Treffen zwischen Erdoğan und Orbán: Zwei Illiberale unter sich
In Budapest ist der türkische Präsident Erdoğan auf den ungarischen Premier Orbán getroffen. Ein Jubiläum der gegenseitigen Freundschaft.
Der Zeitpunkt für das hochrangige Treffen ist dennoch bewusst gewählt, sagt Andrea Pető, Politikwissenschaftlerin an der Central European University (CEU) in Wien. Denn nur wenige Tage vorher blockierte Orbán die weitere Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland.
„Nichts in der Außenpolitik passiert zufällig, schon gar nicht in illiberalen Staaten“, so Pető. Orbán wolle sich als wichtiger Player inszenieren, der sich größer macht, als er ist. „Ungarn ist ein kleiner, ärmlicher, nicht funktionierender Staat. Die Türkei ist eine Regionalmacht mit geopolitischen Ambitionen.“
Gas über TurkStream und unabhängig von der Ukraine
Ankara ist für Budapest vor allem beim Thema Energie von Bedeutung. Bald soll ein Großteil des Gases via TurkStream von Russland über das Schwarze Meer, die Türkei und den Balkan bis nach Ungarn fließen. Damit wäre Ungarn weitestgehend von der Ukraine unabhängig.
Auch die geplante Nato-Mitgliedschaft Schwedens dürfte besprochen werden, die einzig von der Türkei und Ungarn blockiert wird.
Bereits den Nato-Beitritt Finnlands haben beide Staaten monatelang blockiert, bevor die jeweiligen Parlamente Ende März fast gleichzeitig ihre Zustimmung gaben. Einiges spricht dafür, dass es auch bei Schweden so sein wird. Dass es schnell gehen könnte und die beiden Staaten ihre Blockade nach dem Gipfel am Montag lösen, ist nicht ausgeschlossen. „Illiberale Politik ist Realpolitik im schlechtesten Wortsinn. Wenn es illiberalen Staaten nützt, kann es eine 180-Grad-Wende bei ihren Positionen geben“, sagt Pető.
Bei dem Treffen in Budapest soll neben dem „Austausch über regionale und globale Themen“ auch die Unterzeichnung mehrerer Wirtschaftsverträge auf dem Programm stehen.
Details etwa zur Zusammensetzung der Delegationen oder zur genauen Tagesordnung erfährt man aber nicht. Eine Anfrage der taz an die zuständigen Regierungsbüros in Budapest und Ankara blieb unbeantwortet.
Andrea Pető, Politikwissenschaftlerin
Dies sei der typische Modus Operandi von illiberalen Regierungen, sagt Pető. „Man will die Öffentlichkeit raushalten“. Auf negative Art seien beide Staaten einander durchaus ähnlich, so die Politikwissenschaftlerin, die damit rechnet, dass es beim Treffen in Budapest auch um Austausch zum Thema Kultur- und Wissenschaftspolitik geht – Stichwort LGBT, Gender Studies oder das Vertreiben von wissenschaftlichen Institutionen wie der CEU, deren Lehrbetrieb bis 2019 ausschließlich in Budapest stattfand. Da könne die Türkei durchaus noch von Ungarn lernen, das Orbáns Regierung längst zum Zentrum der internationalen Illiberalen umgebaut hat.
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