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Trinkwasserversorgung in NiedersachsenKlimakrise wird teuer

Bei den Harzwasserwerken muss eine Talsperre erhöht werden. Die Stadtwerke fürchten die Kosten. Einige wollen offenbar aus dem Konsortium aussteigen.

Soll um zwölf Meter erhöht werden: Granetalsperre im Harz Foto: Jochen Eckel/imago

Hamburg taz | Es ist ein Unternehmen, von dem Millionen Menschen täglich abhängig sind. Nun aber könnte Niedersachsens größter Wasserversorger, die Harzwasserwerke, zum Spielball rein finanzieller Interessen werden. Nach Berichten der Braunschweiger Zeitung und der Goslarschen Zeitung denken mehrere Stadtwerke, allen voran BS Energy aus Braunschweig, darüber nach, ihre Beteiligungen an den Wasserlieferanten zu verkaufen. Den Berichten zufolge werden ihnen die Investitionen, die in Folge der Klimakrise notwendig sind, zu viel.

Rund 90 Millionen Kubikmeter Wasser liefert das Unternehmen an die regionalen Stadtwerke zwischen Göttingen, Bremen und Wolfsburg und an große Industrieunternehmen wie etwa Volkswagen. Eigenen Angaben zufolge versorgen die Harzwasserwerke rund zwei Millionen Menschen mit Trinkwasser.

Die Stadtwerke, die von den Harzwasserwerken beliefert werden, sind in weiten Teilen auch Gesellschafter des Unternehmens. Bis Mitte der 1990er Jahre waren die Harzwasserwerke Eigentum des Landes Niedersachsen. Dann beschloss die Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) den Verkauf. Mit dem Erlös sollten Haushaltslöcher gestopft werden.

Der Verkauf des Wasserlieferanten brachte dann allerdings nur vergleichsweise geringe 220 Millionen Mark ein. Ein von der heute nicht mehr existierenden PreussenElektra geführtes Konsortium übernahm die Harzwasserwerke, dem sich dann auch die Kunden, also verschiedene Stadtwerke und kommunale Wasserverbände, anschlossen.

Talsperren müssen erhöht werden

Bisher war das kein schlechtes Geschäft, denn in der Vergangenheit machten die Harzwasserwerke verlässlich Gewinn. Sieben bis neun Millionen Euro pro Jahr waren es im Schnitt, von denen wiederum zwei bis vier Millionen Euro ausgeschüttet wurden. Doch das dürfte sich in absehbarer Zeit ändern und soll nach einem Bericht der Braunschweiger Zeitung auch Anlass für die Gedankenspiele der Gesellschafter sein: Angesichts der von der Klimakrise ausgelösten Veränderungen kommen auf die Harzwasserwerke hohe Investitionskosten zu.

Bisher betreibt das Unternehmen sechs Talsperren im Harz. Das dürfte aber künftig wohl nicht mehr für eine verlässliche Speicherung ausreichen, weil längeren Trockenphasen von Frühling bis Herbst besonders regenreiche Monate im Winter gegenüberstehen. „Wir machen uns ein Stück weit Sorgen um unser Wasser“, sagte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) Anfang vergangenen Jahres, als die Harzwasserwerke ankündigten, die Granetalsperre deutlich erhöhen zu wollen.

Dort sammelt sich rund die Hälfte des Talsperren-Trinkwassers in Niedersachsen. Die Sperre soll um zwölf Meter erhöht werden, um das Fassungsvermögen um 50 Prozent zu vergrößern. Auch wurde der Bau einer weiteren Talsperre ins Gespräch gebracht. Die Landesregierung unterstützt das und hat immerhin den Großteil der Kosten für die laufende Machbarkeitsstudie übernommen.

Weil in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts Überschwemmungsgebiete entlang von Flüssen verkleinert wurden, kommt den Talsperren in Hochwasserphasen eine wachsende Bedeutung zu. Das zeigte sich zuletzt auch über den Jahreswechsel: Die anhaltenden Regenfälle sorgten für zahlreiche Überschwemmungen in Niedersachsen, ohne die Talsperren wäre es wohl noch schlimmer geworden. „Durch die Regulierung der Wasserabgabe sind noch höhere Wasserstände und weitere Überschwemmungen in tiefer gelegenen Regionen vermieden worden“, teilten die Harzwasserwerke Mitte Januar als Fazit mit.

Kaum städtischer Einfluss

Wie weit die Überlegungen der Stadtwerke zu einem Verkauf der Anteile fortgeschritten sind, ist unklar. BS Energy erklärte der Braunschweiger Zeitung, darüber gebe es noch keine Entscheidung. Auf Nachfrage der taz wollte sich das Unternehmen nicht mehr dazu äußern.

Die örtliche CDU jedenfalls kritisierte nun die Überlegungen vehement, weil die Trinkwasserversorgung und der Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels immer sensibler werde. Es ist allerdings auch der CDU zu verdanken, dass die Stadt Braunschweig geringen Einfluss darauf hat: Als die CDU noch Braunschweig regierte, privatisierte sie ebendiese Stadtwerke.

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4 Kommentare

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  • Seit Jahrzehnten wird davor gewarnt, dass die Klimakrise umso teurer wird, je später mit einer ernsthaften



    Bekämpfung angefangen wird.



    Haben das wirklich so Wenige mitbekommen? Oder haben das wirklich so Viele verdrängt?

    • @Erfahrungssammler:

      In aller Regel zahlen die Kosten für Schäden durch den Klimawandel nicht die, die ihn verursachen. Exxon (als Beispiel) hat nichts davon, etwas gegen die Klimawandel zu tun

  • In dem Artikel fehlt die Information, was die Erhöhung nun kosten soll?!

  • Wemmer sich lieber BSenergy kosenamt, statt Gebrauch des immer noch offiziellen Titels "Braunschweiger Versorgungs-AG & Co. KG", dann scheint das Mindset ja auch nicht mehr so wirklich STADT(werke), trotz städtischem Anteil von 25,1 % und dem OB als Ausischtsratvorsitzendem. Verkauft unser Wasser doch an die Amis. Oder gehörts denen schon ? Ach nee, gehört den Franzosen: 50,1 % Veolia [1].



    Allerdings: BS Energy's 1/4-Besitzer Thüga wurde der E.on abgekauft und gehört heut mehrheitlich kommunalen Versorgern (diese ebenfalls privatisiert, aber scheints doch in jeweils teiweisem kommunalem Besitz). Hybrides Durcheinander halt. Politisch kaum zu durchschauen und dem Wähler/Nutzer/Kunden weitestgehend entzogen. Die Tony Blairs und Gerhard Schröders ham da an so gut wie jedem europäischen Baum ihre Marke hinterlassen. Pfui !

    [1] ' Neben der Kapitalmehrheit (50,1 %), die von Veolia über deren deutsche Tochter Veolia Deutschland gehalten wird, hält die Stadt Braunschweig über die städtische Tochtergesellschaft Stadtwerke Braunschweig GmbH 25,1 % der Anteile; die Stadt Braunschweig stellt mit dem Oberbürgermeister Thorsten Kornblum den Vorsitzenden des Aufsichtsrates. Weitere 24,8 % der Anteile hält der Versorgungskonzern Thüga '



    de.wikipedia.org/w...rporate_Governance