Trainerwechsel bei Hertha: Eine glückliche Seele

Der alte Hertha-Trainer Pál Dárdai wird erneut Trainer der abstiegsbedrohten Mannschaft: Bei Hertha wird alles wieder, wie es bleibt.

Zwischen Spielern hindurch lächelt Pal Dardai, alter und neuer Trainer von Hertha BSC Berlin, in die Kamera. Er trägt eine dunkle Jacke und kurzes braunes Haar.

Wieder Hertha-Trainer: Pál Dárdai (dunkle Jacke, ohne Mütze) Foto: dpa

In der volatilen Gegenwart hat Hertha BSC etwas Beruhigendes. Wie eine Modelleisenbahn fährt der Klub geistig und sportlich im Kreis, und ehe man es sich versieht, ist er schon wieder auf Anfang angelangt. BeobachterInnen mögen sich augenreibend fragen, ob es wirklich erst eineinhalb Jahre her ist, dass Pál Dárdai zuletzt vom Cheftrainerposten in Berlin verabschiedet wurde. Damals wurde er mit der Begründung entlassen, den Rückstand auf die ersten sechs verringern zu wollen. Ja, das ist wirklich lange her.

Heute darf Hertha sich glücklich schätzen, wenn es Dárdai gelingt, den erneuten Abstieg aus der Männer-Bundesliga zu verhindern. Es könnte klappen, die Konkurrenz unten ist noch schlechter. Und er hat das ja schon einmal getan, in seiner allerersten Hertha-Chef-Saison. Geschichte läuft hier in meditativen Kringeln, nicht aszendent wie bei Union. Hertha hat eine Runde gedreht und startet wieder am selben Bahnhof.

Gewiss, der Klub würde gern alles anders machen und ganz großartig sein. Was hat man nicht alles versucht: Den glücklosen Dárdai-Nachfolger Ante Čović ersetzte man durch den Suppenkasper Jürgen Klinsmann, parallel kam die Episode um den großmäuligen Investor Lars Windhorst und seine grotesken Vorhersagen von Champions League und „Big City Club“. Ein Gesamtinvestment von 374 Millionen Euro so dilettantisch zu verschleudern ist vermutlich ein Novum im deutschen Männerfußball. Das schaffte in vergleichbarem Zeitraum nicht mal der HSV. Klinsmanns legendäre Facebook-Schlussmache („HaHoHe, euer Jürgen“), ein erfolgloses Intermezzo unter Alexander Nouri, ein erfolgloses Intermezzo unter Bruno Labbadia, die Demission von Labbadia und Manager Michael Preetz, und jetzt wieder alles auf Anfang.

Just mit der unbegründeten Sehnsucht nach Glanz bleibt der Klub seiner Sisyphos-Laufbahn treu. Den Größenwahn zur Vereinsfolklore zu erheben mag Hertha-Fans das Leben erleichtern, ändert aber nichts daran, dass er ein schlechter Ratgeber ist. Im Gegensatz zu Hamburg oder Schalke war Hertha nicht einmal je groß. Wenigstens ist ein Abstieg damit erträglicher, denn da landet man ja alle Jahre wieder.

Hertha ist, wo man nicht weiß, ob man dieselbe Diagnose schon einmal oder schon fünfmal geschrieben hat

„Bescheidenheit und Geduld hat Hertha BSC nie verstanden“, schrieb die taz bei Dárdais letzter Demission. Hertha ist, wo man nicht weiß, ob man dieselbe Diagnose schon einmal oder schon fünfmal geschrieben hat. Pál Dárdai war stets einer derer, die die limitierte Realität und den langen Weg klar benannten. Auch deshalb wollte man ihn einst nicht mehr.

Und nun? Auf Dauer ist der hemdsärmelige Ungar im Trainer-Chefsessel der Windhorst-Hertha schwer vorstellbar. Er lässt sich ungern reinreden, verströmt wenig internationalen Chic, und verbale Angriffe auf London oder Madrid sind nicht seine Welt. Fürs Erste aber sind alle froh, dass es wieder um Rotwein und lustige Alligatoren geht. Alles wird, wie es bleibt. Vielleicht darf man sich Hertha BSC als glückliche Seele vorstellen.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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