Tod von einstiger First Lady Barbara Bush: Die Matriarchin
Barbara Bush stand für den Konservatismus der 50er-Jahre. Sie engagierte sich aber für HIV-Erkrankte, Analphabeten und gegen Donald Trump.
Am Ende ging es sehr schnell: Nur zwei Tage nach der Meldung, dass Barbara Bush schwer erkrankt sei und eine weitere medizinische Behandlung ablehne, ist die frühere First Lady mit 92 Jahren gestorben.
Barbara Bush war die Frau eines wenig geliebten Präsidenten und die Mutter eines weiteren, dessen Kriegspolitik im Irak und in Afghanistan bis heute scharf kritisiert wird. Der erste, der heute 93-jährige George Herbert Walker Bush, zog 1989 mit ihr ins Weiße Haus und verlor vier Jahre später die Wahl gegen Bill Clinton, ihr Sohn, George W. Bush, kam im Jahr 2000 dank eines Supreme-Court-Urteils ins Amt und wurde 2004 wiedergewählt.
Barbara Bushs Bild in der Öffentlichkeit ist bis heute um Längen positiver als das ihres Mannes und ihres Sohns. Sie war bodenständig, warmherzig und direkt, sie kümmerte sich um andere – und hielt sich weitgehend aus politischen Debatten heraus. Äußerte sie sich doch, vergriff sie sich schon mal in der Wortwahl, etwa als sie in einem Interview sagte, die in ein Football-Stadion evakuierten Opfer des Hurrikans „Katrina“ seien sowieso unterprivilegiert und hätten es nun doch gut getroffen. Später entschuldigte sie sich für diesen Satz.
Ihr Konservatismus fußte auf den family values – der Wertschätzung der Familie als gesellschaftlichem Eckpfeiler – und nicht auf Machtbewusstsein und interventionistischen Strategien. Es war der Konservatismus der 50er Jahre, nicht der spätere der Neokonservativen, der Tea Party oder gar des heutigen Trumpismus.
Für eine Mehrheit der US-Gesellschaft konsensfähig
Sicher war es ihre großmütterliche Persönlichkeit, die sie so populär machte. Sie scherzte gern, dass ihre dreireihige Perlenkette vor allem die Falten an ihrem Hals verbergen solle.
Aber zum Teil rührte ihre Beliebtheit auch daher, dass sie sich meist aus den politischen Kontroversen heraushielt, in denen sich ihre Söhne verhedderten. Ein Konservatismus, der sich auf Mütterlichkeit und Familie sowie Empathie für die Schwachen der Gesellschaft beschränkt, ist für eine große Mehrheit der US-Gesellschaft konsensfähig.
Zwei Dinge bestärkten die fürsorgliche Haltung der Matriarchin zu anderen Menschen: zum einen die strenge Zucht ihrer eigenen Mutter, die humorlos und abgehoben gewesen sei, zum anderen der Tod ihrer erst dreijährigen Tochter Robin, die 1953 an Leukämie erkrankt war und um die sie noch viele Jahre trauerte.
In einigen Punkten war Barbara Bush allerdings moderner als die damalige US-amerikanische Gesellschaft und auch als die Republikanische Partei ihres Gatten: In Interviews ließ sie durchblicken, dass sie mit den restriktiven Ansichten ihres Mannes zur Familienplanung nicht übereinstimme. Auch seine Unterstützung des freien Waffenbesitzes teilte sie nicht. Sie fand außerdem, dass politische Parteien sich nicht zu Homosexualität äußern sollen, das sei eine private Angelegenheit.
Setzte Signal zu HIV
Das wohl deutlichste Signal setzte sie zu HIV/Aids. Die Immunschwächekrankheit war seit Anfang der 80er Jahre in den USA aufgetreten und betraf vor allem die schwulen Milieus in Großstädten wie San Francisco. Die Reagan-Administration hatte der Krise keine Aufmerksamkeit gewidmet und die Forschung nach den Ursachen vernachlässigt. 1989, beim Einzug der Bushs ins Weiße Haus, wurden an HIV Erkrankte stigmatisiert. Barbara Bush besuchte kurz darauf eine Klinik für an Aids erkrankte Kinder in Washington und nahm eines von ihnen in den Arm.
Vor den TV-Kameras demonstrierte sie, dass direkter körperlicher Kontakt zu Menschen mit Aids nicht automatisch ansteckend ist – was damals ein weit verbreitetes Vorurteil war. Sicher war es ihr mitzuverdanken, dass in der Präsidentschaft ihres Mannes mehr öffentliches Geld in die Erforschung des Virus und die Pflege von Aids-Kranken floss. Aids-AktivistInnen hielten dies immer noch für ungenügend.
Sie gründete eine Stiftung gegen Analphabetismus, die sie vor allem mit den Einnahmen aus dem Verkauf ihres Bestsellers „Millie’s Book“ finanzierte. In dem mit vielen Fotos illustriertem Buch beschreibt sie das Leben im Weißen Haus aus den Augen ihres Spaniels Millie. Darin berichtet der Vierbeiner auch aus dem Schönheitssalon des Weißen Hauses und beteuert, dass auch Barbara ihn aufsuche, auch wenn man das nicht glauben möge. Sie konnte – anders als die männlichen Mitglieder ihres Clans – über sich selbst lachen.
Mit 16 lernte Barbara Pierce, wie sie damals noch hieß, 1941 bei einer weihnachtliche Tanzveranstaltung den jungen George Herbert Walker Bush kennen und begann eine Brieffreundschaft. Drei Jahre später verlobten sie sich, und sie brach ihr Studium ab. „Es hat mich einfach nicht sehr interessiert“, sagte sie später gegenüber der Nachrichtenagentur UPI. „Mich hat nur George interessiert.“ Der wäre einige Monate später fast im Pazifik ertrunken, als sein Flugzeug abgeschossen wurde und er aus dem Wasser gerettet werden musste. Sie heirateten im Januar 1945. Sie folgte George nach Yale zum Studium, später nach Texas, wo er sich im Ölgeschäft versuchte und sie oft mit den Kindern allein lassen musste. Es habe sie stark gemacht, Verantwortung übernehmen zu müssen, zitiert sie die Washington Post. Auch für ihren Sohn Neil, der sich mit Lesen und Schreiben sehr schwer tat, und für George W., der in jungen Jahren ein Alkoholproblem entwickelte.
Wie kann man nur Trump wählen?
1966 wurde ihr Mann ins Repräsentantenhaus in Washington gewählt und diente später in unterschiedlichsten Funktionen: Er war UN-Botschafter der USA, Vorsitzender der Republikanischen Partei in der Zeit der Watergate-Affäre, dann US-Geschäftsträger in Peking. Um der Abgeschlossenheit des Diplomatenbezirks und der Kontrolle der chinesischen Funktionäre zu entkommen, fuhren die Bushs mit dem Fahrrad durch die ihnen so fremde Stadt. Hausangestellte berichteten ihnen, dass dies in der Bevölkerung für Verwunderung sorgte: „Die Bushes, die radeln wie wir Chinesen!“
Doch die Zeit in Peking dauerte nur 14 Monate. Im November 1975 wurde die sechsköpfige Familie Bush nach Washington zurückbeordert, weil George die Führung des skandalgeschüttelten Geheimdienstes CIA übernehmen sollte.
Ab 1981 folgten die Jahre der Bushs im Weißen Haus, erst als Ronald Reagans Stellvertreter, dann als sein Nachfolger, der versprach, „eine sanftere, gütigere Republik“ zu schaffen. Bush blieb glücklos und musste um seine Wiederwahl kämpfen. Barbara war sehr viel populärer als ihr Mann und trat oft auf Wahlveranstaltungen für ihn auf.
Aus New York erreichte sie 1992 im Wahlkampf das Angebot eines selbstbewussten Geschäftsmanns, der sich als Vizepräsidentschaftskandidat anbot. Bush fand die Bewerbung eines gewissen Donald Trump „seltsam und schwer zu glauben“. Als Trump im Vorwahlkampf 2016 Barbaras Sohn Jeb, seinen Konkurrenten, frontal angriff, hatte er es sich endgültig mit ihr verscherzt. Es sei für sie völlig unverständlich, dass jemand für Trump stimmen könne, sagte sie. Dies gelte erst recht für Frauen, über die er sich ja so abfällig geäußert habe. Trump hatte damit Barbara Bushs Form des Konservatismus verlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“