Trauer um buddhistischen Friedensaktivist: Thich Nhat Hanh ist tot

Sein Leben lang setzte er sich für Frieden und Menschenrechte ein. Nun starb der Mönch und Meditationslehrer 95-jährig in seiner Heimat Vietnam.

Thich Nhat Hanh im Mönchsgewand und betender Haltung mit dem Rücken zu einer Menschenmenge vor einer Pagode in Vietnam

Thich Nhat Hanh bei einer Messe vor der Non Nuoc Pagode in Vietnam im April 2007 Foto: reuters

FRANKFURT A.M./HANOI epd | Thich Nhat Hanh war neben dem Dalai Lama einer der prominentesten Vermittler des Buddhismus in der westlichen Welt. Der Vietnamese engagierte sich zeitlebens für Menschenrechte und Frieden weltweit. Sein Grundgedanke war das achtsame Leben im Hier und Jetzt. Er warb für den Dialog der Religionen, diese sollten „zusammenarbeiten, nicht nur zusammenreden“, etwa zum Schutz der Umwelt.

Nun starb der Mönch am Samstagfrüh im Alter von 95 Jahren nach langer Krankheit in seiner vietnamesischen Heimat im Tu Hieu Tempel in der Stadt Hue. Er sei friedlich eingeschlafen, so sein buddhistisches Kloster „Plum Village“ in Frankreich. Ende 2014 hatte er einen schweren Schlaganfall erlitten.

Angst und Verzweiflung dürften angesichts zahlreicher globalen Krisen nicht überhandnehmen: „Achtsam zu atmen und zu gehen hilft, sich im gegenwärtigen Moment einzurichten“, so der Autor zahlreicher Lebenshilfe-Bestseller. Durch Konzentration und Einsicht in die Dinge könne man viele Schwierigkeiten wie Kummer, Sorge und Schmerz überwinden. Die Achtsamkeitspraxis sei zwar tief im buddhistischen Glauben verwurzelt, sei aber offen für Menschen anderer Religionen. „Buddhismus ist gut für Buddhisten und für Nicht-Buddhisten“, meinte er in seiner typisch verschmitzten Art. Unter diesem Motto bot er seine Achtsamkeitskurse auch für Manager, Wirtschaftsführer, Politiker, Wissenschaftler, Umweltschützer, Künstler und für Häftlinge an.

Der 1926 in Zentral-Vietnam als Sohn eines Beamten geborene Zen-Meister galt daher als einer der wichtigsten Vertreter des engagierten Buddhismus. Anfang der 1960er Jahre half er in Saigon mit einer von ihm gegründeten Organisation bombardierte Dörfer wieder aufzubauen, Schulen und medizinische Zentren zu gründen sowie landwirtschaftliche Initiativen zu organisieren. 1966 wurde ihm nach einem USA-Aufenthalt die Einreise in seine Heimat Vietnam verweigert. Damit begann für ihn ein 39 Jahre dauerndes Exil.

Während des Vietnamkriegs (1964-1975) zwischen dem kommunistischen Norden und dem von den USA unterstützten Süden des Landes wurde er vom Ausland aus zum prominenten Sprecher der buddhistischen Friedensbewegung in seiner Heimat. Ein Journalist beschrieb Thich Nhat Hanh damals als „winzige, schlanke, in Roben gehüllte Gestalt; seine Augen sind abwechselnd traurig und lebhaft; seine Äußerungen sind bescheiden und bewegend.“

Martin Luther King schlug ihn für den Friedensnobelpreis vor

Lange lebte Thich Nhat Hanh in dem 1982 von ihm gegründeten internationalen Zentrum „Plum Village“, das in der Nähe von Bordeaux im Südwesten Frankreichs liegt, wo er auch ein Kloster unterhielt. Im September 2008 gründete er das „Europäische Institut für Angewandten Buddhismus (EIAB) in Waldbröl, das eine knappe Stunde entfernt von Köln und Bonn liegt. Weltweit gibt es hunderte Gemeinschaften, die in seinem Geist den Buddhismus praktizieren, eine besondere Mischung unterschiedlicher buddhistischer Traditionen.

Für die positive Umwandlung von negativen Gedanken und Gefühlen sowie Leid und Schmerz entwickelte er eine Technik des achtsamen Atmens. Er gilt als moderner Meditationslehrer, der dem Zen-Buddhismus die Aura des Mystischen nahm und auch für Laien wirklich zugänglich machte. In einem Interview äußerte er einmal: „Hat man innerlich nicht genug Frieden und Mitgefühl, kann man auf keinen Fall glücklich sein.“

Um den Planeten zu retten brauche es heute „mehrere Buddhas“, sagte Thich Nhat Hanh, der mit 16 Jahren ins Kloster eintrat. Thay – wie ihn seine Schüler nach dem vietnamesischen Wort für Lehrer nannten – machte sich nicht nur als Meditationslehrer, sondern auch als Gelehrter und Dichter einen Namen. Der schwarze Bürgerrechtler und Pastor Martin Luther King (1929-1968) schlug Thich Nhat Hanh nach einem Treffen für den Friedensnobelpreis vor. Auch an Deutschen Evangelischen Kirchentagen nahm der kleine buddhistische Mönch mit dem starken Willen teil.

„Man muss nicht Buddhist sein, um Achtsamkeit zu praktizieren„, darauf wies Thich Nhat Hanh immer wieder hin. Jeder könne Achtsamkeit praktizieren – entweder klassisch in der Sitz- oder Gehmeditation, aber auch beim Essen oder ganz alltäglichen Verrichtungen wie beim Zähneputzen oder Autofahren. Für jeden Beruf, in jeder Lebensaufgabe helfe die Praxis, um seine Aufgabe gut zu tun und sich dabei auch noch gut zu fühlen.

Nur der gegenwärtige Augenblick ist wirklich, wurde Thich Nhat Hanh nicht müde zu lehren: “Die Vergangenheit ist nicht mehr, und die Zukunft ist noch nicht.“

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