Tourismuseinbruch in Pakistan: Pakistans Lieblingstouristen
Pakistan ist vielen Touristen zu gefährlich: 2015 kamen nur 5.634 Menschen ins Land. Zwei Deutsche trauten sich und werden als Helden gefeiert.
Dann wurde es doch Pakistan. Zögerlich. Aber in Russland war‘s einfach zu kalt. Der neue Plan hieß: eine Woche nur – rein über den Iran, raus Richtung Indien. Mittlerweile sind die junge Frau aus Miltenberg in Unterfranken und ihr Freund aus Wuppertal seit sechs Wochen in Pakistan und planen drei weitere. Und wo immer sie hingehen: Sie werden wie Helden begrüßt.
„Dass das kurios werden könnte, dachten wir schon, als der pakistanische Botschafter im Iran uns die Visa geschenkt und dann zu sich nach Hause eingeladen hat“, erzählt Christian Nieth. Kurz darauf entdeckte die Reporterin Haneen Rafi von der großen Zeitung Dawn die beiden mit ihrem Hippie-Bus in Karachi. „Über Pakistan hört man im Ausland immer nur das Schlechte“, sagt die Journalistin. Erst am Ostersonntag war die Welt aufgeschreckt über einen schweren Selbstmordanschlag mit 74 Toten in einem Park voller Familien in Lahore. „Und da kommen diese zwei“, sagt Haneen Rafi, „und zeigen mit ihrer Art des Reisens, dass es hier nicht so furchterregend ist, wie viele denken.“
Sie schrieb einen Artikel. Überschrift: „From Germany, with love“ – aus Deutschland mit Liebe. Das war‘s dann. Der Ruhm der furchtlosen Bustouristen reiste ihnen voraus. In der südostpakistanischen Stadt Bahawalpur wurden sie in eine Schule eingeladen, wo die Kinder sie mit Liedern und Plakaten begrüßten. Ein großer TV-Sender, 92 News, sendete einen Beitrag über sie. Der Chef der Tourismusbehörde lud sie zum Kaffee ein. Und Hunderte wildfremde Pakistaner schicken ihnen per Facebook oder über ihre Weltreise-Webseite Hilfsangebote und Dankesbriefe.
„Vielen, vielen Dank, dass Ihr Pakistan besucht!“ heißt es da“, erzählt Elisabeth. „Oder: „Kommt zum Essen, Duschen, Schlafen...“ Diese irrsinnige Gastfreundschaft und Freude über unsere Anwesenheit, das ist gleichzeitig schön und traurig“, sagt Elisabeth.
Schlechter Ruf und hohe Hürden
Es ist eine Geschichte von einem Land, das am eigenen Image leidet und dankbar ist für jeden, der mal was Nettes sagt. Jahrzehnte der Radikalisierung und mehr als 50.000 Opfer von Anschlägen seit 2003 haben Pakistan im Bewusstsein der Welt zum Terrorstaat gemacht. In 2015 begann der Versuch einer Kehrtwende – aber wie weit das geht, weiß man noch nicht.
Ganze 5.634 Touristen kamen 2015 nach Pakistan, einem Land mehr als doppelt so groß wie Deutschland und voller kulturreicher Städte und atemberaubender Natur. Selbst unter den Bergsteigern gab es einen dramatischen Einbruch, nachdem im Juni 2013 am Nanga Parbat elf Touristen ermordet worden waren. In Pakistan liegen mit dem K2, dem Nanga Parbat oder Gasherbrum Eins und Zwei einige der berühmtesten Gipfel der Welt.
Und dann sind da die bürokratischen Hürden. Für ein Visum braucht man eine Einladung aus dem Land. Für die Reise in bestimmte Gebiete gibt es keine Genehmigung, für andere muss man Keine-Einwände-Zertifikate einholen (No Objection Certificates). Für die ersten Stationen ihrer Reise, von der iranisch-pakistanischen Grenze aus nach Quetta, bekamen Christian Nieth und Elisabeth Hartmann eine Polizeieskorte. Quetta ist die Hauptstadt der unsichersten Provinz des Landes, Baluchistan. Dort durften sie das Hotel nicht verlassen und wurden selbst beim Drachensteigen auf dem Dach beschützt.
Sehr sehr vorsichtig
„Danach hatten wir aber totale Freiheit“, sagt Christian. „Die Reisewarnungen lesen sich, als würden Touristen hier in großem Stil abgeschlachtet“, sagt Elisabeth. „Das ist schade. Es rückt das Land in eine Ecke, in das es nicht gehört.“ Aber vorsichtig sind die beiden trotzdem. Sie fahren nicht mehr nachts. Sie wissen immer, wo sie abends anhalten werden – meistens auf dem bewachten Parkplatz eines Hotels. Sie halten die Vorhänge im Bus geschlossen, und sie erzählen nicht mehr im Detail, wohin sie als Nächstes fahren.
In diesen Tagen geht es in den Norden. Sie freuen sich drauf. Sie haben eine lange Liste von Kontakten in der Tasche, bereitgestellt von neuen Freunden. Und die Nummern von Polizeichefs.
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