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Trans Menschen in den MedienAus dem Bild gedrängt

Gastkommentar von Lea Marie Uría

Bis zu ihrer Transition ist Lea Marie eine erfahrene und geschätzte Mitarbeiterin eines TV-Senders. Dann wird es kompliziert.

Krawattenzwang Foto: Martin Parr/Magnum/plainpicture

I ch bin in Washington, an einem Ort, an dem ich immer davon geträumt habe, Korrespondentin zu sein. Ich soll live von der Straße berichten für den Social-Media-Auftritt meines Senders. Das erlaubt mir, mich auf dem Bildschirm in Kleidung zu zeigen, die nicht eindeutig auf mein Geschlecht hinweist. Vor einiger Zeit habe ich mit meinen Chefs gesprochen, ihnen gesagt, dass ich transitioniere. In der Hoffnung, dass ich mich bald der gesamten Redaktion gegenüber mit Unterstützung der Leitung als trans Frau outen kann.

Doch plötzlich gibt es eine Planänderung. Ich soll nicht von der Straße aus senden, sondern aus einem richtigen Studio, mit dem Weißen Haus im Hintergrund. Obwohl ich der Meinung bin, dass ich inhaltlich eine sehr solide Berichterstattung geleistet habe, vielleicht die beste in meiner mehr als 25-jährigen Laufbahn, stimmt etwas nicht. Meine Chefs sprechen mit mehreren Kolleg*innen, diese fordern: Du musst eine Krawatte anlegen! Das ist Fernsehen! Die Chefs verlangen es!

Wie? Dieselben Vorgesetzten, denen ich eben noch erzählt hatte, dass ich eine Transition mache, weil ich eine Frau bin, verlangen jetzt von mir, eine Krawatte zu tragen? Wollen sie mich vor der Kamera bloßstellen? Ich frage mich, was eine Krawatte mit journalistischer Objektivität zu tun hat.

Meine Interventionen aus dem Studio ohne Krawatte kommen in den sozialen Medien gut an. Nur ein Twitter-Nutzer fragt sich, ob die Person ein Mann oder eine Frau sei. Eine durchaus berechtigte Frage, aber auch zweitrangig, wenn es um die Beurteilung meiner Berichterstattung geht.

Lea Marie Uría

ist eine in Argentinien geborene Journalistin und Schriftstellerin, die seit 2012 in Berlin lebt. Sie ist aktiv in Gruppen von trans Personen mit Migrationsgeschichte und in TransInterQueer (TrIQ).

Als ich zurück nach Berlin komme, bitte ich die Chefs um Erklärungen. Offenbar haben sie mir die Transition nicht ganz geglaubt, einem muss ich sogar meinen Hormonspiegel vorlegen. Er rät mir, den Kol­le­g*in­nen von meiner Transition zu erzählen, damit ich keine weiteren Probleme bekomme. Daher beschließe ich, mein Coming-out einige Monate früher zu machen als geplant. Am 23. November 2018 oute ich mich als trans Frau, als trans Reporterin in einem deutschen Sender. Ich bekomme viel Zuneigung von freien Kolleg*innen. Und ich kann anfangen, als Frau zu arbeiten, wovon ich lange geträumt habe; mit Unterstützung der Leitung, wie ich annehme.

Stattdessen verschärfen sich die Probleme: Ich muss länger arbeiten, in Besprechungen, die ich leite, werde ich oft unterbrochen, meine Entscheidungen als News-Koordinatorin werden offen infrage gestellt. Obwohl es in dieser Situation schwierig ist, darauf hinzuweisen, dass meine Pronomen und Vornamen respektiert werden müssen, tue ich es. Immer wieder.

Von der US-Berichterstattung bis zur Überprüfung von Akzenten auf Youtube, mehr als zwei Jahre geht das so

Sie geben mir viele anspruchsvolle Schichten in kurzer Zeit, mehr als je zuvor. Bald darauf kann ich nicht mehr. Zum ersten Mal seit 2012 lasse ich mich krankschreiben, und die Rückkehr ist schwierig: Eine Vermittlung durch die Gleichstellungsbeauftragte scheitert. Ich muss akzeptieren, meine Arbeitszeit zu reduzieren und auf 20 Prozent meines Gehalts zu verzichten, damit ich bei meiner Transition vorankomme. Dabei sollte doch eigentlich mein Arbeitgeber für ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld sorgen.

Mehrere Monate verschwinde ich vom Bildschirm. Ein Chef sagt mir, dass er mich besser aus Positionen mit hoher redaktioneller Verantwortung herausnimmt, da ich für meine Behandlung OPs brauche, ich könne ja aus gesundheitlichen Gründen ausfallen.

Trans Serie

In unserer „Trans Serie“ schreiben queere, trans und cis Menschen rund um die aktuellen Diskurse um das neue Selbstbestimmungsgesetz. Alle Texte der Reihe finden Sie hier.

Ich bleibe also auf soziale Medien spezialisiert, arbeite meist als „digitale Koordinatorin“. Bald wird klar, dass es nicht viel zu koordinieren gibt und dass meine Aufgabe eigentlich darin besteht, Rechtschreibfehler in alten Beiträgen zu korrigieren. Von der Berichterstattung in den USA bis zur Überprüfung von Akzenten auf Youtube, mehr als zwei Jahre geht das so. Ich soll das nicht persönlich nehmen, heißt es, man wolle mir nur helfen. Ich soll es auch nicht persönlich nehmen, wenn mir eine Kollegin auf der Damentoilette ein Kreuz mit den Fingern zeigt, als sei ich ein Vampir; ein Scherz. Die Tatsache, dass ich es nicht witzig finde, zeigt, dass ich keine normale Frau bin, sagt sie, erst später entschuldigt sie sich.

Ich verlange, dass man mir endlich wieder Aufgaben zuweist, die meiner Erfahrung entsprechen. Nichts passiert. Oder doch: Zwei Kol­le­g*in­nen werden befördert, ich werde nicht berücksichtigt. Dies wird ausgerechnet am Transgender Day of Visibility bekannt gegeben. Ich bin bei der Sitzung nicht anwesend, weil ich mich auf eine interne Veranstaltung vorbereite, bei der zum ersten Mal über die Arbeit von trans Personen in den Medien gesprochen wird. Ich sage dort, dass die Kultur der Organisation den sich vollziehenden kulturellen Wandel noch nicht widerspiegelt. Die Verwaltungsdirektorin verspricht künftig mehr Unterstützung.

Erst Tage später erfahre ich die Neuigkeiten in meiner Abteilung und kündige. Man bittet mich, die Kündigung zurückzunehmen, was ich nach mehreren Gesprächen akzeptiere. Ich brauche meinen Job auch, um nach zehn Jahren in Berlin die deutsche Staatsbürgerschaft als Frau beantragen zu können. Aber ich bitte darum, versetzt zu werden.

Ich fange in der Personalabteilung an, wo ich unter anderem versuche, zur Schaffung eines Umfelds beizutragen, in dem trans Personen – neben anderen LGBTQI+ Personen – problemlos arbeiten können. Ich hatte gehofft, in dieser Hinsicht Ergebnisse zu erzielen, damit ich wieder als Journalistin arbeiten kann, aber konkrete Schritte verzögern sich, und ich kündige schließlich endgültig. Es kann nicht sein, dass es meine Aufgabe ist, eine Struktur davon zu überzeugen, dass sie mich nicht diskriminieren darf. Deshalb brauchen wir auch – neben vielen anderen Gründen – ein Selbstbestimmungsgesetz, damit wir als trans Personen und trans Jour­na­lis­t*in­nen endlich auf Augenhöhe arbeiten können.

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8 Kommentare

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  • Die Autorin wird jetzt beruflich als Frau behandelt. Willkommen im Club.

  • Tja, auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk scheint man lieber anderen Transfeindlichkeit vorzuwerfen anstatt sich mit dem Balken im eigenen Auge zu beschäftigen.

  • Eine Diskriminierung von Transpersonen im Arbeitsverhältnis ist nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) schon seit Jahren verboten, dafür bedarf es keines Selbstbestimmungsgesetzes. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.12.2015, Az.: 8 AZR 421/14, entschieden, dass das AGG auch die Diskriminierung wegen Transsexualität verbietet. Das geplante Selbstbestimmungsgesetz soll laut den vom Bundesministerium der Justiz und vom Bundesfamilienministerium bekannt gegebenen Eckpunkten (www.bmfsfj.de/reso...eckpunkte-data.pdf ) im Wesentlichen nur das Verfahren zur Änderung des personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrags neu regeln. Mit Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz hat das geplante Selbstbestimmungsgesetz nichts zu tun.

    • @Budzylein:

      Ja, aber in der Tat die strukturelle Diskriminierung auch am Arbeitsplatz geht es weiter, weil unsere Identität nicht als legitim wahrgenommen wird. Ganz im Gegenteil, sie wird pathologisiert. Das ist was das Selbstbestimmungsgesetz korrigieren soll.

      • @Nai:

        Die Diskriminierung wird aber durch ein Selbstbestimmungsgesetz nicht abgeschafft. Wer Transpersonen nicht als legitim wahrnimmt, wird dies kaum davon abhängig machen, ob die Änderung des rechtlichen Geschlechts auf dem geltenden Transsexuellengesetz oder auf einem künftigen Selbstbestimmungsgesetz beruht. Wer Transpersonen ablehnt oder gar hasst, tut dies unabhängig von deren rechtlichem Status, genauso wie z. B. hiesige Rassisten ihre Feindlichkeit gegen Nichtweiße nicht davon abhängig machen, ob es sich bei diesen um deutsche Staatsbürger handelt.

        Und die Entpathologisierung findet nicht durch das Selbstbestimmungsgesetz statt, sondern dadurch, dass es, was heute bereits der Fall ist, nicht mehr als Krankheit eingestuft wird, trans zu sein.

        Das ändert aber nichts an praktizierter Diskriminierung. Zum Vergleich: Im Grundgesetz steht seit 1949, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Homosexualität ist seit Jahrzehnten nicht mehr strafbar und gilt seit 1992 auch nicht mehr als Krankheit. Das hat aber nichts daran geändert, dass es nach wie vor Frauenfeindlichkeit und Homosexuellenfeindlichkeit gibt. Es gibt in der BRD auch seit ihrem Bestehen kein Gesetz, das Juden gegenüber Nichtjuden benachteiligt, aber es gibt weiterhin massenhaft Hass auf Juden.

        • @Budzylein:

          In Deutschland wird die Entpathologisierung von trans Personen erstmals ohne das pathologisierende Transsexuelle Gesetz (TSG) erfolgen. Diese Diskriminierung seitens des Staates ist, was das Selbstbestimmungsgesetzt korrigieren sollte.

        • @Budzylein:

          Das Selbstbestimmungsgesetz sollte die Diskriminierung seitens des Staates korrigieren. Das wäre ein sehr wichtiger erste Schritt. Es ist sehr schwer oder fast unvorstellbar für trans Personen erstmal einen Job zu finden nur mit einen Ergänzungsausweis.

  • Ich hoffe solche Erfahrungen führen zum Schulterschluss von Feminismus und Transaktivismus, denn schließlich sind das genau die Erfahrungen, die auch Frauen seit Jahrzehnten im Berufsleben machen.