Tödlicher Angriff von „Reichsbürger“: Polizist hätte Tat verhindern können
Ein 50-jähriger Beamter ist wegen Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen angeklagt. Er stand in Kontakt zu dem „Reichsbürger“, der einen Kollegen erschossen hat.
Ein Sondereinsatzkommando der Polizei hatte im Oktober dem „Reichsbürger“ Wolfgang P. wegen dessen feindlicher Gesinnung zum deutschen Staat im fränkischen Georgensgmünd seine legal erworbenen Waffen abnehmen wollen. Beim Sturm der Polizei in sein Haus eröffnete P. das Feuer und verletzte einen 32 Jahre alten SEK-Beamten tödlich, ein weiterer Beamter wurde verletzt.
Bereits kurz nach Bekanntwerden der Tat kam der Verdacht auf, dass der Beschuldigte Kontakte zur Polizei pflegte. Der nun offiziell Beschuldigte wurde bereits im November vom Dienst suspendiert. Laut Staatsanwaltschaft konnte er durch seine Kenntnisse über den „Reichsbürger“ damit rechnen, dass bei der Waffenrazzia Schüsse abgegeben würden.
Daher wäre er laut Staatsanwaltschaft dienstlich verpflichtet gewesen, seine Erkenntnisse über den „Reichsbürger“ weiterzugeben, „so dass nach derzeitigem Stand durch Ergreifung geeigneter Maßnahmen die tödliche Schussabgabe hätte verhindert werden können“, teilte die Anklagebehörde mit.
Bisher kein Haftbefehl beantragt
Ein Haftbefehl gegen den Polizisten wurde nach den Worten einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft bisher nicht beantragt. Der Polizist habe sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Der Sprecherin zufolge ergab sich der Anfangsverdacht gegen den Beamten bei der Auswertung von Chatprotokollen.
Das parallel laufende Verfahren gegen einen zweiten, im November ebenfalls vom Dienst suspendierten Polizeibeamten, läuft demnach noch. Dem Mann wird die Verletzung von Dienstgeheimnissen vorgeworfen. Noch keine Erkenntnisse hat die Anklagebehörde dazu, ob die beiden Polizisten selbst „Reichsbürger“ sind.
Die in etliche Kleinstgruppen zersplitterten „Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik nicht an und damit auch nicht staatliche Autoritäten wie die Polizei. Sie gehen davon aus, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 noch existiert. Ein Teil der Szene vertritt nach Behördenangaben rechtsextremistische Positionen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Unterbringung und Versorgung
Geflüchtetenaufnahme belastet Kommunen weiterhin deutlich