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Träger des Alternativen NobelpreisesWladimir Sliwjak wird „ausländischer Agent № 980“

Der russische Umweltaktivist ist für Moskau offenbar zu gefährlich geworden. Nun steht er offiziell auf der Liste der Staatsfeinde.

Wladimir Sliwjak, russischer Umweltschützer und Träger des alternativen Nobelpreises Foto: Guido Kirchner/picture alliance

Mönchengladbach taz | Nun hat es auch den Umweltschützer Wladimir Sliwjak, Preisträger des alternativen Nobelpreises von 2021, erwischt. Seit dem Vorabend des 39. Jahrestages von Tschernobyl, dem 25. April 2025, findet sich der Name des aus Kaliningrad stammenden russischen Atomkraftgegners in der vom russischen Justizministerium geführten Liste der ausländischen Agenten.

Mit der Bezeichnung werden Nichtregierungsorganisationen und Einzelpersonen öffentlich stigmatisiert und direkten Kontrollen unterworfen. So müssen sie regelmäßig ausführliche Finanzübersichten und Berichte bei der Regierung einreichen und sich jährlichen Prüfungen unterziehen. Die Auflagen sind quasi nicht zu erfüllen, so dass viele zum Aufgeben gezwungen wurden.

Das Datum der Eintragung ist für den Umweltaktivisten besonders schmerzlich. „Es war die Katastrophe von Tschernobyl, die mich aufgerüttelt und aus mir einen Umweltaktivisten gemacht hat“ erklärte Sliwjak der taz. Seine Vorfahren mütterlicherseits stammten aus dem belarussischen Homel, eines der am meisten radioaktiv belasteten Gebiete in Belarus. „Einige von ihnen haben die Folgen von Tschernobyl nicht überlebt.“

1989 gründete Sliwjak, damals noch Studierender im Fachbereich Bauingenieurwesen, mit einem Kommilitonen in Kaliningrad die Umweltgruppe Ecodefense. Es herrschte Aufbruchstimmung in der Endzeit der Sowjetunion. Und die Gruppe um Sliwjak ärgerte sich über die Gleichgültigkeit der Verantwortlichen im Staat, die die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden nicht interessierte. Die nächsten 35 Jahre kämpfte die Gruppe, in der nie mehr als zehn Personen tätig waren, gegen Atomenergie, für eine bessere Luft und den Schutz des Klimas.

Auch in Deutschland aktiv

Von Anfang an legten die Mitglieder Wert auf internationale Zusammenarbeit. Mehrmals hatte Sliwjak Südafrika besucht, wo der russische Atomkonzern Rosatom acht Atomreaktoren bauen wollte. Und nachdem Ecodefense Teile des bis dahin geheim gehaltenen Vertrages in Südafrika veröffentlicht hatte, war es zu Ende mit den dortigen Plänen der russischen Atomwirtschaft.

Gemeinsam verhinderten Ecodefense, das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen und der Arbeitskreis Umwelt in Gronau zwischen 2009 und 2011 Transporte von abgereichertem Uran von Gronau nach Russland. Im Kohlerevier Kusbass wiederum konnte Ecodefense nach einem langen Rechtsstreit einen Wald und einen See vor den Ausbauplänen der russischen Kohleindustrie retten. Die Schließung des noch von Deutschen gebauten Kaliningrader Zellulose- und Papierwerkes, das mit seinen chemischen Schadstoffen den Fluß Pregel um Umkippen brachte, ist ebenfalls auf Aktivitäten der Gruppe zurückzuführen.

Den Behörden in Russland war Ecodefense immer ein Dorn im Auge. 2013 erklärten sie die Gruppe als erste Umweltorganisation zum „ausländischen Agenten“. In der Folge kam es mehrfach zu Anklagen. Moskau warf der Gruppe vor, sich nicht an die für „ausländische Agenten“ geltenden Vorschriften zu halten. 2024 schließlich wurde Ecodefense von einem russischen Gericht verboten.

Anfang 2022 hat Sliwjak Russland verlassen. „Ich konnte nicht schweigen angesichts der Krieges gegen die Ukraine. Und weil ich das nicht konnte, wäre ich sehr schnell in einem russischen Gefängnis gelandet.“ Und so habe er sich zur Emigration entschieden, kämpft nun von Deutschland aus gegen den Krieg Russlands gegen die Ukraine. „Seit Kriegsbeginn tue ich alles, um Russland den Verkauf von Öl, Gas, Kohle und Atomreaktoren zu erschweren oder besser gesagt zu verunmöglichen. Denn jeder Cent in die Kassen russischer Konzerne geht in den Krieg Russlands gegen die Ukraine“, erklärt Sliwjak. In der vom russischen Justizministerium geführten Liste der ausländischen Agenten wird er unter „№ 980“ geführt.

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