Tracking auf Nachrichtenseiten: Das Lesen der Leser

Onlinejournalismus hat ein Problem: die Werbung. Mit ihr sammeln Trackingsysteme Daten über das Leseverhalten der Besucher von Newsportalen.

Auch Medien selbst sammeln Daten. Das macht auch durchaus Sinn Bild: dpa

Auch das Lokalblatt in Duderstadt in Niedersachsen berichtet nun regelmäßig über Überwachung. Seit den Snowden-Veröffentlichungen ist das Thema in deutschen Medien mehr als nur im Mainstream angekommen. Jede neue Erkenntnis aus seinen Dokumenten wird penibel dokumentiert. Denn die Geschichte ist so schön einfach: Die bösen Datenkraken Google, Facebook und die NSA gegen „uns alle“.

Doch auch die Medien selbst sammeln Daten – sie verfolgen, wie sich ihre Leser auf der Webseite verhalten. Das macht durchaus Sinn, um zu sehen, welche Artikel wie lange angesehen werden und was die Leser interessiert. Oder ob der Benutzer schnell findet, was er sucht auf der Seite. Das Problem: Nicht nur die Medien schauen den Lesern beim Lesen zu, sondern oft auch Google und Facebook.

Die Tracker sammeln Daten. Diese sind zwar nicht mit dem Leser als Individuum verbunden, dennoch existieren so Profile vom Nutzerverhalten, mit denen Unternehmen Geld verdienen.

Wenn der Leser eine Seite aufruft, laufen die Tracker unbemerkt im Hintergrund und sammeln Daten über den Nutzer. Sie kommunizieren das Nutzerverhalten, ohne dass der Nutzer selbst das beeinflussen kann. Bei Zeit Online kommen pro Seitenaufruf 26 dieser Verbindungen zustande, bei Spiegel Online über 30, bei der in Duderstadt erscheinenden Lokalzeitung Göttinger Tageblatt des Madsack-Verlags sind es sogar 45. Unter anderem, welche Webseiten der Nutzer ebenfalls besucht. Diese Informationen erhalten sie beispielsweise durch sogenannte Cookies, kleine Dateien, die auf dem Rechner des Nutzers speichert werden, um das Gerät wiederzuerkennen. Diese Technik nutzt die Werbeindustrie dann, um gezielt Produkte zu bewerben, die man sich vielleicht zuletzt bei Amazon angeschaut hat.

Die Seiten newsreadsus.okfn.de oder trackography.org schlüsseln die Tracker der einzelnen Nachrichtenseiten auf. Da aber nicht nur auf Nachrichtenseiten getrackt wird, zeigt das Browser Zusatzprogramm Lightbeam die Knotenpunkte der Tracker von allen besuchten Seiten an.

Anzeigen bringen Geld

Die Tracker kommen vor allem über die Anzeigen auf die Nachrichtenseiten, damit verdienen die Medien Geld. Weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht von Werbeeinnahmen abhängt, sind auf diesen Seiten auch weniger Tracker.

Nachrichtenportale, die sich hingegen auch durch Anzeigen finanzieren und sich trotzdem dem Tracking verweigern, gibt es nur wenige. Das Technik-Nachrichtenportal Golem kann man für 2,50 Euro im Monat werbe- und somit auch trackingfrei nutzen. Gar keine Tracker gibt es auf der Seite Netzpolitik.org. „Wir schreiben über Datenschutz, zu tracken würde nicht zu unserer Haltung passen“, sagt Gründer Markus Beckedahl. „Wir haben durchaus Werbung, aber Banner sind als Bilder ohne Cookies und Skripte bei uns eingebunden.“ Es gebe Werbekunden, die ohne diese Zusatzfunktion des Trackings das Interesse verlieren, sagt Beckedahl.

Antitrackingtools wie Ghostery oder AdBlock helfen, Werbung auszublenden oder die unerwünschte Kommunikation der Tracker zu blockieren. „Generell würde ich die Gefahr durch Tracking nicht überzeichnen“, sagt Friedrich Lindenberg von der Open Knowledge Foundation, der selbst an der Visualisierung „The News Reads Us“ zum Thema mitgearbeitet hat. „Dass jemand Informationen über meine Interessen sammelt, ist irgendwie komisch. In der Regel entsteht mir aber kein Schaden daraus“, zudem komme man in den Genuss einer Gegenleistung – kostenlosen Nachrichtenkonsum.

„Es ist die ungelöste Frage, wie man Onlinejournalismus finanziert, ohne Böses zu tun“, sagt Markus Beckedahl. Die Reaktion der Leser auf Tracking sei, Antitrackingtools zu benutzen und dann gar keine Werbung mehr angezeigt zu bekommen. „Das trägt nicht zur Lösung der Finanzierungsfrage bei“, sagt er.

Friedrich Lindenberg sieht die Tracker als Indikator für den Gesundheitszustand der Online-Newsbranche. „Jeder zusätzliche Tracker und Flash-Banner auf Spiegel Online ist Symbol einer verlorenen Verhandlung und Beweis dafür, wie schwer es ist, mit Onlinejournalismus Geld zu verdienen.“

Hinweis: Auch taz.de trackt. Mehr dazu auf taz.de/!119279

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