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Türkei-Referendum in ÖsterreichErdoğan-Netzwerk hilft zum Sieg

Die vielen Ja-Stimmen sollen durch Manipulation erzielt worden sein. Der türkische Geheimdienst MIT spielte wohl eine große Rolle.

Abstimmung zum Türkei-Referendum im türkischen Konsulat in Salzburg Foto: dpa

Wien taz| Der türkische Geheimdienst MIT habe die Abstimmung in Österreich beeinflusst. Diesen Vorwurf erhebt der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz. In einer Pressekonferenz am Donnerstag erklärte er die hohe Zustimmungsrate in Österreich lebender Türken zum Verfassungsreferendum mit Spitzelaktivität und logistischer Wahlhilfe der türkischen Vereine. Mit 73,2 Prozent Ja-Stimmen haben die Wahlberechtigen in Österreich ein Spitzenergebnis erzielt, übertroffen nur von Belgien.

Auffällig sei vor allem eins, so Pilz: „Das Erdoğan-Regime hat dort gewonnen, wo es sich auf ein starkes, zentral aus Ankara gesteuertes Netzwerk verlassen konnte.“ Das Erdoğan-Netzwerk habe die Aufgabe gehabt, „für das Referendum Ja-Sager in Autobussen zu den Generalkonsulaten zu karren“. Über potenzielle Nein-Sager seien längst vor Ort Informationen gesammelt und nach Ankara weitergeleitet worden. So sei es dem MIT und der türkischen Polizei möglich gewesen, diese Leute einzuschüchtern und von der Stimmabgabe abzuschrecken.

Fotos und Filmaufnahmen belegen, wie Busse, voll mit Pro-Erdoğan-Propaganda, zu den Konsulaten fuhren. Gezielte Einschüchterungen sind von Betroffenen protokolliert worden. Die Bespitzelung habe auch schon zu Festnahmen an türkischen Flughäfen geführt. Dort würden MIT-Agenten – ausgerüstet mit Fotos und Dossiers – noch vor der Passkontrolle auf manche Reisende warten. Pilz mutmaßt, dass Landsleute in Stasi-Art als informelle Mitarbeiter missbraucht werden.

Der Geheimdienst MIT, der früher von den Militärs kontrolliert wurde und vor einigen Jahren von AKP-Kadern übernommen wurde, operiert von München aus. An der Botschaft in Wien werde er, so Pilz, von einem MIT-Residenten mit zwei Mitarbeitern geleitet.

Pilz wirft Innenminister Wolfgang Sobotka vor, Vorwürfen von Einschüchterung und Spitzeltätigkeit nicht nachzugehen. In Deutschland würde in solchen Fällen ermittelt. Sobotka hat auf das Wahlergebnis auf seine Art reagiert. Er will überprüfen, wie viele der stimmberechtigten Türken gleichzeitig einen österreichischen Pass besitzen. Doppelstaatsbürgerschaft ist – mit Ausnahmen – in Österreich verboten und führt zum Verlust des österreichischen Passes.

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4 Kommentare

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  • noch handelt es sich nicht um Wahlbetrug im eigentlichen Sinne, das darf man nicht vergessen. Dass das Erdogan-Lager seine Unterstützer mit dem Bus zur Abstimmung fährt ist durchaus legitim. So gerne ich die Maßnahmen von @BALOUBAER67 unterstütze haben wir immer noch das Problem des uminösen Flüchtlingsdeals von Merkel und EU. und so lange uns Erdogan damit in der Hand hat wird sich Seitens der EU die Haltung auch nicht ändern. Was unsere Politiker aber nicht verstehen (denn Sie müssen ja Ihre Enscheidungen verteidigen) ist, dass genau diese Haltung den Populisten in die Hände spielt. der Rechtsruck der EU-weit durch unsere Lande geht ist enorm und die etablierten C-Parteien machen da auch schön mit. Gefühlt wird versucht, dass sich ein "Türkenhass" in Deutschland ausbreiten soll.

    Mal sehen, ob unsere Bundeswehr immer noch kuscht und die 80 Mio € in Icilik investiert oder ob Flintenuschi endlich Rückgrad beweist und auf Merkelart die Sache aussitzt?

  • Das kommt davon, daß man in unseren zahnlosen "Rechtsstaaten" solche demokratiefeindlichen "Netzwerke" zuläßt und wirken läßt.

  • Die Manipulation von Wahlen in Deutschland ist eine Straftat, die hier geahndet werden kann und muss. Das gilt auch, wenn es um eine türkische Abstimmung handelt, aber die Manipulation oder Abstimmung in Deutschland erfolgte. In Deutschland gibt es ein seltsames Missverhältnis von Anti-Erdogan-Rhetorik von Regierung bis regierungsnahen Medien auf der einen Seite und effektiver Appeasementkurs der Regierung. Dies schürt eine unnötige antitürkische Stimmung in der deutschen Bevölkerung und bestärkt Türk_innen, den "starken Mann" Erdogan zu unterstützen. Stattdessen sollten wir unsere Bundesregierung in die Pflicht nehmen. Sie sollte konsequenter Handeln aber weniger antitürkische Stimmung machen.

    Statt z.B. die Wahlkampfauftritte schlicht zu verbieten, hat sie Stimmung gegen diese Auftritte gemacht und an Vermieter und Kommunalbehörden appeliert, diese Auftritte mit scheinheiligen Gründen zu verhindern. Statt also selbst ein diplomatisch freundliches aber bestimmtes "Nein" zu sagen, war Frau Merkel zu feige und hetzte andere auf. Das stärkte die AKP in der Türkei und die AfD in Deutschland.

    • @Velofisch:

      Wichtiger wäre meines Erachtens weniger Rhetorik, denn da kann sich der Demokrat ohnehin nie wirklich gegen den Diktator durchsetzen (denn der hat ja schliesslich die einzig wahre Sichtweise, alle anderen Interpretationen sind ohnehin verboten), sondern mehr pragmatisches Handeln. Heißt im Fall der Erdogan-Türkei für mich ganz deutlich: Ansage an deutsche Unternehmen, welche in der Türkei produzieren, dass dies nicht länger positiv gesehen wird, auf europäischer Ebene Inititativen einstellen, dass Produktionsverlagerungen aus der Türkei nach Griechenland (dort gibt es jede Menge mindestens so qualifizierte Arbeitskräfte wie in der Türkei) aus EU-Mitteln subventioniert werden (hätte den schlanken Vorteil, dass in Griechenland eine Wertschöpfung generiert wird).

      Damit schadet man den "Kriegsgewinnlern" auf Erdogans Liste ganz direkt, sie verlieren Einkommen und unterstützt einen EU-Partner (okay, Nebeneffekt dass sich der Sultan aufregt über die Bevorzugung seines Erzfeindes auf der anderen Seite des Bosporus, aber "ein bisschen Spaß muß sein"