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Trans-Verbote im US-Sport„Wir fühlen uns alle attackiert“

Eine trans Athletin an einer Highschool in Maine sorgt für Aufregung. Trump kämpft gegen „Männer im Frauensport“. Gouverneurin Mills hält dagegen.

Trans Leistungsschwim­me­rin Lia Thomas 2022 beim 100-Meter-Freistil. Heute darf sie nicht mehr in der Frauenkategorie antreten Foto: imago

Maine taz | Die Gemeinde Cumberland im US Bundesstaat Maine ist ein Muster an länd­licher Beschaulichkeit. Gerade einmal 8.000 Seelen zählt der 200 Jahre alte Landwirtschaftsort im äußersten Nordosten der USA, die bunten alten Holzhäuser verströmen den Postkartencharme einer verschlafenen Neu England Kleinstadt. Wer hier lebt, möchte vom Trubel der weiten Welt so unberührt sein, wie es nur geht.

Der Ort passt trefflich zum Freigeist des Staats Maine, der von der Bevölkerungsdichte her national auf Platz 43 steht. In den vergangenen 50 Jahre wählte Maine zweimal unabhängige Gouverneure, man versteht sich hier eher als libertär, denn als einer der beiden großen Parteien verpflichtet. In Maine möchte man seine Ruhe haben und sein eigenes Ding machen.

So sind die Menschen in Cumberland und im ganzen Staat auch nicht eben davon begeistert, dass in den vergangenen Wochen ständig in den Nachrichten von ihnen die Rede ist. Ein Kamerateam nach dem anderen ist über Cumberland hergefallen und Donald Trump ist ganz besessen von Maine. So sehr, dass seine Regierung seit der vergangenen Woche per Klage vor einem Bundesgericht den Staat dazu zwingen möchte, seinen Exekutivanordnungen Folge zu leisten.

Ground Zero des Zanks zwischen dem kleinen unbeugsamen Staat im Nordosten und dem vermeintlichen Imperator in Washington war eben jenes Städtchen Cumberland. Genau gesagt, die Greely High School von Cumberland, die von 700 Schülern aus dem Landkreis besucht wird. Vor rund zwei Monaten, am 16. Februar, fand auf dem Sportplatz der Greely High School ein Leichtathletikwettbewerb statt. Siegerin im Stabhochsprung des Mädchenwettkampfs war eine trans Athletin, die nach den Verordnungen des Bildungsministeriums von Maine ihr Recht ausübte, in der Wertung jenes Geschlechts anzutreten, dem sie sich zugehörig fühlt.

Republikanische Empörung auf Social Media

Das passte der republikanischen Staatsabgeordneten Laurel Libby überhaupt nicht. Sie stellte empört Fotos der Athletin auf ihr Facebook-Profil und klagte lauthals, dass sich ihre Heimat­staat der Exekutiv­an­ord­nung Trumps widersetze, „biologische Männer aus dem Frauen­sport“ herauszuhalten. Der Post erregte in republikanischen Kreisen große Aufmerksamkeit, so groß, dass die Fotos auch im Oval Office Beachtung fanden.

So hatte Donald Trump den Staat Maine bereits scharf im Visier, als er eine Woche später die Gouverneure zu einem Event ins Weiße Haus lud. Bei seiner Rede erneuerte Trump seinen Kampfaufruf gegen „Männer im Frauensport“, wie er die Teilnahme von tran­s Ath­le­tin­nen in der Frauenkategorie bei Sportwettbewerben bezeichnet. Dabei schaute er sich im Saal um und fragte ob „Maine“ da sei. Den Namen, der Gouverneurin Janet Mills kannte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Nach dem folgenden Wortwechsel kennt nun jedoch jeder, der den Nachrichten folgt, Janet Mills. Sie gedenke, die Gesetze ihres Staats und die des Bunds zu befolgen, sagte Mills Trump, woraufhin Trump erwidert, er sei das Gesetz. „Dann sehen wir uns vor Gericht“ – „see you in court“ – entgegnete Mills, ein Ausspruch, der mittlerweile auf T-Shirts von Trump Gegnern in den ganzen USA prangt.

Der Streit zwischen der unbeugsamen Gouverneurin und Trump eskalierte rasant. Un­mit­tel­bar nach der Pressekonferenz forderte Trump Mills über sein eigenes Netzwerk Truth ­Social dazu auf, sich zu entschuldigen. Mills antwortete darauf, sie kommuniziere in Staats­angelegenheiten nicht über soziale Medien. Im Übrigen halte sie sich an die Buchstaben des Gesetzes und der Verfassung und nicht an Social-Media-Posts oder Exekutivanordnungen.

Im Namen der Gleichberechtigung

Im Gegenzug drohte Trumps Justizministerin Pam Bondi gleich am nächsten Tag, Bundes­för­der­gelder für Schulen in Maine mit sofortiger Wirkung einzufrieren. Dazu gehörten Zuschüsse des Landwirtschaftsministeriums für Schulessen in Höhe von mehr als 2 Millionen Dollar. Mills konterte mit einer Gegenklage und erzielte eine einstweilige Weiterzahlung der Förderung per richterlichen Beschluss.

Das wiederum ließen Trump und seine Justizministerin nicht auf sich sitzen. Am vergangenen Freitag verklagte der Bund den Staat Maine, weil dieser angeblich gegen das Gesetz zur Gleichberechtigung von Frauen in der Bildung verstoße. Das sogenannte Title-IX-Gesetz aus dem Jahr 1972 garantiert nicht nur gleiche Förderung von Frauen in der Bildung, sondern auch im Sport, der in den USA traditionell an Bildungseinrichtungen angebunden ist.

Damit geriert sich die Trump-Regierung als Antidiskriminierungskämpferin im Sport. Die Staaten Kalifornien und Minnesota, die ebenfalls weiterhin tran­s Ath­le­t:in­nen an Wettkämpfen teilnehmen lassen, kündigte Bondi an, wären als Nächstes dran. Bizarrerweise hatte sich die Biden-Regierung auf genau das gleiche Gesetz berufen, um tran­s Ath­le­t:in­nen die Teilnahme Sportwettkämpfen zu gestatten.

Aber um die Teilnahme von tran­s Ath­le­t:in­nen an Sportwettbewerben geht es in diesem Zwist ohnehin schon lange nicht mehr. Wie in der gesamten politischen Diskussion um Trans-Rechte wird das Thema Sport auch in dieser Auseinandersetzung weit über die Verhältnismäßigkeit hinaus aufgeblasen und instrumentalisiert. Es gibt in Maine ganze drei bekannte trans Athlet:innen, das gesamte US-College-System kennt weniger als zehn unter mehr als 500.000 aktiven Sportlern.

Demokratischer Widerstandskern

Worum es eigentlich geht,hat Mills derweil ganz unmissverständlich in einem Interview artikuliert: „Es geht darum, ob ein Präsident ohne Rücksicht auf das Gesetz seinen Willen durchsetzen kann.“ Und genau dagegen setzt sich Mills entschlossen zur Wehr.

Die Gouverneurin des kleinen Staats, die als erste weib­liche Justizministerin von Maine gedient hatte und gewählt wurde, um universelle Krankenversicherung und CO2-Neutralität durchzusetzen, kristallisiert sich damit zu einer exponierten Widerstandsfigur gegen Trump heraus. Mills ist entschlossen, sich von Trump nicht einschüchtern zu lassen, gleich, wie sehr er versucht, sie durch Klagen und Erpressung unter Druck zu setzen.

Damit gehört sie zu den erfrischenderen neuen Stimmen in der Demokratischen Partei, die sich weit aus dem Fenster lehnen, um den Erhalt der amerikanischen Demokratie gegen Trumps Attacken zu verteidigen. Man nennt Mills in einem Atemzug mit dem Marathonredner Cory Booker, der durch seine 25-Stunden-Standpauke im Kongress beeindruckte, sowie dem gleichsam un­erschrockenen Senator Chris Murphy aus Connecticut. Zusammen bilden sie einen Widerstandskern in der Partei, der langsam an Kontur gewinnt.

Der Kampf, der ihnen bevor steht, wird freilich kein leichter. Trumps vermeintliches Eintreten für die Rechte von Sportlerinnen ist nichts anderes, als Teil seiner Strategie, linke Machtzentren zu brechen – seien es demokratische Staaten wie Maine, Kalifornien und Minnesota oder Eliteuniversitäten, die in den USA praktisch monolithisch links stehen.

Symbolfigur Lia Thomas

So war eine von Trumps ersten Aktionen nach dem Erlass zum „Ausschluss von Männern aus dem Frauensport“, 175 ­Mil­lio­nen Dollar an Fördermitteln für die University of Pennsylvania einzufrieren. Die Universität hatte vor drei Jahren die trans Schwimmerin Lia Thomas für ihr Team starten lassen. Thomas gewann die nationale Universitätsmeisterschaft über 500 Yards Freistil und provozierte damit die überhitzte öffentliche Debatte in den USA um trans Athletinnen.

Mittlerweile haben 26 US-Bundesstaaten Statuten in Kraft gesetzt, die es tran­s Ath­le­t:in­nen verbietet, an Sport­wett­be­wer­ben teilzunehmen. Der Universitätssportverband NCAA, der das Rückgrat des amerikanischen Leistungssports bildet, hat Trumps Druck nachgegeben und den Start von biologisch männlich geborenen Sportlern in der Frauenkategorie untersagt.

Lia Thomas, auf deren Rücken das gesamte Scheingefecht ausgetragen wurde, hat derweil aufgegeben. Auch ihr Appell an das oberste Sportgericht CAS blieb erfolglos: Thomas darf auch international nicht als Frau an Schwimm­wettbewerben teilnehmen. Bei einem seltenen öffentlichen Auftritt vor wenigen Wochen sprach sie offen darüber, wie viel Zorn und Schmerz sie ausgestanden habe, nachdem man sie von der Ausübung ihres Sports abgeschnitten hatte.

An der Greely High School in Maine dürfen hingegen vorerst noch trans Leicht­ath­le­t:in­nen werfen, springen und laufen. Dabei können sie sich nicht nur der Rückendeckung ihrer Gouverneurin sicher sein, sondern auch der ihrer Mitschüler. Die stehen nämlich voll hinter ihrer Mannschaftskameradin, die anonym bleiben möchte. „Dass sie von so vielen reichen und mächtigen Menschen attackiert wird, lässt mein Blut kochen“, sagte ein Kameradin gegenüber dem TV Sender NBC. „Wir fühlen uns alle attackiert.“ Maine ist nun einmal ein Ort, an dem jede und jeder ihr Leben so gestalten können soll, wie sie möchte. Und wenn das weit entfernte Washington sich da einzumischen versucht, dann rückt man zusammen.

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1 Kommentar

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  • Die Bewertung des Sachverhalts erscheint mir etwas überzogen, denn weder wird "trans Athlet:innen verboten, an Sportwettbewerben teilzunehmen", noch hat man Lia Thomas "von der Ausübung ihres Sports abgeschnitten". Es dürfen nur nicht alle an den Frauenwettbewerben teilnehmen, die anderen stehen allen offen.