Tod von Diego Maradona: Perfekte Aufstiegsgeschichte

Der Tod des Fußballers hat unseren Kolumnisten bewegt. Denn Maradona war einer, der aufstieg und fiel – und nie vergaß, woher er kam.

Diego Maradona umgeben von der Presse noch dem Sieg

1989 gewinnt der SSC Neapel mit Maradona den UEFA Cup Foto: Imago

Vergangene Woche ist Diego Maradona gestorben. Die Nachricht hat mich getroffen und ich habe mir seine alten Videos angeschaut: das verrückte Spiel Argentinien gegen England bei der WM 1986, das ihn zur Legende machte, die Aufwärm­tanz­einlage im Münchener Olympiastadion 1989, mehrmals. Ich habe mich an die Geschichte meines Onkels und an seine Begegnung mit Maradona erinnert, über die ich mich als kleiner Junge sehr gefreut habe: 1989 hat er ihn im Bremer Weserstadion gesehen, als der SSC Neapel zum Auswärtsspiel da war.

Ich wurde erst ein Jahr später, 1990, geboren: Warum also ist mir dieser Fußballer, der seinen sportlichen Höhepunkt vor meiner Geburt erlebt hat und später ziemlich abgestürzt ist, so wichtig?

Ich vermute, er ist mir wichtig, weil er eine wahnsinnige Aufstiegsgeschichte geliefert hat. Nämlich die Fußballerversion, die das Prinzip der Aufstiegsgeschichte perfektioniert. Maradona ist aufgestiegen, aber er wirkte auch danach so, als hätte er nicht vergessen, wo er herkommt. Der Arbeitersohn kam aus Villa Fiorito, einem Armenviertel in der südlichen Peripherie von Buenos Aires. Er wurde als Straßenfußballer entdeckt und wurde dann der Beste.

Wahrscheinlich ist der Kindertraum, Fußballprofi zu werden, universell. Aber für migrantische Jungen aus Arbeiterfamilien scheint er noch mal etwas anders zu sein, zumindest habe ich das früher so wahrgenommen: Während die restliche Welt voller Barrieren ist und einem in der Schule und woanders immerzu vermittelt wird, dass man nicht zu viel vom Leben erwarten sollte, sind auf dem Fußballplatz erst mal alle gleich. Und auf dem Fußballplatz ist für denjenigen, der gut Fußball spielt, alles möglich. Alles.

Auch eine dunkle Seite

Wenn man gut spielt, dann kann man es den anderen auch mal so richtig zeigen. Den Höhepunkt seiner Karriere hat Maradona in Neapel erlebt, im Süden Italiens, bei einem Verein, der verachtet wurde von den Vereinen des wohlhabenden Nordens. Er hat Neapel die erste Meisterschaft gebracht. Mein Kollege Andreas Rüttenauer hat in seinem Nachruf geschrieben, Maradona habe dem Süden Italiens Würde verliehen.

Aber Maradona hatte auch eine dunkle Seite: Drogensucht, Absturz, Tragik. Meine Freunde, mit denen ich früher Fußball gespielt habe, und ich, wir schielten manchmal auch auf die dunkle Seite. Einer von ihnen hatte ein Argentinientrikot und er ließ sich da irgendwann reinziehen.

Aufstieg und Abstieg liegen nahe beieinander. Es ist schwer zu sagen, was jenseits des Fußballplatzes den Unterschied macht. Glück und Pech? Zufall? Maradona hat beides in seiner Person vereint. Vielleicht hat er mich auch deshalb so fasziniert. Er steht dafür, dass man sich von den Verhältnissen, in die man hineingeboren wird, befreien kann; aber auch dafür, dass damit nicht unbedingt alles gut werden muss; und dass es ohnehin ganz anders laufen kann.

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Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.

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