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Trauer als SchulfachWas wirklich hilft

Obwohl der Tod eines geliebten Menschen alle treffen wird, wissen doch die wenigsten, wie man trauert oder Trauernde tröstet. Das muss gelernt werden.

Eine gute Freundin wusste sie trösten. Indem sie das Untröstliche aussprach Foto: Manfred Bail/imageBROKER/imago

I ch finde, es sollte Trauer als Schulfach geben. Denken Sie mal drüber nach: Wir alle haben Menschen in unserem Leben, die wir lieben. Das heißt, dass jede*r Einzelne von uns im Lauf des Lebens trauern wird – ohne Ausnahme. Keine Liebe ohne Verlust, so einfach ist das. Trotzdem wissen wir nicht, was es heißt, den Verlust auszuhalten. Wir stolpern in diesen Zustand, der in unser aller Leben vorprogrammiert ist, ohne die leiseste Ahnung davon zu haben, was uns erwartet. Und auch die Menschen um uns herum haben keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollen.

Als ich das erste Mal in meinem Leben richtig trauerte, versuchten meine Freund*innen mich zu trösten. „Wenigstens leidet er jetzt nicht mehr“, sagten sie. „Bald wird es dir wieder besser gehen.“ „Danach wirst du stärker sein.“ Diese Sätze waren gut gemeint. Aber sie machten mich unglaublich wütend. Erst als ich das Buch „It’s OK That You’re Not OK“ von Megan Devine las, wurde mir klar, warum.

Die US-amerikanische Psychotherapeutin war dabei, als ihr Partner Matt im Urlaub ertrank. In der Zeit nach seinem Tod begegneten ihr, genau wie mir, überall reflexartige Tröstungsversuche. Sie erklärt, dass diesen Sätzen ein impliziter zweiter Teil anhängt. „Ghost ­sentence“ nennt Megan Devine ihn, den Halbsatz, der unausgesprochen bleibt, dessen Botschaft aber klar und deutlich ist: Fühl dich nicht so, wie du dich gerade fühlst; sei nicht so traurig, wie du bist.

Das hilft nicht weiter, im Gegenteil: „Um sich von jemandem getröstet fühlen zu können, müssen Sie das Gefühl haben, in ihrem Schmerz gehört worden zu sein“, sagt Devine. „Sie brauchen es, die Realität Ihres Verlustes widergespiegelt zu bekommen – in vollem Umfang, unverwässert.“

Trauer muss man nicht loswerden

Auch wenn es unserer Intuition widerspricht – es wird nichts „wieder gut“, wenn jemand gestorben ist. Trauernde Menschen sind im wahrsten Sinne des Wortes untröstlich. Sie brauchen niemanden, der sie aufmuntert. Sie brauchen eine Person, die bei ihnen bleibt und ihren Schmerz aushält. So hart, so roh er auch sein mag. Das klingt einfach, ist es aber nicht – weil es uns quält, Menschen leiden zu sehen, an denen uns etwas liegt.

Doch dafür müssen wir unsere Meinung über Trauer grundlegend ändern. Sie ist nichts, was wir so schnell wie möglich wieder loswerden müssen. „Die Fehlannahme lautet: Wenn etwas sich unangenehm anfühlt, stimmt etwas nicht“, erklärt Megan Devine. „Trauer schmerzt, folglich muss sie schlecht sein.“ Doch nicht die Trauer ist das Problem, sondern dass ein geliebter Mensch gestorben ist. Das, was darauf folgt, ist ein höllischer Prozess, aber er hat seinen Sinn: durch ihn lernen wir, mit unserem Verlust weiterzuleben.

Eine einzige meiner Freund*innen hatte das Schulfach übrigens scheinbar schon belegt. Sie sagte etwas wirklich Tröstliches zu mir: „Es ist schlimm“, sagte sie, „ganz, ganz schlimm.“ Ohne Halbsatz. 1+. Mit Sternchen.

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Caroline Kraft
Caroline Kraft schreibt als freie Autorin u.a. für Zeit Online und das Missy Magazine. Ihre Kolumne "Schluss jetzt" erscheint alle drei Wochen in der taz. Sie ist ehrenamtliche Sterbebegleiterin und chronische Bestatterpraktikantin. Zusammen mit Susann Brückner betreibt sie den Podcast "endlich. Wir reden über den Tod". Ihr gemeinsames Buch “endlich. Über Trauer reden" ist 2022 im Goldmann Verlag erschienen.
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11 Kommentare

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  • Der Umgang mit Trauernden hat seine ganz besondere Tragik. Fast jeder von uns wird unweigerlich geliebte Menschen verlieren und trotzdem ist die mangelnde Empathie des Umfelds ein ständiges Thema in Trauergruppen o.Ä.. Sei es die Aufforderung doch bitte möglichst schnell niemanden mehr mit seiner Trauer zu belästigen ("ich hoffe du kommst bald darüber hinweg!" ) oder grenzenlos unverschämte Vergleiche ("Das mit deinem Kind tut mir leid, als meine Katze gestorben ist, war ich auch sehr traurig"). Überhaupt scheint ein Todesfall der allerbeste Zeitpunkt für ellenlange Monologe über die eigenen verstorbenen Angehörigen zu sein - am Besten formuliert in Form einer Anleitung nach Vorbild zum effizienten Trauern.



    Zusätzlich hat man als Trauernder sowieso gefälligst zu jeder Zeit für jeden noch so blöden Spruch unendlich dankbar zu sein. In dem oben beschriebenen Buch gibt es ein Kapitel, das sich ganz gezielt an Nicht-Trauernde richtet. Schick das mal jemandem und schon ist es weg, das Bei-/Mitleid. Also sitzt man da und lernt zu ertragen.

  • Die Christen haben es eben gut, ich als Atheist ende einfach.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch legt so nach

    “ "- mit 35 dies alles so anders sehen?! Wie kommt das?!" Von Anfang bis zum End - alles ist Event... (Eigenzitat)



    Trauerfeier mit kleinen Einlagen, die dem Wesen der/des Toten entsprechen, könnte ich mir vorstellen.



    Z.B. für Karl Dall - Die beiden letzten Insterburger de.wikipedia.org/wiki/Insterburg_%26_Co. mit Kurzdialog



    1. Person: "Woran starb Karl Dall?"



    2. Person: "An Schlaganfall."



    Stimme von Ingo I. aus dem off: "Über den Kalauer hätte er sich totgelacht." (Könnte sicherlich aus alten Tondokumenten zusammengeschnitten werden.)



    (Ende der Szene)







    Darf frauman sowas veröffentlichen? Ich würde mich nicht trauen.“



    & Däh! - mal schauen - 🤫 -



    kurz - Alter - nich lang warten!



    Nur die Harten komm inn Garten.

  • RS
    Ria Sauter

    Diese Kommentare , wie die Autorin schreibt, habe ich noch nicht erlebt.



    Stattdessen genau, die Anteilnahme, die ich in dem Moment gebraucht habe.



    Die "Tröstungssprüche" kommen wohl eher von Menschen, die einem fremd sind.



    Menschen, die einem verbunden sind, müssen Trauer nicht lernen. Das geht nicht.



    Über den Tod zu sprechen und ihn damit ins Leben aufzunehmen, da stimme ich zu.

    • @Ria Sauter:

      anschließe mich.

      unterm——- btw—



      Sach mal so: “ Caroline Kraft war die vergangenen zehn Jahre in der Verlagsbranche tätig – in London, Frankfurt und Berlin, wo sie heute lebt und als PR- und Kommunikationsberaterin arbeitet. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8".“



      Trauerbegleitung? Why? You’re shure?

      kurz - Mein Sidekick hat wohl recht.

      • @Lowandorder:

        Eben - “ Good Eventning“ - 👹

        unterm—— Neil Postman — servíce -



        “Wir amüsieren uns zu Tode“ im Gefolg



        Von Marshall McLuhan & Cie. - könnten die tazis bi lütten auch mal schnallen!



        Normal Schonn - wa!

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch schlenztein:

    “ Strumpfhose aussuchen? Wieder nur das eigene Ich im Blick und nicht die Gestorbenen? Gedichte und/oder Musikstücke, die den Verstorbenen vielleicht gefallen hätten, könnten ausgesucht werden. Auch wenn ein Vogel gestorben oder eine Blüte erfroren ist. - Zurück zum Schulfach.“



    …anschließe mich.

  • Wenn ich tot bin, sollst Du gar nicht trauern, meine Liebe wird mich überdauern, und in fremden Kleidern dir begegnen und Dich segnen. Lebe, lache gut! Mache Deine Sache gut!"

    Joachim Ringelnatz

    • @Ringelnatz1:

      Danke. “…machs gut dein Vati.“

      So endete die eine Seite unseres Ohl



      Klar - plus Unterschrift - de Koofmich wußte “…ja das geht als Testament durch!“ - eben die Rechtspflegerin.



      &



      Bewegt hab ich ihm die Grabrede gehalten. “Wo süss?!“



      Ihre unauffällig eingestreuten “Bojen“ zur Orientierung - begleiten mich bis heute. Danke.

  • Vorweg: Bin kein gläubiger Mensch.



    &



    Mehr als doppelt so alt wie die Autorin



    &



    Verstehe den Beitrag - wie schon ihren vorangegangenen - schlicht nicht:



    “ Familien und Trauer: Kinder bei der Beerdigung



    Wenn Familienmitglieder oder Freunde sterben,



    stehen viele vor einer wichtigen Frage: Soll und darf man Kinder mitnehmen zu einer Beisetzung?“ - habe dort etwas dazu gesagt -



    taz.de/Familien-und-Trauer/!5722298/

    Das Bild berührt mich. Diese sanfte Berührung in der Trauer.



    Es erinnert mich an die Erzählung meines Analytikers - nicht näher nachgeprüft - über schwarzafrikanische Trauerrituale.



    Jeder aus dem Dorf legt die Hände auf - nimmt Trauer - das Ganze mündet in einem Fest



    (noch anders hier - www.deutschlandfun...:article_id=227949 - zu Afrika)



    Bis heute habe ich den Tod einiger geliebter & einiger weniger geliebter Menschen erlebt: Immer dabei - meist körperliche Zuwendung - fast nie derartige im Beitrag beschriebene - sorry - dümmliche “Trostversuche“.



    Zuletzt meine Lieblingstante mit 93 zu Grabe getragen.



    Der Paster - nunja - aber das Dorf - die mich als Jungen in Ferien ff kennen.



    Warme respektvolle Anteilnahme - gegenseitig.



    & sodele -



    Wenn mein Lieblingsonkel & musikalischer Spiritus rector -mit dem ich mich oft am Flügel scherzhaft über die Tasten hin unterhalte - oder dito ming Vaddern - de Ohl - mit “Na Jung“ reinkäme.



    Würde ich mich genausowenig wundern - wie über seine frühere Verlobte.



    Meine Mutter mit ihrem spöttischen Lächeln.



    Besonders naturellement: - wie meine zweite Frau & ich den Tod unseres Sohnes in der Geburt er- & durchlebt haben. Die Phase - begleitet von einer klugen warmherzigen (reiner Zufall)Sanjassin-Hebamme - gleichsam hellwach & “gestoned“ zu sein.



    Abgelöst von der Zuwendung zum Kind in der Beisetzung mit meinen älteren Kindern.

    kurz - Habe mich & für andere aufgehoben - gemeint empfunden.



    Frage also - mit 35 dies alles so anders sehen?! Wie kommt das?!

  • Ja, Trauern lernen ist harte Arbeit, weil es einen wesentlichen Bereich unseres Lebens berührt. Genau deshalb gehört das auch an keine deutsche Schule.

    Echtes Lernen (im klassischen griechische Sinne) findet hier nicht statt, sondern Wissensvermittlung, was lediglich eine Vorstufe vom Lernen ist. Zum Lernen braucht es einen Lehrer (wieder griech.), dem ich vertraue und dem ich mich öffne. Da brauche ich bestimmt nicht die anderen 25 hormonschwangeren Unbekannten, mit denen ich mir den Lehrer teilen muss. Und davon brauche ich auch nicht so viele wie ich unterschiedliche Fächer habe.

    Aber da gab es doch mal diese anderen Erwachsenen mit denen man seine meiste Zeit verbringt... aber wer hat heutzutage noch Eltern? Erzeuger müssen wohl ausreichen...

    (* sind selbst mitzubringen)