Trainer über Diskriminierung im E-Sport: „Für Frauen muss es die Hölle sein“

Josef Kolisang ist E-Sport-Trainer und beklagt die Diskriminierung in der Szene. Er findet: Auch die Politik könnte bei der Bekämpfung eine größere Rolle spielen.

Zuschauer in einer großen Halle verfolgen das Spiel von E-Sport-Profis

Volle Hütte in Berlin: E-Sport ist schon lange keine Randerscheinung mehr Foto: Camera 4/imago

taz am wochenende: Herr Kolisang, was sind die größten Missstände im E-Sport?

Josef Kolisang: E-Sport ist ein Überbegriff für professionelles Gaming, die Spiele an sich sind sehr unterschiedlich. Missstände gibt es dabei auf verschiedenen Ebenen, aber mindestens einen teilen alle Spiele: Diskriminierungsformen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie und Transfeindlichkeit sind sehr verbreitet. Das ist natürlich kein spezielles E-Sport-Problem, sondern fester Bestandteil unserer Gesellschaft.

Wie drückt sich Diskriminierung im E-Sport denn konkret aus?

Für Frauen und Menschen mit weiblich klingender Stimme müssen Spiele mit Voicechat, also mit verbaler Unterhaltungsfunktion, die Hölle sein. Die wollen einfach nur ihr Spiel spielen, aber werden aufs Übelste sexistisch herabgewürdigt, sobald sie für eine Frau gehalten werden. Der Voicechat bietet generell ein Forum, das gefährlich sein kann, denn die Menschen können einfach ungefiltert reden. Bei dem Spiel Valorant mit so einer Funktion habe ich mal einen Schwarzen Charakter gewählt, weil ich mich dadurch repräsentiert fühle. Im Spiel wurde ich dann mit dem N-Wort beleidigt. Danach habe ich das Spiel nicht mehr angefasst.

27, ist E-Sport-Trainer für League of Legends und engagiert sich bei der E-Sports Player Foundation

Findet Diskriminierung also vor allem im Spiel selbst statt oder auch in den Organisationsstrukturen darum herum?

Wichtig ist zu erkennen, dass E-Sport und Gaming zwei verschiedene Dinge sind. Die Regelwerke im E-Sport sind theoretisch natürlich diskriminierungsfrei, doch die Praxis sieht anders aus. Trotz entsprechender Qualifikation werden Frauen von Vereinen häufiger abgelehnt. Manager äußern dann zum Beispiel die Sorge, dass sich die männlichen Spieler im Team in die weibliche Spielerin verlieben könnten, was zu Teamproblemen führen würde. Anstatt die Spieler zu schulen, nimmt man also den easy way out und sagt der Frau ab. Wer weniger Spielerfahrung hat, hat natürlich auch schlechtere Karten, mal mit E-Sport Geld zu verdienen.

Haben Sie selbst auch schon Diskriminierung durch E-Sport-Organisationen erfahren?

Ich habe mal einen Spieler trainiert, der nicht fähig war, meine Ratschläge anzunehmen und mich stattdessen rassistisch beleidigt hat. Ich habe mich dann an die Organisation gewandt, bei der ich Trainer war. Ich wollte den Spieler nicht direkt rausschmeißen, aber über einen Umgang mit diesem Vorfall sprechen. Die Organisation hat mich aber abgewiesen mit der Begründung, der Spieler sei zu wertvoll, man könne ihn deshalb nicht sanktionieren. Da war für mich klar: Ich habe dort nichts zu suchen. Ich habe gekündigt. Solche Erfahrungen sind kein Einzelfall. Dadurch, dass die Organisationen nicht gegen Leute vorgehen, die sich rassistisch äußern, begünstigen sie Rassismus.

Wie präsent ist das Thema Diskriminierung in der deutschen E-Sports-Community?

Die mauert. Das Ansprechen dieser Probleme ist deshalb unheimlich schwierig. Viele meinen, als Gamer hätte man nichts mit dem Thema zu tun. Diese Haltung ist einfach falsch.

Welche Institutionen sehen Sie in der Pflicht, Diskriminierung im E-Sport zu bekämpfen?

Alle. Die Publisher, Vereine und deren Akteure, Politik und große Persönlichkeiten. Die Publisher, also die Spielhersteller, könnten diskriminierendes Verhalten über die AGBs verbieten. Die Politik könnte hier Druck ausüben, dafür müsste sie aber zunächst die immer größer werdende Rolle des E-Sports anerkennen. Vor 15 Jahren ist vielleicht noch jeder auf den Fußballplatz gerannt, aber heute ist das anders.

Würde die Politik E-Sport gesellschaftlich anerkennen und fördern, könnte sie auch Forderungen damit verbinden. Zum Beispiel könnten Publisher zu anti-diskriminierenden Maßnahmen verpflichtet werden. Außerdem müssen die Spieler ihre Vorbildfunktion wahrnehmen. Entscheidend ist dafür ihr Support Staff, also Trainer, Manager und Sportpsychologen. Die haben eine sehr starke Vorbildfunktion, sie geben den Ton an. Was sie sagen, das merken sich die Spieler. Deshalb müssen diese Menschen am stärksten von den Vereinen ausgebildet werden.

Wo setzen Sie mit Ihrer Arbeit bei der E-Sports Player Foundation an?

Wir möchten nicht nur die Fähigkeiten unserer Spieler fördern, sondern ihnen auch Werte vermitteln und erklären, warum es schlecht ist, andere zu diskriminieren. Sie sollen verstehen, in welcher Verantwortung sie sich befinden. Außerdem möchten wir Prozesse in der E-Sport-Community anstoßen und dafür sorgen, dass diskriminierte Gruppen gezielt gefördert werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.