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Türkei nimmt Menschenrechtler festBotschafter in Berlin einbestellt

Wegen der Festnahme von sechs Aktivisten hat das Auswärtige Amt den türkischen Botschafter einbestellt. Außenminister Gabriel bricht deshalb seinen Urlaub ab.

Bricht wegen den Spannungen seinen Urlaub ab: Außenminister Gabriel Foto: dpa

Berlin dpa | Wegen der Inhaftierung eines Deutschen und fünf weiterer Menschenrechtsaktivisten in der Türkei ist der türkische Botschafter ins Auswärtige Amt zitiert worden. Man habe ihm „klipp und klar“ gesagt, dass die Verhaftungen nicht nachvollziehbar und vermittelbar seien, sagte ein Sprecher am Mittwoch in Berlin. In dem Gespräch habe der Botschafter zugesichert, seiner Regierung die deutsche Forderung nach einer unverzüglichen Freilassung zu übermitteln. Er wisse nun, „dass es uns ernst ist“.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) bricht seinen Urlaub aufgrund der Verhaftungen in der Türkei ab. Gabriel werde bereits am Donnerstag wieder in Berlin sein und wolle sich öffentlich äußern angesichts der „dramatischen Verschärfung“ der Lage, sagte der Sprecher. Die Terrorvorwürfe der Türkei gegen die Menschenrechtler seien an den Haaren herbeigezogen. Die Bundesregierung fordere die unverzügliche Freilassung und den konsularischen Zugang zu dem inhaftierten deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner, sagte der Sprecher.

Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einer „ernsten und traurigen Situation“ in den deutsch-türkischen Beziehungen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stehe in stetigem Kontakt mit Gabriel. Das weitere Vorgehen werde abgesprochen. Weitere EU-Hilfen für die Türkei würden derzeit von der EU-Kommission in Brüssel überprüft.

Die Türkei hatte mit der Inhaftierung Steudtners und der übrigen Aktivisten international Empörung ausgelöst. Die Menschenrechtler waren am vorvergangenen Mittwoch bei einem Workshop in Istanbul festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, eine „bewaffnete Terrororganisation“ zu unterstützen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte sie zuvor in die Nähe von Putschisten gerückt.

Erst im Juni war gegen den Amnesty-Landesvorsitzenden in der Türkei, Taner Kilic, Untersuchungshaft verhängt worden. Auch der deutsch-türkische Welt-Korrespondent Deniz Yücel und die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu Corlu sitzen in der Türkei wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft.

Im Zusammenhang mit dem Putschversuch vor einem Jahr sind nach Erkenntnissen der Bundesregierung bislang 22 deutsche Staatsbürger in der Türkei festgenommen worden. Das geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Özcan Mutlu hervor. 13 Betroffene wurden demnach wieder aus der Haft oder dem Polizeigewahrsam entlassen, neun seien weiter inhaftiert.

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8 Kommentare

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  • Wer glaubt das Deutsche Politiker, EU Instanzen oder ander wichtige Leute die das Erdogankonstrukt zur vernunft bewegen kann, irrt gewaltig ! Wer sich mit der Geschichte dieser Region beschäftigt ,wird entmutigt feststellen das es hier um die Vormachtstellung in der gesamten Region des nahen Osten geht ! Erdogan Interessiert sich nicht im geringsten um Einzelschicksale von anders denkenden Menschen . Er will der stärkste Regierungschef der Region werden um ein Gegengewicht zur westlichen Welt zu bilden. Die EU will ihn nicht , also muß und kann er sich zwangsläufig nur noch bei seinesgleichen Profilieren. Der Glaube der in diesem Land herrscht ist viiiiiel größer als das Land selbst und das sollte uns viel mehr zu denken geben.

    Das Sesselfurzetum unser Politiker ist Herrn Erdogan da nur recht. Was nützt da schon die Einbestellung eines Botschafters um eine Nachricht zu übermitteln ? traurig traurig ....

  • Sinnvoll wären vor allem Sanktionen im Rüstungsbereich. So könnte z.B. die Lizenzfertigung des Leopard 2 Panzers in der Türkei gestoppt werden. Solche Maßnahmen täten Erdogan wirklich weh. Denn ihm ist die militärische Expansion wichtig.

    • @Velofisch:

      Genau! Das sind die entscheidenden Knackpunkte! Insgesamt: "Raus aus der Rüstung - Visier hoch!"

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      ...geht nicht, wegen den USA.

  • Sinnvoll wäre es, wenn er nicht mehr da ist!

  • Wirksam wären nur wirtschaftliche Sanktionen. Sinnvoll wäre es herauszufinden, welche türkischen Firmen etwa durch Spenden an die AKP Erdogan unterstützen und diese Firmen gezielt zu boykottieren. Ein Boykott des Tourismussektors trifft leider überwiegend die Gegner Erdogans.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @vulkansturm:

      Sind Sie sich da so sicher, mit dem Tourismusboykott? Ich denke, auch wenn's die Falschen trifft, es erhöht zumindest den Druck auf Erdogan.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Theaterdonner!