Trans-Experte über „drittes Geschlecht“: „Das Gender-Sternchen ist verbrannt“
Frauen, Männer und etwas Drittes? Der Streit um die Bezeichnung transidenter Menschen tobt. Frank Gommert schlägt eine neue Bezeichnung vor.
taz: Herr Gommert, das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber im Herbst 2017 beauftragt, die Personenstandsbeschreibung zu erweitern auf Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann verstehen. Zwar gibt es im Innenministerium dazu einen Referenten-Entwurf. Passiert ist indes bislang nichts. Nimmt die Bundesregierung das Thema nicht ernst genug?
Frank Gommert: Ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht genug macht oder ob sie nicht verstanden hat, wie nötig das ist, um alle Gesellschaftsschichten in ihrer sexuellen Vielfalt abzubilden.
taz: Was ist denn nötig?
Frank Gommert: Neben den sich eindeutig definierenden Frauen und Männern, die die Mehrheit bilden, gibt es Minderheiten mit verschiedenen Geschlechtsidentitäten, darunter Inter- und Transsexuelle und solche, die sich nicht eindeutig definieren möchten. All diese verschiedenen transidentischen Gruppen haben ihre Bedürfnisse, die man in der Öffentlichkeit abbilden sollte. Bisherige sprachliche Vorschläge wie „Inter“, „Trans“ und „Weiteres“ reichen da nicht aus. Gut wäre beispielsweise die Formulierung „geschlechtliche Varianten“.
taz: Gibt es keine bessere Formulierung als diesen sprachlich doch recht sperrigen Begriff?
Frank Gommert: „Geschlechtliche Varianten“ schließt niemanden aus, so wie das bei den anderen Vorschlägen der Fall ist. Darunter können sich selbst eindeutige Cis-Menschen wiederfinden, also all jene, die sich eindeutig als Frauen und Männer definieren.
taz: Haben Sie Verständnis dafür, wenn jemand sagt, das ist mir alles zu viel Gewese um Minderheitenrechte, es gibt Wichtigeres?
ist Bundesgeschäftsführer der Vereinigung Transsexuelle Menschen in Melle in Niedersachsen
Frank Gommert: Das ist ähnlich wie mit der Diskussion um die Gender-Sternchen. Die sind mittlerweile verbrannt, weil sich darunter zu viele Forderungen zu vieler Gruppen versammeln.
taz: Angenommen, die Bundesregierung nimmt sich der Sache nach der Sommerpause an und das Personenstandsgesetz wird geändert – angeblich soll das Justizministerium in der Schublage einen fertigen Gesetzentwurf haben – löst das die Probleme der gesellschaftlichen Anerkennung transidenter Menschen?
Frank Gommert: Nein, natürlich nicht. Das Transsexuellengesetz beispielsweise gibt es seit 1980, transidente Menschen kämpfen aber immer noch um allgemeine öffentliche Anerkennung. So etwas dauert sehr, sehr lange.
Leser*innenkommentare
Katrina
Eine rein praktische Überlegung: wenn jemand nicht männlich oder weiblich ist oder nicht sein möchte, wie sollte man die Person dann ansprechen? Herr x oder Frau y geht ja nicht. Werden wir uns dann alle beim Vornamen anreden (müssen)? Und womöglich duzen? Auch in Geschäftskorrespondenz?
Ralf Eckstein
Im Sammelbegriff "geschlechtliche Varianten" werden z.B. Intersexuelle Menschen doch wieder nicht sichtbar. Dann kann man es doch gleich lassen.
Blacky
... und um (zugegebenermassen etwas polemisch) an die andere Diskussion in der taz anzuschliessen: wieviel Schwimmbäder müssen schliessen, damit dies finanziert werden kann?
Mzungu
"das ist mir alles zu viel Gewese um Minderheitenrechte" -- Dank an die TAZ für wenigstens eine kritische Frage.
Mitch Miller
Das ganze Herr-Frau-Gedöns einfach weglassen - wer braucht das?
Dummerweise ist es in den Sprachen verankert, die damit oft einhergehende Betonung/Diskriminierung/Bevorzugung/Ausgrenzung sollte man angehen.
Dieses Anredegerangel ist überflüssig und antiquiert.
Taztui
Das Geschlecht sollte sich weniger wichtig nehmen. Ebenso die Sexualität. Auf beides kann in den Personenstandsdaten verzichtet werden. Aber wahrscheinlich wäre das einer Minderheit auch wieder nicht genehm. Irgendwann kommen temporäre Geschlechter in Mode, wie schon bei der Sexualität - heute so und morgen so ...
Alwina Niklas
@Taztui Das ist ein oberflächliches Gegenargument. Natürlich ist mir nicht so wichtig, ob bestimmte Personen meine Transidentität verstehen. Ich will aber ernst genommen werden. Das empfinde ich erst, wenn ich selbst bestimmen kann, wer ich bin. Ich kann es nicht zulassen, dass sogenannte Gutachter mir dies erst bestätigen müssen, damit mein gefühltes Geschlecht auch im Personalausweis eingetragen werden kann. kann.
Cededa Trpimirović
@Taztui Das könnten offizielle Stellen dann als "Datensparsamkeit" vermarkten...