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TürkeiKlarer Wahlsieg für Erdogan

Die konservativ-religiöse AKP gewinnt die absolute Mehrheit im Parlament. Die rechtsgerichtete MHP wird dritte Kraft. Höhere Beteiligung als bei den Wahlen 2002.

AKP-Anhänger bejubeln den Sieg ihrer Partei Bild: dpa

ANKARA taz/ap Die regierende konservativ-religiöse Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) hat bei der türkischen Parlamentswahl die absolute Mehrheit gewonnen. Die Partei von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kam nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen auf 331 der 550 Sitze, wie die Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntagabend meldete. Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP), die Mitglied der Sozialistischen Internationale ist, erreichte demnach 124 Sitze.

Die AKP, die seit 2002 regiert, war als Favorit in die vorgezogene Parlamentsneuwahl gegangen. Wichtigste Oppositionsgruppe bleibt dem Ergebnis zufolge die CHP. Sie wirft der islamisch geprägten Regierung vor, die Trennung zwischen Religion und Politik aufgeben zu wollen. Erstmals seit fünf Jahren ist auch wieder die rechtsgerichtete Partei der Nationalen Bewegung (MHP) im Parlament. Sie schaffte die Zehnprozenthürde und wird mit 76 Sitzen dritte politische Kraft. Insgesamt kandidierten 14 Parteien und 700 unabhängige Bewerber.

Die Regierung verwies im Wahlkampf auf wirtschaftliche Erfolge wie eine verringerte Inflationsrate, ausländische Investitionen und ein jährliches Wirtschaftswachstum von durchschnittlich sieben Prozent. Wichtigste Themen waren im Wahlkampf die Wahl eines neuen Präsidenten, das Spannungsverhältnis zwischen Islam und säkularer Ausrichtung des Staats sowie der Kampf gegen die kurdischen Rebellen.

Im Mai hatte Außenminister Abdullah Gül seine Präsidentschaftskandidatur nach erbittertem Widerstand der säkularen Opposition zurückgezogen. Viele Türken befürchteten im Fall seiner Wahl eine zunehmende Islamisierung. Die Streitkräfte, die sich als Garanten der weltlichen Orientierung des Staats verstehen, drohten mit einer Intervention. Erdogan setzte nach einer Niederlage vor dem Verfassungsgericht im Streit um die Präsidentenwahl die vorgezogene Neuwahl des Parlaments als Weg aus der innenpolitischen Krise an.

Außerdem muss das neue Parlament über eine Militäroffensive gegen Rebellen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nordirak entscheiden. Erdogan hat mit einem Einmarsch türkischer Truppen in den Nordirak gedroht, sollten Gespräche mit der irakischen Regierung und den USA zum Problem der von dort aus agierenden militanten Kurden ergebnislos verlaufen. Für eine solche Aktion wäre die Zustimmung des Parlaments notwendig. Sie würde auch von Teilen der Opposition befürwortet.

Erdogan rief nach der Stimmabgabe zu nationaler Einheit auf. Die Mitglieder seiner Partei seien "die stärksten Befürworter eines demokratischen, säkularen, sozialen Staates, der vom Gesetz regiert wird", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Dogan. Er rief die anderen politischen Parteien auf, sich zusammen mit der AKP an einen Tisch zu setzen und "die Probleme der türkischen Demokratie" zu erörtern.

Vor Wahllokalen bildeten sich bereits am Morgen lange Schlangen. Polizisten standen Wache, um für Sicherheit zu sorgen. Ein Mitglied der Wahlkommission, Nevzat Yükselen, sprach von einem geordneten Ablauf der Abstimmung, die Beteiligung sei sehr hoch. Bei der Wahl 2002 lag sie bei 79 Prozent. Stimmberechtigt waren rund 42,5 Millionen Bürger.

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