Tschechischer Sänger wurde 80: Gott ist tot
Karel Gott war mehr als der Mann mit der „Biene Maja“, mehr als eine Schlagerschluse. Der Kitschier und Könner ist am Dienstagabend gestorben.
Es war immer leicht, Karel Gott als Schlagerschluse abzutun: Der Mann aus der damaligen Tschechoslowakei besorgte sich hierzulande, als die Ära der Partys im Gefolge der Achtundsechzigerzeit so richtig auf Touren kam, einen vorzüglichen Ruf als Sänger. Als Sänger mit der „Goldenen Stimme“ aus Prag. Als Mann, der offenbar den Deutschen nicht übelnahm, dass deren Vorfahren Prag zum deutschen Protektorat machten und in Tschechien besonders umsichtig umgingen, als es um Holocaust und die Ermordung der jüdischen Bürger:innen des alten Habsburgerlandes ging.
Karel Gott indes machte es so wie seine Kumpanin Dahlia Lavi, diese Israelin in der Bundesrepublik der frühen siebziger Jahre, die immer sagte, sie singe für die Jungen, nicht für die unbelehrbaren Alten. „Lady Carneval“, „Einmal um die ganze Welt“ und zuvor, in den mittleren Sechzigern, das Lied aus dem Film „Doktor Schiwago“, „Weißt du wohin“, mit dem er in süßlichsten Stimmlagen der Deutschen Russlandwehmut bediente – ein Kitschier sondergleichen, ein Könner indes auch, der vor dem Erfolg in der Bundesrepublik sein sängerisches Handwerk erlernte, ein Tenor, der ein halbes Jahr ziemlich eindrücklich in Las Vegas konzertierte.
Gott, 1939 in Pilsen geboren, aber bekam die fetteste Prominenz, als er in den Siebzigern mit fröhlichstem Timbre das Lied der “Biene Maja“ sang – niedlich, ein wenig keck und munter, diese Besungene, aber eben nicht tranig, infantalisiert: Der Tscheche wusste auch diese Tonalität anzuschlagen – die des souveränen Mitreißens, die Kunst des Schlagers, aus wenigen Noten einen ewig erinnerlichen Gassenhauer zu bauen. Man musste dies persönlich mit Können nobilitieren – und Karel Gott konnte eben, was er konnte.
Sein Verhältnis zu den realsozialistischen Machtbabern in Prag blieb gespalten. Ein Protestmann wider den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts 1968 in die Tschechoslowakei war er nicht, er stellte sich mit dem alten wie neuen Regime gut. Er wollte Sänger bleiben, Entertainer, ein Mann, der dem Publikum gefällt, wenn er dem Publikum eben sehr gefiel.
Da und dort subversiv
Immerhin ließ er sich überreden, 1968 am Eurovision Song Contest für Österreich anzutreten, mitten in der Reformzeit der ČSSR; sein von Udo Jürgens komponiertes Lied „Tausend Fenster“, kommerziell ein Nullerfolg, mochte da und dort als subversives Statement wider die geschlossenen Fenster seines Heimatlandes gedeutet werden. Aber das war immer mehr Deutungswille als im wirklichen Leben verankert: Karel Gott, menschlich ein überaus lebenslustiger, sympathischer und kollegialer, definitiv unzickiger Mann, war kein Widerstandsheld, in keinerlei Hinsicht.
Übel nahm man ihm doch, dass er für das ČSSR-Regime nach dem Prager Frühling eine Resolution gegen die dissidenten Frauen und Männer der „Charta 77“ mitunterzeichnete – ein Statement für Ruhe im Land, eine Devotion dem stalinistisch anmutenden Regime gegenüber. So recht hat auch nach dem Fall der Eisernen Vorhänge Karel Gott nie erklärt, warum er dies tat – aber er dementierte zumindest nicht, dass er mit seiner Verbeugung vor dem alle freie Meinungsäußerung unterdrückenden System auch nur tat, was der tschechoslowakische Mainstream jedenfalls nicht missbilligte.
Im Frühling 2006 konnte die taz ihn für ein überaus freundliches Porträt über die Fußballmannschaft seines Landes bei der WM in Deutschland gewinnen: Er hatte auch für linke Publizistik kein verschlossenes oder gar desinteressiertes Herz. Seit Jahren litt er an körperlichen Beschwerden, vor wenigen Jahre hatte er einem Krebs in seinem Körper noch Einhalt gebieten können, die Leukämie, an der er seit Monaten litt, wusste er nicht mehr zu besiegen. In der Nacht auf Mittwoch ist er in Prag im Alter von 80 Jahren gestorben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels