Treffen der ARD-Intendanten: Habt uns bitte, bitte lieb
Endlich weniger Talks? Ein gemeinsames Digitalkonzept mit dem ZDF? Ende des App-Streits? Nicht mit der ARD. Zumindest noch nicht.
„Wir sind eins“, prangt hinter dem Podium im Europasaal der nordrhein-westfälischen Landesvertretung. Sie müssen viele solche Banner haben in der ARD. Bei jeder öffentlichen Veranstaltung der Sendergemeinschaft strahlt der Slogan der Freundschaft, Brüder- und Schwesterlichkeit.
Aber: Mit dem Zweiten ist die ARD schon mal gar nicht eins. Mit den Verlegern der Zeitungen sowieso nicht. Mit den Unternehmensverbänden versteht man sich ob der neuen Rundfunkgebühr momentan nur so mittel, Kommunen und Kirchen murren auch. Und untereinander? Immerhin werden auf den Stellwänden alle neun Landesrundfunkanstalten aufgeführt. Wobei sich der NDR deutlich abhebt. Schließlich hat der Norddeutsche Rundfunk gerade den ARD-Vorsitz inne. Er ist der Gleichste unter den Gleichen – und NDR-Intendant und ARD-Chef Lutz Marmor dementsprechend die Hauptperson.
Mit dem ZDF liegt die ARD gerade wegen einer neuen Strategie für die Digitalkanäle über Kreuz. Marmor und seine KollegInnen möchten aus den sechs Digitalkanälen des Ersten und Zweiten drei machen. Die Politik hatte ein derartiges Konzept von Marmor gefordert. Der hat geliefert – und das ZDF hat geantwortet. Und wie: In einer selten deutlichen Mitteilung hatten die Mainzer die Vorschläge der öffentlich-rechtlichen Kollegen vom Tisch gewischt.
Dabei ist doch Marmors „Gebot der Stunde: Wir müssen unsere Kräfte bündeln“. Deswegen habe man dem ZDF eine engere Kooperation vorgeschlagen. Und deswegen habe Marmor doch auch als Erstes den ZDF-Chef Thomas Bellut angerufen und ihm von dem Beschluss der Intendanten erzählt, aus ZDFkultur und EinsPlus einen Jugendkanal (für 14- bis 29-Jährige), aus EinsFestival und ZDFneo ein Programm für junge Erwachsene (möglichst 30 bis 49 Jahre alt), und aus tagesschau24 und ZDFinfo einen gemeinsamen Nachrichtenkanal zu machen. „Lieber Herr Doktor Bellut“, hat Marmor am Telefon gesagt, erzählt er vom Podium herab. „Mit allem gebotenen Respekt“ habe man gesprochen. Begeistert war Bellut trotzdem nicht.
Warum mit der ARD abgeben?
Das ZDF mag sich nicht auf allzu viel traute Zweisamkeit einlassen. Zumal man in Mainz seit einiger Zeit wieder Marktführer im deutschen Fernsehen ist – also die besten Zuschauerquoten hat. Warum sich also mit der murkligen ARD abgeben? Die kann die 14- bis 29-Jährigen bespaßen, das ZDF sendet für die 30- bis 49-Jährigen. So hätten sie es gerne beim Zweiten. „Ich hoffe, dass ich mit Thomas Bellut noch mal sprechen kann“, sagt Marmor. Die Politik fordert bereits ein gemeinsames Konzept – von ARD und ZDF.
„Lasst uns das Beste von Einsfestival und ZDFneo nehmen“, ruft Marmor in den großen Saal. „Das kann man sich doch jetzt schon vorstellen.“ Das ZDF kann es offensichtlich nicht.
Streicht einen der fünf Polittalks, von Jauch über Will bis Plasberg, rufen so viele Kritiker und Zuschauer immer wieder der ARD zu. Das könne man sich doch auch so gut vorstellen. „Alle Sendungen werden von den Zuschauern geschätzt und gesehen“, sagt ARD-Programmdirektor Volker Herres. Die Qualität stimme. Natürlich werde man mal Bilanz ziehen. Aber diesmal hätten die Intendanten nur „knapp darüber gesprochen“.
Einmal Jauch und zurück
Außerdem braucht das Erste seine Talks – für die geplante „Eventprogrammierung“. Die geht so: Entweder Film und im Anschluss Talk, oder Doku und im Anschluss Talk, oder Film, dann Talk und dann noch eine Doku. Alles zu einem Thema.
Am 8. Mai eventisiert das Erste das Thema Alzheimer, am 13. Mai „Hungerlohn am Fließband“ und am 15. Mai „Mobbing“. Da gibt es so viel zu bereden, dass reicht von Anne Will bis Günther Jauch und wieder zurück. Außerdem ist noch Bundestagswahlkampf und NSU-Prozess. Also: Streichung eines Polittalks? Nö, wieso?
Und der neue Rundfunkbeitrag? 78 Prozent der Deutschen fänden laut eigener Umfrage die Grundidee noch immer gut, sagt ARD-Intendant Marmor. Noch immer.
So, die nächste ARD-Sitzung ist Ende Juni in Mainz, schließt Pressesprecherin Anna Engelke die Runde. „In Mainz?“, fragt Marmor etwas kurzatmig. Vielleicht sollte er vorher noch einmal telefonieren. Die Nummer vom lieben Herrn Doktor Bellut hat er ja.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja