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Tod von Vitali Novacov bei EinsatzFragen an Polizei bleiben offen

Vor einem Jahr starb der Moldauer Vitali Novacov nach einem Polizeieinsatz in Königs Wusterhausen. Die Beamten wurden bis heute nicht befragt.

Die Umstände, unter denen Vitali Novacov starb, sind bis heute nicht geklärt Foto: Sebastian Gabsch/imago

Berlin taz | Ivan Novacov hat das Vertrauen in die deutschen Behörden verloren. Vor einem Jahr ist sein Bruder Vitali nach einem Polizeieinsatz in Brandenburg gestorben, aber die Aufklärung geht nicht voran. Ivan Novacov lebt in Moldau, knapp 2.000 Kilometer entfernt von dem Ort, an dem sein Bruder am 12. April 2023 zu Tode kam. Er will endlich wissen, was passiert ist. „Niemand gibt uns Informationen“, erzählt er am Telefon. „Nicht einmal eine Entschuldigung haben wir erhalten, nichts. Wir werden einfach ignoriert.“

Vitali Novacov war Ivans jüngerer Bruder. Seit Anfang 2023 lebte er in Königs Wusterhausen, einer Kleinstadt, etwa 30 Kilometer südlich von Berlin. Er war in den Ort gekommen, um zu arbeiten. Novacov war Bauarbeiter, er hat in Russland und Bulgarien gearbeitet, bevor er nach Deutschland kam.

Am Abend des 11. April soll Novacov vor seinem Wohnhaus randaliert haben. Anwohner rufen die Polizei. Die nimmt den 45-Jährigen fest, zwei Anwohner helfen mit. Novacov wird in Bauchlage am Boden gefesselt. Weil er sich wehrt, drücken die Beamten ihn nieder und seinen Kopf in den Sand. So geht es aus den Ermittlungsakten hervor, die der taz in Auszügen vorliegen.

Einer der Anwohner soll Novacov mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben, bis er zu bluten beginnt. Novacov verliert das Bewusstsein, sein Herz bleibt stehen. Ein Notarzt wird gerufen. Die Polizisten beginnen, Novacov zu reanimieren, schaffen es aber nicht. Dem Arzt gelingt es schließlich. Er bringt den Mann in ein Berliner Krankenhaus. Am nächsten Tag ist Vitali Novacov tot.

Tendenziöse Ermittlungen?

Dass der Fall überhaupt öffentlich wurde, lag auch an den Recherchen der taz. Die taz hatte im April 2023 über Ungereimtheiten berichtet, die rund um die Festnahme von Novacov aufgetaucht waren. So widersprachen sich die Aussagen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu jener Nacht. Zudem hatte der Notarzt in seinem Einsatzprotokoll vermerkt, dass Vitali Novacov noch Handschellen anlagen, als die Polizei bereits versuchte, ihn zu reanimieren. Das wäre fatal, eine Reanimation kann so kaum gelingen. Die Polizei hatte behauptet, die Handschellen seien gelöst worden.

Die Ärzte, die im Krankenhaus den Tod feststellten, hatten als Todesursache einen Sauerstoffmangel im Hirn vermerkt. Novacov ist erstickt, „durch gewaltsames zu Boden Drücken von Gesicht und Thorax in Bauchlage“. So steht es auf dem Leichenschauschein.

Die Frage, die seine Familie seitdem umtreibt, ist: Wer hat Schuld am Tod von Vitali? Ein offenbar gesunder Mann, 45 Jahre alt, Vater eines Teenagers. Die Familie von Vitali Novacov hat Anzeige erstattet. Erst daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft Cottbus ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags ein. Sie ermittelt gegen die Polizisten und die Anwohner, die Novacov gemeinsam festgenommen haben sollen. Doch die Ermittlungen verlaufen schleppend.

Auch ein Jahr später sind nach taz-Information nicht alle wichtigen Zeugen vernommen. Das bestätigt auch Julian Muckel vom Verein Opferperspektive Brandenburg, der die Familie Novacov berät. Die Staatsanwaltschaft habe bis heute keine der beteiligten Polizeibeamten vernommen. Die Beamten befänden sich weiter im Dienst, heißt es in einer Meldung der Opferperspektive zum ersten Todestag von Novacov.

Gegenüber der taz äußert sich die Staatsanwaltschaft Cottbus nicht. Diese Erfahrung macht auch der Anwalt der Familie von Novacov, Falko Drescher. Im August hatte er die Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg gebeten, den Fall zu übernehmen. Die Ermittlungen der Polizei seien „tendenziös und unbrauchbar“, bei der Staatsanwaltschaft sei kein Aufklärungsinteresse zu erkennen, eine weitere Verdunklung müsse verhindert werden, schrieb er in einer Fachaufsichtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft lehnte seine Bitte ab.

Für die Familie von Vitali Novacov ist das Schweigen der Behörden kaum auszuhalten. Sein Vater, erzählt Ivan Novacov, der Bruder des Toten, sei über die ganze Geschichte herzkrank geworden. Er frage ihn immer wieder, was es Neues aus Deutschland gibt. Ivan sagt, er halte es kaum aus, ihm nichts sagen zu können.

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4 Kommentare

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  • Furchtbar! Ich schäme mich für die Justizbehörden in diesem Land.

    • @FrauJupp:

      Da gibt’s nichts zu schämen.

      Wenn sich keine stichhaltigen Belege auftreiben lassen, hat es auch die Ermittlungsbehörde nicht leicht, braucht lange, oder kann manches Mal auch gar nichts brauchbares Zusammenkratzen.

      Wie aus früheren Artikeln vorgeht konnte die Obduktion letztlich weder bestätigen, dass Sand / Erde in den Atemwegen zum anoxischen Hirnschaden führte, noch konnte sie die Theorie vom Tod „durch gewaltsames zu Boden Drücken“ erhärten. Ohne Nachweis eines Fremdverschuldens ist auch nicht unwahrscheinlich, dass irgendeine Herzerkrankung zum Kreislaufstillstand und in der Folge zur Reanimation und zum durch Sauerstoffmangel bedingten Hirnschaden führte, wie es in 4/5 der Fälle zu sein pflegt. Bei einer vorbestehenden Herzkrankheit kann eine lebensgefährliche Herzrhythmusstörung auch durch eine starke körperliche Anstrengung (wie z.B. Widerstand gegen Festnahme) provoziert werden:

      Leider wäre ein vorbestehendes long-QT Syndrom oder ein Brugada-Syndrom meines Wissens bei einer Obduktion kaum nachzuweisen; und somit wird dann auch die Familie vergeblich auf eine Klärung der Todesursache warten. Es ist leider nicht realistisch jeden Tod lückenlos klären zu können; das liegt außerhalb menschlichen Vermögens, und das kann man auch den Behörden nicht anlasten.

      • @Socrates:

        Genau die selbe Attitude, wie diese sog. Ermittlungsbehörden...



        Selbst wenn irgendeine Vorerkrankung bestanden hätte, kann die auslösende oder verschärfende körperliche Gewalt ja nicht einfach so unter den zynischen Teppich gekehrt werden!



        Wer Gewalt anwendet muss damit rechnen, dass die angegriffene Person ggf. erkrankt sein könnte, kann doch nicht den Täter*innen derart zugute gehalten werden, dass daraus eine Täter-Opfer-Umkehr konstruiert wird nach dem Motto:



        "Der Mann starb gerade vor-sich-hin, als die Täter zufällig auf ihm knieten und auf ihn einschlugen"



        Und am lagebedingten Erstickungstod übrigens nicht nur vorerkrankte, sondern auch herzgesunde Menschen sterben - und da dieses Risiko bekannt ist, müssen sich Täter*innen auch den Konsequenzen stellen!



        Die auslösende Gewalt kann im Ergebnis nicht einfach so "weggedacht" werden - es sei denn man will vertuschen.

  • 6G
    608196 (Profil gelöscht)

    Der Familie gilt mein Mitgefühl.



    Es muss unerträglich sein, wenn in einem "Vorzeigerechtsstaat", wie sich Deutschland gern im Ausland geriert, kein Recht gesprochen werden kann, weil die Polizeien und die Staatsanwaltschaften des Landes sich der Aüfklärung von Tötungsdelikten entziehen.



    Aber eventuell ist das Ansehen Deutschlands im Ausland der Auslöser, den es braucht, um unserer Bundespolitik zu sensibilisieren, wenn es um die Aufklärung der viel zu vielen ungeahndeten Todesfälle von Menschen durch Polizeigewalt geht.



    Die Liste ist so lang, dass es einen wundert, wie die Fakten so lange im Ausland unbemerkt bleiben konnten. Und es werden fast täglich mehr. Menschen getötet.



    Innerhalb der Bundesrepublik werden die wenigen tausend Bürger, die diesbzgl. seit spätestens dem Mord an Oury Jalloh durch Polizeibeamte regelmässig demonstrieren und klagen kaum wahrgenommen.



    Im Gegenteil, die Gewalt, auch die tödliche Gewalt, gegen Bürger aus den Polizeien wird und wurde politisch vor Aufklärung geschützt anstatt Aufklärung und Schutz der Bürger endlich zu priorisieren.



    Gewalt gegen Polizei, selbst wenn Knöchelverstauchungen, Pbermpdung und selbst zugefügte Pfeffersprayexposition als Gründe camoufliert angeführt werden, führen zu mehr und leichter legitimierter Repression und Gewalt durch Polizei am Bürger.



    Eventuell kann hier wirklich nur Abhilfe erfolgen, wenn die Angehörigen der hier Getöteten ihren Regierungen Druck machen, dies öffentlichkeitswirksam und hartnäckig zu thematisieren.