Todestag: Eine Mahnung für mehr Zivilcourage
Vor einem Jahr starb Jonny K. auf dem Alexanderplatz – Polizei zeigt mehr Präsenz.
Es war eigentlich eine Prügelattacke, wie es so viele in Berlin gibt. Eine, bei der ein Mensch starb. Aber anders als sonst ist der Tod von Jonny K., der vor genau einem Jahr zwischen Alexanderplatz und Rotem Rathaus nachts in einen Streit geraten war, in der Öffentlichkeit nicht in Vergessenheit geraten.
Eine bundesweite Debatte über jugendliche Schläger war wieder aufgeflammt, seither hat der Platz seinen Ruf als Ort der Gewalt weg. Erst in der Nacht zum vergangenen Sonntag gab es wieder eine Schlägerei vor einem Tanzclub am Alexanderplatz, weil der Türsteher eine Gruppe nicht reinlassen wollte: Zwei Männer wurden durch Messerstiche verletzt, einer erlitt einen Schädelbasisbruch.
Jonny K., der damals nur einen Streit schlichten wollte, war noch am Tatort seinen Gehirnblutungen erlegen. Mitte August hatte das Landgericht sechs Schläger wegen des Angriffs verurteilt. Als Haupttäter bekam Onur U. wegen Körperverletzung mit Todesfolge eine Jugendstrafe von viereinhalb Jahren. Bis auf Onur U. sind die Verurteilten mit Auflagen auf freiem Fuß. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, alle sechs Männer haben Revision eingelegt.
Mehr Polizeipräsenz
Seit dem Todesfall hat die Berliner Polizei zwei Beamte abgestellt, die täglich rund um den Alexanderplatz mit einem sogenannten Kontaktmobil im Einsatz sind. Präsenz zeigen, lautet die Maxime, ansprechbar sein. Über 12.000-mal hat man in dem Jahr Kontakt zu den Beamten aufgenommen, in 85 Prozent der Fälle waren die Fragen „touristischer Natur“, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich.
Und wie nun am Samstag bekannt wurde, werden rund um den Platz ab 4. November bis auf Weiteres noch mehr Polizisten auf Streife geschickt – unter der Woche sind es zusätzlich sechs Uniformierte. Ob es klappt, zusätzlich auch an den Wochenenden zehn Beamte von den Hundertschaften abzuziehen, damit sie ihren Dienst am Alexanderplatz absolvieren, wird sich in den kommenden Wochen klären. Noch sei dieser Teil des Vorhabens nicht abgesegnet.
Dass dieser Plan ausgerechnet jetzt vorliege, sei Zufall, so Polizeisprecher Redlich. Einen Kausalzusammenhang mit dem Todestag von Jonny K. gebe es nicht. „Die Berliner und die Touristen sorgen sich um die Sicherheit an diesem Platz – mitbedingt durch die Präsenz des Themas in den Medien“, sagte er. Polizeipräsident Klaus Kandt habe das Konzept bereits vor drei Wochen in Auftrag gegeben, weil sich der Ruf des Alexanderplatzes in der Öffentlichkeit noch nicht genug gewandelt habe.
Dabei gab es am Alexanderplatz im Vergleich zum Vorjahr in den ersten neun Monaten sogar 192 Straftaten weniger. „Die Zahlen selbst sprechen nicht dafür, dass zusätzliche Polizeipräsenz nötig wäre“, bestätigte Redlich, die Gegend sei nicht gefährlicher als andere Orte in der Stadt, ganz im Gegenteil. Auch anderswo zusätzliche Beamte auf Streife zu schicken sei zur Zeit jedoch nicht geplant.
Mahntafel für Zivilcourage
Dass über Jonny K. nach wie vor gesprochen wird, liegt auch an der Schwester des 20-Jährigen, die sich seit seinem Tod etwa an Schulen gegen Gewalt engagiert und inzwischen den Verein „I am Jonny“ gegründet hat, um im Andenken an ihren Bruder zu mehr Zivilcourage aufzurufen. „Seine Zivilcourage kostete ihn das Leben“, sagt Tina K.
Zu seinem ersten Todestag wird sie heute Nachmittag am einstigen Tatort eine Metalltafel in den Boden einlassen, auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU) wollen kommen. „Der Tod von Jonny K. ist eine Mahnung dafür, dass Gewalt niemals ein Weg sein darf“, sagte Wowereit im Vorfeld. Man müsse gegenüber Gewalttätern Zivilcourage beweisen: „Oft genügt schon ein Anruf bei der Polizei.“
Und die ist rund um den Alexanderplatz in Zukunft ja sowieso schon vor Ort.
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