Tote durch bewaffnete Konflikte: Anstieg um fast 100 Prozent
Die Zahl der in Kriegen und Konflikten getöteten Menschen hat sich 2022 fast verdoppelt. In der Ukraine und in Äthiopien gab es die meisten Todesopfer.
Dies entspreche einem Anstieg um 97 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der höchsten Zahl seit 1994, dem Jahr des Genozids in Ruanda. Die Zahl der aktiven Konflikte in aller Welt bleibe auf einem historisch hohen Niveau. Ihre Ergebnisse wollen die Forscher in der Juli-Ausgabe der Fachzeitschrift „Journal of Peace Research“ veröffentlichen.
Während es eine erhebliche Deeskalation im Jemen und in Afghanistan gegeben habe, sei besonders die Lage in Äthiopien und der Ukraine drastisch eskaliert, erklärte der Analyst Shawn Davies. Diese beiden Kriege hätten allein zu mindestens 180.000 kampfbedingten Todesfällen geführt – und dies seien niedrige Schätzungen, die wahrscheinlich deutlich nach oben korrigiert würden, wenn mehr Informationen verfügbar seien.
Russland war am 24. Februar 2022 in der Ukraine einmarschiert. Der Bürgerkrieg in Äthiopien zwischen der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) und der Regierung tobte seit Ende 2020 und wurde im November 2022 mit einem Waffenstillstand und Verhandlungen für ein Friedensabkommen beendet.
Über 100.000 Tote bei bewaffneten Konflikten in Äthiopien
Allgemein werde angenommen, dass Russlands Krieg in der Ukraine der blutigste Konflikt des Jahres 2022 gewesen sei, erklärte Davies. Tatsächlich seien aber mehr Menschen in Äthiopien getötet worden. Basierend auf den UCDP-Daten teilte das Osloer Friedensforschungsinstitut Prio ebenfalls am Mittwoch mit, in Äthiopien seien es 2022 mehr als 100.000 Tote gewesen, im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mehr als 81 000.
Das UCDP gilt als am weitesten zurückreichende Datensammlung zu Konflikten in der Welt. 2022 hat es 55 verschiedene Konflikte mit staatlicher Beteiligung aufgezeichnet. Rechnet man nicht-staatliche Konflikte etwa zwischen Rebellengruppen oder rivalisierenden Drogenkartellen in Mexiko hinzu, dann sind es gar 82. Konflikte, die in einem Kalenderjahr mindestens 1.000 kampfbedingte Todesopfer nach sich ziehen, werden von den Forschern als Krieg eingestuft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis