Township in Südafrika: Das Wohnheim der Enttäuschten
Die Hoffnung war groß, als Präsident Zuma gewählt wurde. Heute, fünf Jahre später, sind die Bewohner des Mandela-Hauses in Johannesburg frustriert.
JOHANNESBURG taz | Das Mandela-Wohnheim in Alexandra ist wie eine Insel der Armen – in einer der ärmsten Townships. Es liegt nahe am Luxusviertel Sandton mit den teuersten Hotels und Einkaufszentren des Kontinents. Im Viereck gebaut, ragen rote Ziegelmauern fünf Stockwerke hoch. Aus schmalen Fensterreihen hängen zerbrochene Glasscheiben und Wäsche.
Winzige Durchgänge zum Innenhof sind mit Müllbergen bedeckt. Uringeruch steigt aus den Wasserpfützen auf den schlammigen Wegen, Ziegen drängen sich zwischen Dreck und Autowracks. Ein Taxifahrer in einem himmelblauen Minibus hält kurz im Durchgang an. Der Fahrer steigt aus, putzt die rote Erde von den neuen Reifenfelgen und macht sich auf den Weg zur Arbeit.
Der Taxifahrer, Prince Mapomolo, ist einer der wenigen Bewohner in dem Heim für Wanderarbeiter, die einen Job haben. Die meisten der Menschen in den etwa 600 Räumen sind arbeitslos und fristen dort seit Jahren ihr Dasein. Inzwischen wohnen auch Frauen mit ihren Familien in den kargen Betonzimmern. Aber nichts ist seit dem Bau des Migrantenheims, ehemals für Minenarbeiter, durch die Apartheidregierung 1971 geschehen.
Obwohl seit 18 Jahren die Apartheid vorbei ist und der ANC regiert. „Der Winkel dort drüben bricht bald zusammen“, sagt Mapomolo. Er zeigt auf Risse in den Wänden an einem der Eckflügel des Gebäudes. „Der Gemeinderat kommt regelmäßig vorbei und verspricht uns etwas, was er nicht hält. Wir sind hier vergessen worden. Wir haben keine funktionierenden Toiletten, keinen Strom, nur Gas in Gemeinschaftsküchen.“ Was nicht festsitzt, wird abmontiert und verkauft. Miete zahlen sie schon lange nicht mehr. „Hätten wir eine andere Möglichkeit, wir würden hier nicht leben.“
Die Mehrheit kommt aus KwaZulu-Natal
Dann warnt er, niemand von „außen“ soll sich unangemeldet im Inneren des Blocks bewegen. „Oft werden in der Gegend Autos geklaut oder Leute überfallen, und manche Täter verstecken sich dann in dem Gewirr der Gänge“, sagt er. Mapomolo hat Frau und fünf Kinder, er ist 47, seit 15 Jahren lebt er im Mandala-Heim. Wie er stammt die Mehrheit im „Hostel“ aus der Provinz KwaZulu-Natal, Heimatprovinz von Staatspräsident Jacob Zuma. Sie suchten in Johannesburg, das Afrikaner „Egoli“ nennen, die Stadt des Goldes, nach einem besseren Leben. Sie sind gestrandet.
Mapomolo hat bereits viermal einen Antrag auf ein kleines Haus auf Regierungskosten gestellt, wie es der ANC seit seinem Amtsantritt 1994 den Armen verspricht. Die Wartelisten seien gefälscht, schimpft er. Ausländer würden sich mit Schmiergeldern vordrängeln, behauptet Mapomolo.
Als vor fünf Jahren Jacob Zuma neuer ANC-Chef wurde – Vorstufe zu seiner Wahl zum Präsidenten Südafrikas 2009 –, war die Hoffnung im Mandala-Haus groß. Aber jetzt ist sie der Frustration gewichen. „Der ANC tut nichts für uns“, sagt Mapomolo. Hat er noch Hoffnung auf einen Umschwung in der Partei?
„No hope“, sagt er und schüttelt den Kopf. Der ANC habe keine Vision, die Elite profitiere von der Korruption. Zuma baue sich ein luxuriöses Heim in seinem Heimatort Nkandla, aber „wir sind machtlos“. Auf dem ANC-Parteitag diese Woche, meint er, wollten Zumas Anhänger den Status quo retten, damit auch sie profitieren können.
Der ANC hat total versagt
Jacks Nbonane stimmt zu. Der 42-jährige gelernte Elektriker schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Damit unterstützt er seine Familie mit neun Kindern. „Ob Umsholozi (Zumas Stammesname) jetzt wiedergewählt wird oder Vizepräsident Kgalema Motlanthe – das spielt keine Rolle. Der ANC hat total versagt.“ Wie schon 1994 seien die Aussagen und Programme der ANC-Führer gut, meint Nbonane und beißt in seinen grünen Apfel.
„Aber was dann passiert, ist Missbrauch von Macht. Wir brauchen einen starken Führer – wie Mugabe“, sagt er lachend. Sein Freund Musa Sokhel grinst und meint: „Alles richtig, aber gib Zuma noch eine letzte Chance für die nächsten fünf Jahre.“ Es fällt manchen noch schwer, den Präsidenten aus ihrer Heimat, der sie einst stolz machte, abzutun. Aber er hat sie tief enttäuscht.
Die Männer und auch Prince Mapomolo haben alle nichts gegen die Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA). Die in Kapstadt starke größte südafrikanische Oppositionskraft unter Führung der deutschstämmigen Helen Zille war bisher für schwarze ANC-Wähler in Südafrika zu weiß, doch es zeichnet sich hier im Heim ein Wandel ab: Uns ist egal, ob das Weiße sind. Wir haben in schwarzen Händen bisher gelitten“, ruft Jacks Nbonane.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“