Trotz Waffenstillstand im Libanon: Israelische Rakete trifft angeblichen al-Kuds-Kämpfer
Israelische Raketen töten in Beirut einen Autofahrer. Laut Israels Armee soll er Waffen geschmuggelt und einen Angriff auf Israel geplant haben.
Eine erste Rakete soll auf das Auto gezielt, aber nicht getroffen haben, berichten lokale Medien. Der Fahrer habe daraufhin angehalten. Die Kamera eines Geschäfts hat den Angriff aufgezeichnet. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein blauer Hyundai unter einer Überführung fährt und kurz dahinter an der Straßenseite hält. Einige Sekunden später schlägt die Rakete ein, ein Feuerball entsteht, Rauch zieht auf, das Auto wird in seine Einzelteile zerissen. Der Fahrer wurde getötet, drei Menschen verletzt, so das libanesische Gesundheitsministerium.
Laut israelischem Militär soll der Mann für die al-Kuds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden gearbeitet haben. Er soll Waffen geschmuggelt und einen Angriff auf Israel geplant haben. Beweise legte das Militär nicht vor.
Gezielte Tötungen sind laut Deutschem Institut für Menschenrechte höchst umstritten, da sie außergerichtlichen Hinrichtungen gleich kommen. Dies gilt auch, wenn der angreifende Staat die Zielperson als Terrorist einstuft. Im Völkerrecht ist die Verteidigung vor einem nicht unmittelbar bevorstehenden Angriff verboten. Das regelt Artikel 51 der UN-Charta. Präemptive Selbstverteidigung ist nur dann zulässig, wenn ein Angriff unmittelbar bevorsteht und keine Zeit für andere Maßnahmen bleibt. Ein Staat muss beweisen, dass er sich zurecht auf das Selbstverteidigungsrecht beruft. Israel hat keine Beweise für einen unmittelbar bevorstehenden Angriff durch den getöteten Menschen vorgelegt.
Drohnen kreisen laut surrend über Beirut
Die israelische und libanesische Regierung hatten sich im November auf einen Waffenstillstand geeinigt. Israel hat Zählungen lokaler Medien zufolge rund 2.000 Mal dagegen verstoßen, vor allem mit Raketen- und Drohnen-Angriffen im Süden und in der östlichen Bekaa-Ebene.
Allein am Donnerstag bombardierte die israelische Luftwaffe zehn Gebiete im Libanon, darunter Hügel im Distrikt Jezzine sowie Hügel und ein Flussbett im Distrikt Nabatieh und diverse Ufer des Litani. Der Zeitung L’Orient-Le Jour zufolge bombardierten israelische Kampfjets ein Naturschutzgebiet in der Bekaa-Ebene. Die israelische Armee behauptete, sie habe auf „terroristische Infrastruktur“ gezielt.
Das israelische Militär besetzt noch fünf Orte im Südlibanon und schüchtert die Zivilbevölkerung mit psychologischer Kriegsführung ein. Drohnen kreisen laut surrend über Beirut, verfolgen Autofahrende und warten vor den Hauseingängen von Zivilist*innen im Süden.
Parallel zum Abkommen hatten die USA und Israel abgemacht, Israel könne bei vermeintlichen „Bedrohungen“ mit US-amerikanischer Unterstützung im Libanon frei vorgehen.
Die Hisbollah wiederum hat am Mittwoch einen von den USA unterstützten Abrüstungsvorschlag abgelehnt. Er sieht vor, alle Waffen bis November an den Staat zu übergeben. Im Austausch sollen die israelischen Truppen abziehen und die USA Wiederaufbau-Gelder zahlen. Die Hisbollah lehnt seit langem ab, das Gebiet nördlich des Litani-Flusses in Abrüstungsgespräche einzubeziehen. Hisbollah-Chef Qassem verweist darauf, dass Israel fast täglich angreift.
Der aktuell diskutierte US-Vorschlag ist ein diplomatischer Wendepunkt. Jahrzehntelang lag der Fokus auf der Entwaffnung südlich des Litani. Die libanesische Regierung betont, dass sich die Hisbollah dabei kooperativ zeige, die libanesische Armee Stützpunkte eingenommen und Waffenarsenale zerschlagen habe.
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