Türkischer Geheimdienst in Deutschland: Abgeordnete fordern Auskunft
6.000 Spitzel soll der türkische Geheimdienst MIT einem Bericht zufolge in Deutschland beschäftigen. Bundestagsabgeordnete wollen nun mehr wissen.
Ströbele sagte, er werde „gleich nach den Ferien im Kontrollgremium das Thema ‚Arbeit des türkischen Geheimdienstes in Deutschland‘ auf die Tagesordnung setzen“. Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Polizei müssten dringend ihre Kooperationen mit der Türkei prüfen. „Sonst laufen sie Gefahr, bei strafbaren Handlungen mitschuldig zu werden“, warnte Ströbele.
Binninger sagte der gleichen Zeitung mit Blick auf den Putschversuch in der Türkei und dessen Nachwirkungen, die jüngsten Ereignisse in dem Land „haben nicht nur Auswirkungen auf die Sicherheitslage, sondern möglicherweise auch auf die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste“. Deshalb werde sich das Parlamentarische Kontrollgremium nach der Sommerpause damit befassen.
Die Welt am Sonntag zitierte einen nicht namentlich genannten Sicherheitspolitiker mit der Angabe, der MIT habe in Deutschland eine große Zahl hauptamtlicher Agenten und ein Netz von 6.000 Informanten. Der Chefredakteur der türkischsprachigen Zeitung Zaman Deutschland sagte dem Blatt, es habe bereits mehrere Aktionen des MIT gegen die Publikation gegeben.
De Maizière: „Nüchtern analysieren“
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) rief unterdessen zu einem nüchternen Umgang mit der Türkei auf. „Die Türkei ist Nato-Mitglied und für uns ein wichtiger Partner in der Flüchtlingskrise und im Kampf gegen den internationalen Terrorismus“, sagte er der Bild am Sonntag. „Im Umgang mit unseren Partnern müssen wir nüchtern analysieren und dürfen nicht naiv sein.“
Zur Einschätzung aus seinem Ministerium, die Türkei sei eine „zentrale Aktionsplattform“ für Islamisten, sagte der Innenminister: „Was in den Medien über den Bericht steht, ist ein kleiner Ausschnitt der aktuellen Lage im Land. Und die ist eben kompliziert.“
Viele Maßnahmen Ankaras nach dem gescheiterten Putsch seien unverhältnismäßig gewesen, der Umgang mit Menschenrechten oft nicht in Ordnung, sagte de Maizière. „Das sprechen wir gegenüber unseren Partnern auch an.“
Die vom Innenministerium auf eine Linken-Anfrage hin erstellte Analyse hatte für diplomatische Verstimmung zwischen Ankara und Berlin gesorgt und zudem Widerspruch aus dem Auswärtigen Amt ausgelöst. Das Innenministerium bezeichnete es als „Büroversehen“, dass der zuständige Sachbearbeiter die Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt und anderen beteiligten Ressorts versäumte.
Laut Welt am Sonntag kamen E-Mails aus dem Innenministerium zu dem Thema aufgrund von Buchstabendrehern nicht beim Auswärtigen Amt an. Später habe das Innenministerium noch einmal nachgehakt, allerdings den Text zu der Lageeinschätzung nicht beigefügt. Die Beamten im Auswärtigen Amt hätten auf die Anfrage nicht reagiert. Schließlich sei das Papier im Innenministerium ohne ihre Stellungnahme freigegeben worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben