Hofstaat agiert, wird sicher geduldet.

     

    Abgesehen davon - ein Terrorist ist nun mal kein unschuldiges Kindlein, das man vor der bösen Welt beschützen muss. Es mag Grenzfälle geben, Leute, die unter Druck oder aus Unwissen eine terroristische Organisation unterstützen. Aber die kann unsere Justiz ganz sicher herausfiltern.

     

    Sollen wir jetzt alle Terroristen, die hier erwischt werden, auf ewig durchfüttern, damit ihnen anderswo kein Leid geschieht? Wenn sich das rumspricht, werden sicher noch viel mehr solcher ...Fachkräfte zuwandern.