Tödliche Luftangriffe in Tigray: „Fast täglich Bombenteppich“
Es mehren sich weltweite Appelle für ein Ende des Krieges zwischen Äthiopiens Regierung und den Machthabern in Tigray. WHO-Chef übt scharfe Kritik.
Die Kämpfe zwischen Äthiopiens Regierung und der in Tigray herrschenden TPLF (Tigray-Volksbefreiungsfront), die im November 2020 begonnen hatten, waren im August wieder aufgeflammt. Zuletzt war vermehrt berichtet worden, dass Eritrea aktiv auf Seiten der äthiopischen Streitkräfte eingreift. Eritrea und Äthiopien können gemeinsam Tigray in die Zange nehmen.
Am Freitag starb in der 100.000 Einwohner zählenden Stadt Shire in Tigray rund 50 Kilometer von der Grenze zu Eritrea entfernt ein Mitarbeiter der internationalen Hilfsorganisation IRC (International Rescue Committee) bei einem Luftangriff, der auch zwei zivile Opfer forderte. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte eine nicht genannte humanitäre Quelle in Shire, laut der die Stadt „die ganze Woche ohne Unterlass Ziel von Artilleriebeschuss und Luftangriffen gewesen ist“.
Der humanitäre Koordinator der Vereinten Nationen, der Brite Martin Griffiths, äußerte am Samstag in einer Erklärung Besorgnis über das Schicksal der Zivilbevölkerung in Shire, wo die Lage „immer angespannter“ werde. Auch UN-Generalsekretär António Guterres äußerte sich „tief besorgt“.
Die neue Eskalation erfolgt pünktlich zum Abschluss einer erneuten Reise des Sonderbeauftragten der US-Regierung für das Horn von Afrika in die Region. Mike Hammer traf am 3. Oktober in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba ein und wollte zwei Wochen lang in Pendeldiplomatie versuchen, die internationalen Bemühungen um einen Friedensprozess für Tigray zu retten.
Vom 14. bis 16. Oktober ist außerdem aus Deutschland Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, nach Äthiopien gereist, unter anderem zu bilateralen Gesprächen. Vor ihrer Reise erklärte Keul: „Der Konflikt im Norden Äthiopiens wird sich nur am Verhandlungstisch dauerhaft lösen lassen. Deswegen unterstützen wir die Vermittlungsbemühungen der Afrikanischen Union. Außerdem muss der humanitäre Zugang gewährleistet werden.“
Beide Seiten im Tigray-Konflikt hatten Anfang Oktober ihre Bereitschaft zu Verhandlungen unter der Ägide der Afrikanischen Union (AU) erklärt. Aber eine geplante erste Gesprächsrunde, die am 8. Oktober in Südafrika hätte beginnen sollen, kam nicht zustande, wofür die verschiedenen Seiten unterschiedliche Gründe angeben.
Am Mittwoch hatten die USA, Australien, Dänemark, Deutschland, Großbritannien und die Niederlande in einer gemeinsamen Erklärung erneut an die Konfliktparteien appelliert, die Feindseligkeiten einzustellen, in den AU-Friedensprozess einzusteigen und „ungehinderten humanitären Zugang“ in Tigray zuzulassen, und auch einen Rückzug Eritreas aus Tigray gefordert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mindestlohn feiert 10-jähriges Jubiläum
Deutschland doch nicht untergegangen