Türkei nimmt Journalisten fest: Erdoğans Geiselpolitik geht weiter
Die Hoffnung war groß, dass ausländische Journalisten wieder akzeptiert würden. Die Festnahme eines Österreichers beweist das Gegenteil.
Zirngast ist freier Mitarbeiter mehrerer linker Publikationen, darunter der österreichischen Zeitschrift re:volt und der deutschen Jungen Welt. Die Festnahme von Zirngast widerlegt die Hoffnung, dass die türkische Regierung nach der Freilassung von Deniz Yücel und zuletzt der Ausreiseerlaubnis für die deutsche Journalistin Meşale Tolu, die Arbeit ausländischer Journalisten in der Türkei wieder akzeptieren würde, auch wenn deren Berichte die Regierungspolitik scharf kritisieren.
Die Festnahme ist auch deshalb bemerkenswert, weil Österreich derzeit den Ratsvorsitz innerhalb der EU innehat und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan nach Auskunft seines Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu sich um eine Entspannung gegenüber der EU bemüht. Noch beim Besuch des deutschen Außenministers Heiko Maas in Ankara letzte Woche, schienen beide Politiker gewillt, Streitpunkte auszuräumen.
Dazu gehören auch mehrere Deutsche, die nach wie vor in der Türkei in U-Haft sitzen und deren Freilassung Maas gegenüber Çavuşoğlu gefordert haben soll. Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes Maria Adebahr gab am Mittwoch bekannt, dass eine von insgesamt sieben festgehaltenen Personen mittlerweile aus der U-Haft entlassen wurde, gegen den Betroffenen aber eine Ausreisesperre verhängt wurde.
Adebahr bestätigte auch Medienberichte, dass ein anderer dieser sieben Deutschen, Nejat U., bereits im vergangenen Jahr in erster Instanz wegen Mitgliedschaft in der Gülen-Sekte zu neun Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden sei. Im Moment laufe ein Berufungsverfahren.
Kein Fortschritt im Fall Brunson
In Deutschland wurde erwartet, dass zumindest die inhaftierten Deutschen vor dem für den 28. September geplanten Staatsbesuch Erdoğans in Berlin freigelassen würden. Auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hat gefordert, Max Zirngast freizulassen, sollte die Türkei keine konkreten Vorwürfe vorweisen können.
Im Fall der derzeit prominentesten ausländischen Geisel in der Türkei, dem amerikanischen evangelikalen Pastor Andrew Brunson, gibt es keinerlei Fortschritte. Um die Freilassung Brunsons zu erreichen, hat US-Präsident Trump sogar Sanktionen gegen die Türkei verhängt, bislang allerdings ohne Erfolg.
Brunson wurde zwar aus der Haft entlassen, steht jetzt aber unter Hausarrest. Ein Treffen zwischen Erdoğan und Trump am Rande der UN-Vollversammlung in New York Ende September ist nach türkischen Medienberichten von amerikanischer Seite abgelehnt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe