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Treffen der G7-Justizminister„Russland wird seinen Teil zahlen“

Die Jus­tiz­mi­nis­te­r der G7-Staaten wollen Russland für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft ziehen. Das Sammeln von Beweisen sei ein „gefährlicher Job“.

Zwei Forensiker heben in Cherson ein Massengrab aus, um Untersuchungen vorzunehmen Foto: Roman Pilipey/epa

Berlin taz | Es sind eindringliche Worte, die der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Koston an diesem Tag beim Treffen der G7-Justizminister:innen wählt: „Wir Ukrainer kämpfen an zwei Fronten. Wir kämpfen um unser Land und unsere Zukunft, und wir kämpfen um Gerechtigkeit.“ Seine Worte sollen vor allem eines bewirken: Unterstützung durch die G7 und die Weltgemeinschaft bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen in seinem Land. Und dafür, dass Russland vor Gericht für die Gräueltaten verantwortlich gemacht wird.

Wie, ist allerdings noch unklar. Seit Monaten arbeiten die ukrainischen Behörden mit den G7-Staaten, der EU und dem Internationalen Gerichtshof zusammen. Es werden Beweise für Kriegsverbrechen gesammelt, Opfer befragt. Es wird damit geprüft, ob die Kriterien für Verbrechen gegen die Menschlichkeit an sich erfüllt sind.

Noch schwieriger wird die Frage zu beantworten sein, ob es sich bei dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine um einen Völkermord handelt. Was die ukrainische Regierung aber in jedem Fall will und vorantreibt, ist Russland für sogenannte Verbrechen der Aggression zu belangen. Dies sei wichtig für alle Ukrainer, sagt Koston.

Über den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ist das derzeit nicht möglich oder nur schwer umsetzbar. Daher strebt die Ukraine eine Art Sondertribunal an, um russische Straftäter zu bestrafen. Um einen solchen Mechanismus auszulösen, braucht es internationale Partner. Da Russland auch im UN- Sicherheitsrat sitzt, wird es für ein solches Verfahren in diesem Gremium keine Unterstützung geben. Denkbar wäre aber, in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Mehrheiten zu schaffen. Dem ukrainischen Generalstaatsanwalt Koston zufolge hätten sich bereits acht Staaten dem Vorstoß der Ukraine angeschlossen.

Die Opfer sollen im Mittelpunkt stehen

Genaue Aussagen zu einem solchen Sondertribunal gibt es beim Treffen der G7-Justizminister:innen nicht, aber die ungeteilte Zusage: „Kriegsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben.“ Zum ersten Mal trafen sich die Ver­tre­te­r:in­nen der sieben wirtschaftsstarken Staaten und der Europäischen Union in diesem Format. Eingeladen hatte der deutsche Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), hinzugebeten hatte er eine ukrainische Delegation, den deutschen Generalbundesanwalt sowie den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan.

„Wir sind uns alle einig, dass abscheulichste Kriegsverbrechen in der Ukraine stattfinden“, sagte Buschmann. Gezielte Angriffe auf die zivile Infrastruktur, auf die Strom- und Wärmeversorgung seien ein schlimmes Kriegsverbrechen. Der Winter werde als Kriegswaffe eingesetzt, so Buschmann. Einhellig und aufs Schärfste wurde dieses Vorgehen von den G7 verurteilt.

Im Kern wollen alle Staaten mehr Druck auf Russland ausüben. Und sie wollen ihre Ermittlungen zu in der Ukraine verübten Kriegsverbrechen besser koordinieren. Im Mittelpunkt sollen dabei die Opfer stehen. Sie sollen künftig nicht mehr mehrfach aussagen müssen, um nicht mehrfacher Belastung ausgesetzt zu sein.

Kriegsverbrecher sollen und können sich nirgendwo sicher fühlen. Wir werden ihnen den Prozess machen

Marco Buschmann, Bundesjustizminister (FDP)

Und auch die Sicherung von Beweismaterial soll besser organisiert werden. Bundesjustizminister Buschmann spricht von rund 50.000 Fällen an Kriegsverbrechen, die bisher dokumentiert wurden, und von circa 600 Personen, die als Kriegsverbrecher unter Verdacht stehen.

Die Menschen, die aussagen, sollen vor Retraumatisierung geschützt werden. Laut Buschmann soll es sogenannte na­tio­na­le Kontaktstellen geben, die sicherstellen, dass die rechtlichen Anforderungen an die Aussagen gewahrt werden. „Kriegsverbrecher sollen und können sich nirgendwo sicher fühlen“, sagte Buschmann am Dienstag bei dem Treffen. „Wir werden ihnen den Prozess machen.“ Davon sei auch die russische Führungsebene nicht ausgenommen.

Kein Zugang zu Geldern von Oligarchen

EU-Justizkommissar Didier Reynders betonte, dass das Sammeln von Beweismaterial für Kriegsverbrechen „ein gefährlicher Job“ sei. Die Zusammenarbeit läuft über die Behörden in der Ukraine, über Nichtregierungsorganisationen, aber auch den Internationalen Strafgerichtshof.

Bis Ende des Jahres soll es laut Reynders eine neue Datenbank geben, die alle Informationen zusammenführt. Die baltischen Staaten – Polen, Rumänien und die Slowakei – engagieren sich besonders in der Aufklärung von Kriegsverbrechen. Für das Sondertribunal sieht Reynders aber keine Eile. Es könne Jahre dauern oder sogar Jahrzehnte, bis es zu einem solchen Verfahren komme. Aber – so formuliert es Reynders – Aggressoren müssten erkennen, dass sie riskieren, lebenslang ins Gefängnis zu kommen.

Offen bleibt nach wie vor die Frage der Entschädigungszahlungen an die Ukraine. Der Wiederaufbau des Landes wird mehrere Milliarden kosten. Zugleich sind international die Vermögen russischer Oligarchen eingefroren. Es gebe im Moment noch keinen präzisen und juristisch sicheren Weg, diese Gelder zu nutzen, lautet die Einschätzung des EU-Kommissars. Jeder Fall müsse genau untersucht werden.

Klar sei allerdings auch, dass allein durch die Unterstützerländer ein Wiederaufbau der Ukraine nicht finanziert werden könne. Für EU-Justizkommissar Reynders ist klar: „Russland muss seinen Teil der Rechnung zahlen.“

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