Tod von NBA-Star Kobe Bryant: Ein ganz Großer
Der ehemalige Spieler der Los Angeles Lakers verstarb am Sonntag bei einem Hubschrauberabsturz. Für den US-Sport ist das ein Schock.
„Mamba out“, sagte er nach seinem letzten Spiel. Mamba out. Die Schlange beißt nicht mehr. Dieses finale Match gegen die Utah Jazz war ein Destillat von Kobe Bryants spektakulärer Karriere: Sein Team, die Los Angeles Lakers, lagen in der Schlussphase, die Basketball-Fans Crunch Time nennen, mit einigen Punkten zurück, aber der Altmeister wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Natürlich nicht. Er zog zum Korb, warf von der Dreipunktelinie, infizierte die Halle, das Staples Center in L.A., ein letztes Mal mit seinem hypertrophen Ehrgeiz.
Die Masse kreischte verzückt, und Edel-Fan Jack Nicholson grinste sardonisch. Am Ende hatte Bryant, wir schreiben das Jahr 2016, sechzig Punkte erzielt und seine Mannschaft hatte gewonnen. Er selbst hatte sich einst den Spitznamen „Black Mamba“ gegeben, weil er überzeugt war, in jeder Situation des Spiels zubeißen und sich mit schlangengleichen Bewegungen durch die Gegenspieler winden zu können.
Am Sonntag ist Kobe Bryant mit einem Helikopter des Typs Sikorsky S-76 in Orange County, seinem Wohnort, gestartet, um mit seiner Tocher Gianna zu einem Basketballspiel in seiner Mamba Sports Academy zu fliegen, ein Sportzentrum, das mit dem Slogan wirbt: „Train the Mamba Way!“ Weder er noch die restlichen sieben Insassen kamen an. 30 Kilometer vom Startort entfernt stürzte das Fluggerät an einem Ort namens Calabasas ab und brannte vollständig aus. Alle Insassen starben. Es heißt, zum Zeitpunkt des Unfalls sei es neblig gewesen und der Helikopter sei untypisch tief geflogen.
Mamba out. Dieses Mal für immer. Kobe Bryant ist 41 Jahre alt geworden. Er hinterlässt seine Frau Vanessa Cornejo Ubrieta Laine, drei Töchter und ein Millionenvermögen.
Keine sentimentale Floskel
Schock für den US-Sport. Gegangen ist einer der besten Basketballspieler aller Zeiten. Das ist keine Floskel, wie sie im sentimentalen Rausch in Nachrufe eingebaut wird – dieser Typ war ein sehr, sehr seltenes Bewegungstalent. Schon früh wurde er mit Michael Jordan verglichen.
Und das war angemessen, denn Kobe Bryant, der als Shooting Guard, also als Aufbauspieler, 1,98 Meter groß war, stopfte die Bälle in die Reuse wie ein Großer, er schoss von außen wie ein Kleiner, und er bewegte sich unter den Körben so elegant wie der große Jordan. Ein Flummi mit lockerem Händchen. Ein fliegender Artist mit Augen am Hinterkopf. Ein Alles-Entscheider im Schlussviertel.
Die US-Basketballliga NBA und ihr schlauer Commissioner David Stern hatten das Talent des jungen Burschen früh erkannt, weswegen sie ihn schon mit 18 in ihre heiligen Hallen ließen. Kobe Bryant, der in einem Vorort von Philadelphia auf die Lower Merion High School gegangen war und dort etliche Rekorde pulverisiert hatte, übersprang wegen seiner überragenden Fähigkeiten das College und landete direkt in der NBA.
Er wurde zwar von den Charlotte Hornets 1996 in den Kader berufen, aber nach einem Tausch landete Bryant bei den Los Angeles Lakers, bei denen er ohne Unterbrechung zwanzig Jahre lang spielen sollte.
Jedes verdammte Spiel gewinnen
Er trug zunächst die Nummer acht, erst später switchte er zur 24, die er auf der High School getragen hatte und unter der er in Erinnerung bleiben wird. Bryant spielte sich nicht nur ins Team, er schaffte es auch, aus den Lakers einen Titelanwärter zu machen, indem er der wenig erfolgsverwöhnten Mannschaft seinen unbedingten Siegeswillen aufdrückte. Sein Credo: Ich will gewinnen, jedes verdammte Spiel, und wenn ich dabei auch noch vierzig Punkte mache, umso besser.
Am Aufschwung der Lakers war aber noch ein anderer Profi maßgeblich beteiligt: Bryants kongenialer Partner Shaquille O’Neal, das Kraftpaket in der Zone. Ein paar Spielzeiten harmonierten die beiden, dann kam es zum Bruch. Einer der eindrucksvollsten Zickenkriege im amerikanischen Sport folgte. „Shaq und Kobe haben eine Definition von Basketball, die lautet: Gib mir den Ball, und ich mache die Punkte. Mit einem Star funktioniert das. Mit zwei nicht“, sagte Jim Cleamons, Assistenztrainer der Lakers. Einmal sprachen die Basketballdiven nicht miteinander, ein andermal rissen sie sich zusammen.
Beendet wurde das Theater der beiden Super-Egos erst, als Shaquille O’Neal die Lakers verließ und nach Miami wechselte. Kobe Bryant durfte sich über mehr ungeteilte Aufmerksamkeit und ein deutlich höheres Gehalt freuen. Außerdem war auch noch Coach Phil Jackson weg, der seinen eifrigsten Punktesammler immer wieder versucht hatte, in die Angriffsformation Triangle Offense zu pressen, was dem nicht behagte.
Kobe Bryant wurde auf dem Parkett für seine Flugkünste und irren Dribblings bewundert, als sonderlich sympathischer Zeitgenosse galt er nicht. Zu verbissen, zu „selfish“, zu kompromisslos. Sein Image besserte sich auch nicht, als es im Sommer 2003 zu einer Festnahme nach einem Vergewaltigungsvorwurf kam. Bryant soll in dem Nobelhotel Lodge & Spa nahe dem Wintersportort Vail in Colorado eine Hotelangestellte unter Gewaltanwendung zum Beischlaf gezwungen haben.
Seitenhiebe selbst in verzwickter Lage
Bryant kam gegen eine Kaution in Höhe von 25.000 Dollar frei. Auf einer Pressekonferenz im Beisein seiner Frau Vanessa gestand er den Geschlechtsverkehr mit der 19-Jährigen ein, fügte aber hinzu: „Es ist nichts gegen ihren Willen passiert.“ Die Wut seiner Frau besänftigte er mit dem Kauf eines fünf Millionen Dollar teuren Brilliantrings. Der Strafprozess endete 2004, weil das mutmaßliche Opfer die Aussage verweigerte; im Zivilprozess kam es zu einer außergerichtlichen Einigung.
Bryant schaffte es, selbst in dieser verzwickten Lage einen Seitenhieb auf Shaquille O’Neal zu platzieren. Er hätte es „mal lieber machen sollen wie O’Neal“, sagte er einem Polizeibeamten. Der habe Frauen in gleicher Situation bis zu einer Million Dollar Schweigegeld gezahlt und so sein Saubermann-Image bewahren können.
O’Neals indignierter Konter: „Ich bin hier nicht derjenige, der für Liebe bezahlen muss.“ Nachhaltig geschadet hat Bryant die Anklage nicht, Nike schaltete 2005 wieder Reklame mit dem Superstar, und endgültig vergessen war die Sache wohl, als er sich wieder auf die Jagd nach sportlichen Trophäen begab.
So wurde er mit 29 Jahren zum jüngsten Spieler, der 20.000 Punkte in der NBA erzielte. Im Jahr 2008 kürte man ihn zum Most Valuable Player, zum wertvollsten Spieler der Saison. 2009 gewann er seinen vierten Meistertitel, im Folgejahr den fünften. Vom gereiften Kobe Bryant hieß es nun, er setze nach langen Jahren der Skepsis auf die innere Kraft des Teambasketballs, aber wenn es darauf ankam, schnappte er sich doch lieber selbst den Ball und erledigte die Sache in Eigenregie.
Diese Qualität als Self-made-Man schätzen die US-Amerikaner offenbar, weswegen die Los Angeles Times jetzt auch schreibt, Kobe Bryant habe Landsleute aller Hautfarben und Schichten in ihrem Glauben bestärkt, „dass der Sieg nicht nur eine Möglichkeit, sondern unser Geburtsrecht ist“.
Als sich am Sonntag die Nachricht von Bryants Tod verbreitete, reagierten seine ehemaligen Kollegen mit großer Betroffenheit, die sie in symbolischen Gesten äußerten. Vor dem Spiel der San Antonio Spurs gegen Meister Toronto Raptors etwa gab es eine Schweigeminute. Nach dem Anwurf ließen beide Mannschaften je einmal die 24 Sekunden auf der Wurfuhr ablaufen. Das Publikum rief „Kobe, Kobe“.
Mamba out. Die Schlange beißt nicht mehr.
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