Trainer Labbadia muss gehen: Schnellschuss in Stuttgart
Der VfB Stuttgart entlässt nach dem dritten Spieltag Bruno Labbadia und Co-Trainer Erdinc Sözer. Nachfolger wird Ex-VfB-Profi Thomas Schneider.
STUTTGART taz | Vertreter des VfB Stuttgart sind allererste Sahne, wenn es um verbale Nebelkerzen geht. Vor einigen Jahren stärkte der damalige Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder dem Trainer Winfried Schäfer („Wir stehen voll hinter ihm“) den Rücken, um ihn am nächsten Tag zu feuern.
Am Sonntagabend nach dem peinlichen 1:2 der schwäbischen Elitekicker beim FC Augsburg empfand Fredi Bobic, Manager und Vorstandsmitglied des Bundesligisten mit höherem Anspruch, die Frage nach der Zukunft von Bruno Labbadia als „dumm“ und „respektlos“. Zudem ginge sie ihm „am Arsch vorbei“. Knapp 14 Stunden später lief die Trennung des VfB von ihrem Trainer übers Netz. Ab sofort leitet Thomas Schneider, der ehemalige VfB-Profi und bisher Coach der U 17 des Vereins, das Training bei den Profis.
Eine Blitztrennung, aber eine mit monatelangem Anlauf und eine, die fällig war. Dass der ehemalige Klassestürmer überhaupt noch den Start in die neue Bundesligasaison mit vermasseln durfte, lag vor allem an einer starken zweiten Halbzeit. Die spielte der VfB im Mai im DFB-Pokal-Finale gegen die Bayern. Nach der 3:0-Führung des Triplesiegers kämpfte sich der VfB in der letzten halben Stunde noch einmal auf 3:2 heran – und darin sahen alle am Neckar einschließlich des neuen Präsidenten Bernd Wahler eine Art Aufbruchsignal, frei nach dem Motto: Schaut her, wir können es doch!
Das Signal hat nur offenbar kein Spieler gehört. Drei Niederlagen zum Auftakt in der Bundesliga, dazu ein 1:2 am vergangenen Donnerstag in Rijeka, gegen die der VfB um den Einzug in die Gruppenphase der Europa-League kämpft. Als Labbadia immer wieder unterdurchschnittliche Leistungen mit Kampfbereitschaft schönredete und nach der Pleite in Rijeka nur von einer „Ergebniskrise“ sprach, war klar, dass die nächste Panne seine letzte sein würde.
Jetzt soll also der Exprofi Schneider, einer der besten Innenverteidiger und Fast-Nationalspieler des VfB in den 90er Jahren und ein astreines Eigengewächs, dem Verein vor allem wieder die nötige Traute auf dem Platz einimpfen.
Was Gutes hat sich abgenützt
Am Montag ging der Blick aber auch noch mal zurück. Was war das nun mit dem schönen Bruno – hat sich da was Gutes einfach abgenützt oder war die Verbindung Labbadia/Stuttgart ein einziges Missverständnis. Das wohl sicher nicht. Labbadia war seit dem 12. Dezember 2010 Trainer. Damals rettete er den VfB vor dem Abstieg, eine Saison später glückte die Qualifikation für die Europa League.
Die vergangene Spielzeit verlief in der Liga enttäuschend, der VfB stand aber immerhin im Pokalfinale. Ein Missverständnis sieht anders aus. Fast drei Jahre – das schafft beim VfB kaum mal einer, Labbadia war seit der Jahrtausendwende immerhin schon der neunte Trainer der Schwaben.
Gescheitert ist er an normalen Abnützungserscheinungen und offenbar auch an taktischen Vorgaben, die mehr und mehr von der Mannschaft als jegliche Kreativität unterdrückenden Ballast empfunden wurde. Klar zu sehen war das immer dann, wenn ein in Stuttgart ausgemusterter Spieler anderswo plötzlich stark aufspielte. So wie jüngst Shinji Okazaki für Mainz oder Raphael Holzhauser für Augsburg. Gescheitert ist Labbadia auch an dem Anspruch des Vereins, eigene junge Spieler in die erste Mannschaft zu integrieren.
Der VfB ist mit Dortmund der einzige Bundesligist, der noch ein Team in der dritten Liga hat. Aber für den Aufwand kommt zu wenig oben an. Und natürlich ist Labaddia auch am Stuttgarter Publikum gescheitert, für das es vom Abstieg vom Helden zum Sauseggel keine drei Fehlpässe braucht. Die Stuttgarter Haupttribüne ist die Wand des Schreckens in der Liga. Das hat Labbadia nicht kapieren wollen und zu oft gegen „seine“ Fans gegrollt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren