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Tödlicher Amoklauf in SchwedenWer und warum?

Am zweiten Tag nach den tödlichen Schüssen in Örebro werden immer mehr Details über den mutmaßlichen Täter bekannt. Doch das Bild bleibt lückenhaft.

Immer mehr Kerzen: Ort zum Gedenken an die Opfer von Örebro Foto: Sergei Grits/AP/dpa

Härnösand taz | Zwei Tage nach der schockierenden Gewalttat von Örebro geht es in Schweden vor allem um ihn: Rickard A. Seit Mittwochnachmittag nennen schwedische Medien übereinstimmend diesen Namen. Er sei derjenige, den die Polizei für den Täter halte. Derjenige, der auf dem Campus Risbergska zehn Menschen erschoss, bevor er sich mutmaßlich selbst tötete.

Menschen verschiedener Nationalitäten und verschiedenen Alters sind unter den Todesopfern, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. Laut der syrisch-schwedische Zeitung Alkompis erschoss der Täter einen 29-jährigen Mann, der 2015 aus Syrien geflohen war und sich gerade auf dem Weg zu einem Examen befand.

Wer war Rickard A.? Was trieb ihn an? Konnte niemand ahnen, was er plante? Darüber spricht Schweden jetzt. Nach und nach gibt es ein paar Antworten, aber noch lange kein vollständiges Bild. Die Polizei sprach auch am Donnerstag auf ihrer Pressekonferenz weiterhin namenlos von „dem Täter“. Sie warte einen DNA-Abgleich ab, um absolut sicher sein zu können.

Was sie nun bestätigte: Der mutmaßliche Schütze habe vier Jagdwaffen legal besessen. Etwa eine Stunde nach Eingang des Notrufs hätten Einsatzkräfte ihn tot in dem weitläufigen Gebäude gefunden, da hätten drei dieser Waffen und etwa zehn leere Magazine neben ihm gelegen. Zudem sei eine große Menge nicht benutzter Munition gefunden worden.

Völlig isoliert

Schon bevor sie seinen Namen nannten, hatten schwedische Medien damit begonnen, immer mehr von dem zu veröffentlichen, was sie über Rickard A. herausfinden konnten. Und wohin man auch blickt – gezeichnet wird das Bild eines von der Gesellschaft völlig isoliert lebenden Mannes, der schon zu Schulzeiten als über alle Maßen kontaktscheu aufgefallen war.

„Ich weiß nicht, ob ich ihn überhaupt je einmal etwas habe sagen hören. Vielleicht murmeln“, sagte eine ehemalige Mitschülerin laut Dagens Nyheter. Er sei „die Kapuze“ genannt worden, weil er nie ohne gesehen worden sei, berichten mehrere Personen gegenüber Expressen. Als nicht ansprechbar wird er dort beschrieben, schon in der Mittelstufe. Svenska Dagbladet zitiert einen Verwandten, dem zufolge er ein „normales, süßes Kind“ gewesen sei, das in der Oberstufe stark gemobbt worden sei und sich danach total zurückzog.

Die Debatte in Schweden über diese Informationen läuft auch ohne polizeiliche Bestätigungen. Verschiedene Experten werden befragt, wie etwa Björn Berglund, der Leiter eines Präventionsprogramms für vergleichbare Gewalttaten. „Ich denke leider, dass er auf den Punkt mit der Zielgruppe übereinstimmt“, sagte er Svenska Dagbladet. Was ihn unterscheide, sei das Alter. „Sie sind oft jünger.“

Rickard A. war 35 Jahre alt. Er wuchs in Örebro auf. Mit 21 Jahren zog er den Berichten zufolge aus seinem Elternhaus aus und allein in die Einzimmerwohnung in der Stadt, die am Dienstag von der Polizei durchsucht wurde. Als er einzog, hieß er noch Jonas Simon – 2017 ließ er seinen Namen ändern.

Kein Einkommen

Was außerdem als ungewöhnlich auffällt: Er hatte anscheinend über Jahre kein Einkommen, aber auch keine amtlich registrierten Schulden. Wovon er lebte, bleibt also unklar. Er hinterließ auch keine erkennbaren Spuren in den gängigen sozialen Medien.

Bis jetzt sieht die Polizei keine Hinweise auf ein ideologisches Motiv für die Tat. Sie betont aber, dass sich das mit neuen Informationen ändern könne. Es würden nun Videos ausgewertet, die Augenzeugen von der Tat zur Verfügung gestellt hätten, sagte die leitende Ermittlerin Anna Bergqvist am Donnerstag. Man versuche genau zu hören, was gesagt wird, „um auf die richtige Spur zum Motiv zu kommen.“ Auch der Hinweis, dass der Täter eine Verbindung zu der von ihm angegriffenen Schule gehabt habe, werde genau untersucht.

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2 Kommentare

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  • Dann wird ja bald bei der Springerpresse gar nichts mehr hierzu zu lesen sein - er hatte ja leider nicht den Vornamen, den er hätte haben müssen. /s/

    Waffen sind kein Spielzeug, vielleicht ist das ein Lernpunkt. Ausschließen wird man so etwas aber wohl nie können, nur auf einem Level unterhalb von anderen Tötungen halten.

  • Das ist leider immer schwer zu verstehen i.S. von "ursächlich verstehen".



    Andererseits müsste die Häufung, die Ähnlichkeiten der Vorboten und das sogar in öffentlichen Enzyklopädien vorhandene Wissen eine bessere Präventionsleistung der Gesellschaft bewirkt haben.



    Die häufige und bildliche Berichterstattung über alle Arten von Gewalt scheint zur Enthemmung von Personen mit Amokphantasien beizutragen, das sollte man in der Diskussion berücksichtigen.



    Konkret kann man nur eine noch strengere Waffengesetzgebung fordern.

    Das war ein Mensch, der mit sich und anderen nichts anfangen konnte, dem niemand geholfen und das nicht mehr ausgehalten hat.

    de.wikipedia.org/wiki/Amok



    de.wikipedia.org/w...rg-Alsterdorf_2023