Trumps Pläne für den Gazastreifen: Gaza über den Jordan?
Die Umsiedlungspläne der USA könnten vor allem Jordanien treffen. Dort steht eine antiisraelische Stimmung der starken Bindung an die USA gegenüber
Am Dienstag trifft sich Jordaniens König Abdullah II mit US-Präsident Donald Trump. Die Erwartung in Nahost ist groß, dass das arabische Staatsoberhaupt seine Ablehnung gegenüber den Plänen des Weißen Hauses für den Gazastreifen zum Ausdruck bringt und deren Risiken für die gesamte Region klarstellt.
Im haschemitischen Königreich dürften nach Trumps Vorstoß, Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen nach Jordanien und Ägypten umzusiedeln, die Alarmglocken geklingelt haben. Denn genau vor solchen Plänen warnen jordanische Politiker*innen seit Beginn des Konflikts in Gaza. Eine Vertreibung der Palästinenser*innen aus ihrem Land käme „einer Kriegserklärung“ gleich, sagte etwa Außenminister Ayman Safadi bereits Ende 2023.
Mehr als die Hälfte der jordanischen Bevölkerung hat Schätzungen zufolge palästinensische Vorfahren, etwa 2,4 Millionen Einwohner*innen sind als palästinensische Geflüchtete bei der UN-Agentur UNRWA registriert. Die meisten besitzen zwar die jordanische Staatsangehörigkeit, fühlen sich indes ihrer ursprünglichen Heimat stark verbunden und haben dort teilweise Familie. Manche hoffen immer noch auf ein Recht auf Rückkehr. Solche Ankündigungen sorgen daher in der jordanischen Öffentlichkeit für große Aufregung.
Seit mehr als einem Jahr, seit Beginn des Gazakriegs, gehen Tausende Menschen in der Hauptstadt Amman regelmäßig auf die Straße und fordern lauthals das Ende aller Abkommen mit Israel – inklusive Friedensvertrag. Nach Trumps Ankündigung haben erneut Hunderte protestiert. Immer wieder müssen sich jordanische Politiker*innen um einen Spagat zwischen der inzwischen stark antiisraelisch geprägten Stimmung der Bevölkerung und den geopolitischen Notwendigkeiten für das Land bemühen.
Der finanzielle Hebel
Jordanien hatte 1994 als zweites arabischen Land nach Ägypten ein Friedensabkommen mit dem Nachbarland Israel unterschrieben. Seitdem unterhalten die beiden Länder diplomatische Beziehungen, kooperieren mehr oder weniger öffentlich im Sicherheitsbereich, haben Energie- und Handelsverträge. Jordanien gilt als verlässlicher Partner des Westens in Nahost, eine der wenigen Friedensoasen in der Region.
Die USA ihrerseits haben Jordanien 2023 fast 1,7 Milliarden US-Dollar, etwa 1,65 Milliarden Euro, gegeben. Zwischen den beiden Ländern bestehen unter anderem Kooperationen im Militärbereich. Trump hatte kürzlich gedroht, die Hilfen als Hebel zu nutzen, um seine Pläne durchzusetzen.
Das Königreich, ressourcenarm und durch den Konflikt in Gaza wirtschaftlich angeschlagen, hilft bei der Terrorismusbekämpfung in der Region und nahm in den vergangenen Jahren Hunderttausende Geflüchtete aus Syrien, dem Irak und anderen arabischen Ländern auf. Als der Iran im April seine Raketen auf Israel richtete, beteiligte sich Jordanien an deren Abschuss.
Dass Trumps Absichten die amerikanisch-jordanische Beziehung nun zerrütten könnten, daran zweifelt jedoch der jordanischen Geopolitik-Experte Amer al-Sabaileh. „Ich glaube nicht, dass sich das Verhältnis zwischen Jordanien und den USA durch die palästinensische Frage beeinflussen lässt. Es ist viel tiefer und strategischer Natur: militärisch, wirtschaftlich, auf politischer und Sicherheitsebene.“
Für Spannungen könnten die Pläne jedoch sorgen, sollte Trump daran festhalten. Denn eine Umsiedlung der Palästinenser*innen stelle ein großes Risiko für Jordaniens Stabilität dar. Höchst unwahrscheinlich sei indes ein Krieg zwischen Israel und Jordanien, zu fortgeschritten sei dafür die US-koordinierte Kooperation im Sicherheitsbereich.
Jordanische Offiziere
Gleichzeitig bereitet sich Jordanien offenbar auf alle Szenarien vor, Krieg, Notstand und Massenvertreibung mit eingeschlossen. Offiziere sagten der Nachrichtenagentur Reuters: „Wir hoffen, dass wir nicht Tausende Palästinenser*innen sehen werden, die über die Grenze strömen – aber wir sind vorbereitet.“
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