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Trotz drohendem TodesurteilTunesier darf abgeschoben werden

Ein islamistischer Gefährder darf abgeschoben werden, obwohl ihm in Tunesien womöglich ein Todesurteil droht. Grund sind „drohende terroristische Aktivitäten“.

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen nach dem Terroranschlag auf das Bardo-Museum, bei dem der Tunesier beteiligt gewesen sein soll, 2015 Foto: Imago/ZUMA Press

Leipzig epd | Ein islamistischer Gefährder aus Tunesien darf abgeschoben werden, obwohl ihm in seinem Heimatland womöglich ein Todesurteil droht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig laut einer Mitteilung vom Dienstag entschieden. Die tunesischen Behörden werfen dem Mann demnach vor, im März 2015 an einem Terroranschlag auf das Bardo-Museum in Tunis mit mehreren Toten beteiligt gewesen zu sein. (AZ: BVerwG 1 VR 1.18)

Das Gericht könne nach Auskünften des Auswärtigen Amtes nicht ausschließen, dass gegen den Mann in Tunesien ein Todesurteil oder eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werde, hieß es. Dass ein mögliches Todesurteil auch vollstreckt werde, drohe dem Mann wegen eines „seit Jahren bestehenden Moratoriums“ allerdings nicht, argumentierte das Gericht. Die tunesischen Behörden hätten die Einhaltung dieses Moratoriums bestätigt.

Der betroffene Tunesier reiste nach Angaben des Gerichts erstmals 2003 und dann erneut 2015 nach Deutschland ein. Nachdem die Behörden des nordafrikanischen Landes ein Auslieferungsgesuch gestellt hatten, wurde der Mann festgenommen. Am 1. August 2017 ordnete das hessische Innenministerium wegen „drohender terroristischer Aktivitäten“ im Namen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ seine Abschiebung an.

Hiergegen richtete der Betroffene einen Eilantrag, den das Bundesverwaltungsgericht am 19. September 2017 ablehnte. Zur Begründung hieß es, es bestehe ein „beachtliches Risiko“, dass der Mann in Deutschland einen Terroranschlag begehe. Als Bedingung für die Abschiebung legte das Gericht den Angaben zufolge eine Zusicherung der tunesischen Regierung zur möglichen Verringerung einer drohenden Strafe fest.

Daraufhin habe der tunesische Generalstaatsanwalt Ende Dezember 2017 eine Erklärung „zur Umwandlung von Todesstrafen in lebenslange Freiheitsstrafen und zur Möglichkeit der Verkürzung von Freiheitsstrafen durch Begnadigung“ abgegeben, hieß es. Gegen die nach Ansicht des Gerichts daraufhin rechtmäßige Abschiebung stellte der Mann erneut einen Eilantrag, den das Bundesverwaltungsgericht nun abgelehnt hat.

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13 Kommentare

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  • Der Mann hat sich wohl schon selbst entschieden, terrorist oder zumindest gefährder zu werden.... Ich wüsste nicht, warum er ein recht haben sollte auf Asyl in Deutschland. Ja, ich weiß, ist nicht links, ist mir aber egal. Das Grundrecht auf Schutz durch den Staat für ein weitgehemd unvesehrtes leben in Deutschland für die hier lebenden Personen überwiegt das Interesse dieses Mannes auf asyl bei weitem, wenn die Gefahr besteht, dass er hier einen Anschlag verübt. Die Grundrechte gelten nämlich auch für die Menschen, die hier leben, nicht nur für die, die dazu kommen.

  • Gemach. Es wäre nicht die erste Ohrfeige - die dieser längst sattsam trübe bekannt gewordene Senat sich in Karlsruhe - einfangen wird.

     

    kurz - Hoffentlich sind da kompetente Anwälte am Start.

     

    ---------------

     

    Nur mal so als Beispielsfälle ~>

    //http://www.bverwg.de/210317B1VR1.17.0

    &

    //http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/12/rk20171218_2bvr225917.html;jsessionid=3BB8B8E49DC924CEAA58D01BC7B11175.2_cid361

    &

    Bei seinen "Besprechungen" - hat sich im übrigen Herr

    Christian Rath - wenig rechtsaffin - wahrlich nicht mit

    Ruhm bekleckert(~> taz-archiv - woll!)

    Dem Leipziger Senat dabei in nichts nachstehend.

    Nu. AsylR &! AufentahaltsR - mal den Kanon sine ira et studio -

    Revue passieren lassen. Handwerkszeug - Art 1 - 19 GG.

    Nothing else

     

    kurz - Schlicht peinlich.

    • @Lowandorder:

      ich anschließe mich

      um dem kommentariat das suchen+finden der einschlägigen entscheidung zu erleichtern, schlage ich vor, zukünftig //http://www.bverfg.de/e/rk20170724_2bvr148717.html zu verwenden.

      • @christine rölke-sommer:

        Danke - seit Monaten aber kriegens die tazis0/1 - es schlicht nicht gebacken.

        Das reinste Lotteriespiel.

        kurz - Nich tonn uthollen

  • Wenn ich den Artikel richtig gelesen und auch richtig verstanden habe, lässt sich die Situation so zusammenfassen:

     

    - der Mann hat in seinem Heimatland (Tunesien) im März 2015 eine Straftat begangen, wofür ihm dort die Todesstrafe oder lebenslange Haft droht;

     

    - der Mann ist 2015 nach Deutschland gekommen, und wurde hier auf Grund eines Auslieferungsersuchens festgenommen;

     

    - im Rahmen der hier vorgenommenen Prüfung stellte sich heraus, dass von dem Mann, nicht zuletzt wegen Kontakten zum "IS", eine erhebliche Gefahr ausgehe, weshalb seine Abschiebung angeordnet wurde.

     

    Wenn das so stimmt, ist es keine Frage des Asylrechts, sondern es geht um die Frage einer Abschiebung eines offenbar straffällig gewordenen Mannes.

     

    Wenn ich davon ausgehe, dass die Gerichte in Deutschland überprüft haben, ob der Tatverdacht zu Recht besteht, und wenn ich davon ausgehe, dass die Gerichte in Deutschland auch das Auslieferungsersuchen überprüft haben, und sie zum Ergebnis gekommen sind, dass eine Auslieferung rechtens ist, verstehe ich nicht, warum der Mann nicht ausgeliefert werden soll.

    • @Der Allgäuer:

      bitte genauer lesen!

      im artikel steht "Die tunesischen Behörden werfen dem Mann demnach vor, im März 2015 an einem Terroranschlag auf das Bardo-Museum in Tunis mit mehreren Toten beteiligt gewesen zu sein."

      bedeutet: er hat nicht begangen sondern er soll begangen haben.

      weiter:

      welche "erhebliche" gefahr geht von einem aus, der in auslieferungshaft sitzt?

      und nicht zuletzt wie schon oben von @lowandorder angemerkt, macht http://www.bverfg.de/e/rk20170724_2bvr148717.html ein paar vorgaben und es wäre zu prüfen, ob das bundesverwaltungsgericht sie eingehalten hat.

      schließlich ist, wenn es um leben oder tod geht, an die zusicherung des zielstaates ein strenger maßstab anzulegen.

      • @christine rölke-sommer:

        "welche "erhebliche" gefahr geht von einem aus, der in auslieferungshaft sitzt?"

         

        Der saß nicht in Haft. Der ist rund um die Uhr observiert worden. Verständlich, dass er dabei auf dumme Gedanken kommt. Rund um die Uhr Observierung ginge mir auch auf den Senkel.

    • @Der Allgäuer:

      Vielleicht, weil in er BRD die Überzeugung vorherrscht/ fest verankert ist, dass die Todesstrafe kein Instrument zur Sühne einer Straftat darstellt, hmhm?? Wenn "wir" also dieser Meinung sind, dann muss doch unweigerlich der Konflikt auftreten, wie hier, dass es moralisch/philosophisch/ politisch problematisch ist, einen Mann in ein Land abzuschieben, in dem auf ihn die Todesstrafe wartet. Damit will ich sagen, dass ich Ihr Unverständnis über die eigentliche Frage des Artikels nicht begreife, auch wenn Sie m.E.n. den Sachverhalt "richtig" zusammengefasst haben.

       

      Und außerdem: Welche Botschaft wird hiermit vermittelt? Deutschland ist gegen die Todesstrafe, doch wenn's um "Gefährder" geht, schieben wir gerne in Länder ab, in denen die Todesstafe gilt. Klingt das nicht widersprüchlich für Sie? Und noch was: ich will damit auf keinen Fall "Gefährder" rechtfetigen oder verteidigen, doch diese Thematik berührt doch so viel mehr als nur Abschiebungen..

       

      Um das klarzustellen: ich weiß hierbei keine politische Patentlösung. Ich finde nur, dass, wenn die BRD international und national "integer" auftreten will, es sinnvoller wäre, zumindest darauf zu bestehen, dass dem Mann nicht die Todesstrafe blüht...doch insgesamt habe ich bisher noch kein konstruktives Wort gehört, wie damit umgegangen werden soll, außer immerzu abzuschieben. Und einerseits versteh ich das (man will sich eben zurecht keine Gefahr ins Haus holen), doch andererseits begreife ich es auch nicht ganz (schließlich ist das Haus nicht nur die BRD, sondern es gibt einfach unterschiedliche Zimmer im Haus der Welt, um in der Metapher zu bleiben). Damit will ich sagen: nicht die Abschiebung an sich ist doch der Diskussionsschwerpunkt, es ist doch eher die Folgegegenwärtiger Krisen, Konflikte und des Umgangs mit ihnen. Mich nervt nur immerzu, als ob stets so getan wird, dass mit Abschiebung alles wieder ins Lot gebracht würde. Damit verkennt man doch, wie verflochten alles heutzutage ist..alles!

  • Ist doch richtig so. Es wäre doch ein Unding, wenn sich solche Verbrecher hier ihrer Strafe entziehen oder gar hier ihr ideologisch verblendetes Mordhandwerk ausüben. Ein tunesisches Gefängnis möge ihm langjährig zum trauten Heim werden.

  • 6G
    64662 (Profil gelöscht)

    Auch auf die Gefahr hin, mich hier unbeliebt zu machen: Ich begrüße diese Entscheidung!

    • @64662 (Profil gelöscht):

      Ich schließe mich an.

      Ginge es nach mir könnte man ihn auch Abschieben wenn er nach einem halbwegs fairen Prozess dann doch erschossen wird.

       

      Tunesien ist ein souveränes Land und der Mann hat in diesem Land einen Terrorakt begangen. Dafür soll die tunesische Gesellschaft ihn bestrafen - nach IHREN Maßstäben.

      Das mögen wir nicht für richtig halten. Schützen müssen wir ihn deswegen nicht.

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @64662 (Profil gelöscht):

      Ich ebenso!

      Sind wir schon zwei, und ich glaube, wir sind nicht alleine!

      • @98589 (Profil gelöscht):

        Ich bin ebenfalls dabei.