Trump und die Harvard Universität: Die Universität als Ideologieproduzent
Mit seinen jüngsten Drohungen gegen die Elite-Uni Harvard steuert Donald Trump auf ihre totale, politische Umfunktionierung zu.
Z ynisch betrachtet könnte man sagen: Donald Trump adelt die US-Universitäten. Auf seine Art. Indem er sie zu einem zentralen Ziel seines Abriss-Furors macht. Er bezeichnet sie als Witz, wo Dummheit und Hass gelehrt werde. Aber wären sie wirklich nur ein Witz, dann wären sie kein Ziel, das solchen Aufwand lohnen würde. Es ist also etwas anderes, das er bekämpft. Es ist ihr alter Nimbus, die Autorität von Wissensinstitutionen, dem die Angriffe gelten.
Nachdem eine nach der anderen dieser ehrwürdigen Institutionen eingeknickt ist und sich dem Druck gebeugt hat, ist die Weigerung der Harvard-Universität besonders spektakulär. Ursprünglich wollte auch Harvard auf die Forderungen der Trump-Regierung eingehen – schließlich hat diese einen nicht zu unterschätzenden Trumpf: Sie droht mit finanziellen „Strafen“ in Milliardenhöhe.
Das bedeutet: Widerstand muss man sich leisten können. Die Regierung hat ihre Drohung wahr gemacht und die Zuschüsse tatsächlich gekürzt. Da Harvard weiterhin nicht eingelenkt hat, soll der Universität nun die Aufnahme ausländischer Studierender verboten werden. Das betrifft mehr als ein Viertel. Die Universität sieht darin einen Vergeltungsakt der Regierung dafür, dass sie deren Forderungen abgelehnt habe.
Durch den Widerstand von Harvard wurden die Trump-Forderungen erst in ihrem ganzen Ausmaß publik. Und diese haben es in sich. Sie sind extrem, umfangreich und möglicherweise illegal, so der Psychologe Steven Pinker. Die Regierung verlangt von der Universität, sie solle den Einfluss von Studierenden und Lehrkräften reduzieren. Ausländische Studenten sollen nicht nur hinsichtlich antisemitischer und terroristischer Aktivitäten gescreent werden, die gemeldet werden sollen.
Generell sollen sämtliche Informationen über Studierende – ob abgelehnte oder aufgenommene – der Regierung weitergegeben werden. Vom Notendurchschnitt bis zur ethnischen Herkunft. Die „Perspektivenvielfalt“ an sämtlichen Fakultäten – sprich konservative Ansichten – soll durchgesetzt und kontrolliert werden. Einschließlich einer Liste unerlaubter Begriffe. Sämtliche Postenbesetzungen sowie alle universitären Programme – also Personal ebenso wie Inhalte – sollen vor Diversitätskriterien bewahrt werden. All das gipfelt in einer externen Aufsicht, die die Einhaltung dieser Anordnungen prüfen soll.
Die Universitäten seien politische Einrichtungen
Die explizite Begründung für diese weit reichenden Maßnahmen lautet: Die Universitäten seien politische Einrichtungen: aktivistisch, linksliberal, woke, divers, propalästinensisch und marxistisch. Deshalb brauche es eben all das: Kontrolle, Reduktion, Meldungen, Informationen weitergeben. Diese Maßnahmen bedeuten nicht einfach nur einen direkten Eingriff in die Universitäten, eine Art Zwangsverwaltung. Sie bedeuten vielmehr ein völliges Umfunktionieren des Universitätsbetriebs.
All das, was Universität einmal war, sein sollte und wollte, soll beseitigt werden. Auch wenn davon nur mehr Bruchstücke übrig sind. Aber noch die Restbestände ihrer Ideale – Universität als ein Ort des Denkens, der freien Rede, des Aushandelns, der Wissensproduktion – sollen getilgt werden. Ihr letzter Nimbus, ihre Autorität als autonome Vernunft-Institution soll zerstört, unter Kuratel gestellt werden. Kurzum – das Ziel ist, die Universitäten herabzustufen: von einem Ort der Wissensproduktion in einen Ort der Ideologieproduktion.
Der Vorwurf, sie seien genau das – nämlich Ideologieproduzenten, politische Einrichtungen – dient nicht etwa dazu, diesen Missstand aufzuheben. Er dient vielmehr dazu, sie restlos zu solchen zu machen. Also die Ideologieproduktion in die gewünschte politische Richtung zu lenken. Die Entmündigung der Universitäten soll dazu dienen, sie sich als solche politischen Einrichtungen anzueignen.
Nicht zu unterschätzen ist ein Kollateralnutzen, der mit dieser Bevormundung der Universitäten einhergeht: Universitäten sind oftmals Treiber von Protesten. Zuletzt etwa in der Türkei oder in Serbien. Hier soll ein möglicher Hort des Widerstands gewissermaßen präventiv kontrolliert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selenski zu Besuch in Berlin
Militarisiertes Denken
Preisvergabe an Ursula von der Leyen
Trump for Karlspreis!
Ukraine-Ankündigungen von Merz
Waffen statt wohlfeiler Worte
ACAB-Debatte der Grünen
Jette Nietzard will Grüne bleiben
Unvereinbarkeitsbeschluss der Union
Überholter Symmetriezwang
Virologe Hendrick Streeck ist zurück
Warum nicht auch Drogenbeauftragter?