Tödliche Polizeischüsse in Dortmund: „Milde Mittel nicht ausgeschöpft“
Nachdem gegen weitere Polizisten wegen der Schüsse in Dortmund ermittelt wird, fordert die SPD eine Sondersitzung. Der Schütze ist suspendiert.
Am 8. August war der 16-jährige Mouhamed D. von einem Polizisten erschossen worden, nachdem ein Betreuer seiner Jugendhilfeeinrichtung die Polizei wegen Suizidgefahr gerufen hatte. Der senegalesische Geflüchtete hatte sich im Innenhof seiner Wohngruppe ein Messer an den Bauch gehalten. Nachdem er auf Ansprachen nicht reagierte, wurde D. mit Pfefferspray und zweimal mit einem Taser beschossen. Als er sich darauf auf die Polizist:innen zubewegte, feuerte ein Beamter mit einer Maschinenpistole auf ihn, vier Projektile trafen. Mouhamed D. verstarb im Krankenhaus.
Durch einen neuen Ermittlungsbericht, den das Innenministerium dem Landtag übermittelte, wurde publik, dass gegen den Polizeischützen nun auch der Vorwurf des Totschlags geprüft wird. Bisher wird gegen ihn wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Zudem wird inzwischen gegen drei weitere Beamte, die das Pfefferspray und den Taser einsetzten, wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt ermittelt. Gegen den Einsatzleiter, der dies anordnete, läuft ein Verfahren wegen Anstiftung zu gefährlicher Körperverletzung im Amt.
Erst nach dem Pfefferspray-Einsatz ging D. auf Beamte zu
Carsten Dombert von der Staatsanwaltschaft Dortmund sagte am Freitag der taz, viel spreche dafür, dass die Polizeibeamten „nicht alle milden Mittel ausgeschöpft“ hätten, als sie anfangs auf Mouhamed D. zugingen. Erst nach dem Einsatz des Pfeffersprays habe sich der 16-Jährige auf die Beamten zubewegt. Ob er dies auch noch nach dem Taser-Einsatz tat, ist laut Ermittlungsbericht bisher ungeklärt. Demnach schloss sich beim ersten Taser-Beschuss kein Stromkreis, beim zweiten sei es nur zu einer „Schmerzwirkung“ gekommen.
Dombert und auch Innenminister Reul betonten, dass es weiterhin um einen Anfangsverdacht gehe. Ausgewertet werde etwa noch ein aufgezeichneter Notruf, den der Betreuer während des gesamten Einsatzes mit der Polizei führte und auf dem etwa Knallgeräusche zu hören seien. Die zwölf beteiligten Polizisten selbst hatten ihre Bodycams allesamt ausgeschaltet.
Der Polizeischütze ist inzwischen vorläufig vom Dienst suspendiert. Auch gegen die vier anderen Beamten, gegen die ermittelt wird, wurden laut der Polizei Dortmund dienstrechtliche Schritte eingeleitet, sie wurden versetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut