piwik no script img

Tod in Delmenhorster PolizeigewahrsamErmittlungen eingestellt

Gegen die Polizisten, die im Dienst waren, als Qosay Khalaf in Gewahrsam starb, wird nicht mehr ermittelt. Die Anwältin der Familie kritisiert das.

Viele von Qosay Khalafs Freun­d*in­nen haben Zweifel an der Darstellung der Polizei Foto: Sina Schuldt/dpa

Hannover taz | Die Ermittlungen gegen die Polizisten, die im Fall des im Delmenhorster Polizeigewahrsam kollabierten und später im Krankenhaus verstorbenen Qosay Khalaf eingesetzt waren, wurden eingestellt. Dies teilte die Staatsanwaltschaft Oldenburg mit.

Ein strafrechtlich relevantes Verhalten könne den Beamten nicht zur Last gelegt werden. Die Todesursache des 19-Jährigen sei auch mit dem Abgleich sämtlicher Untersuchungsergebnisse unklar. Ermittlungen gegen eingesetzte Rettungskräfte sollen auch bald zu einem Ergebnis kommen.

Die Anwältin der Hinterbliebenen, Lea Voigt, versteht das Vorgehen der Staatsanwaltschaft nicht und will Rechtsmittel einlegen. „Aus meiner Sicht ergeben sich durch den Einsatz von Pfefferspray und ausgebliebene Hilfe, die Augenzeugen schildern, Anhaltspunkte für strafbares Verhalten der Polizei.“ Die Ermittlungen seien alles andere als abgeschlossen, sagt Voigt. Die Staatsanwaltschaft wolle den Fall offensichtlich auf Biegen und Brechen zu den Akten legen.

Laut Staatsanwaltschaft hätte die Befragung „sämtlicher vor Ort gewesenen Personen“ ergeben, dass eine Untersuchung von Khalaf durch die eingesetzten Rettungskräfte noch am Festnahmeort stattgefunden hätte. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft behauptet, Khalaf habe eine Behandlung abgelehnt.

Widersprüchliche Schilderungen

Puls und Atmung seien angeblich gemessen und als unauffällig befunden worden, heißt es weiter. Die Ergebnisse der Untersuchung seien protokolliert. Sauerstoffsättigung und Blutdruck fehlten aber in den Akten, so Anwältin Voigt. Nach den Angaben „nahezu aller Anwesenden“ sei der Verstorbene eigenständig und ohne Auffälligkeiten zum Polizeiwagen gegangen, heißt es weiter von der Staatsanwaltschaft.

Dem widerspricht die Aussage des Augenzeugen Hamudi (Name geändert), ein Freund Khalafs. Hamudi sagt, Polizisten hätten auf Khalaf gekniet, ihm sei nicht geholfen worden und er sei nach der Ingewahrsamnahme zum Auto geschleift worden. Khalaf habe um Wasser gebeten, es aber nicht erhalten.

Die Staatsanwaltschaft sagt dazu, weder Rettungswagen noch Polizei seien mit Getränken bestückt. „Ein Unterlassen der – in der Situation faktisch unmöglichen – Gabe von Wasser kann den Beschuldigten folglich nicht vorgeworfen werden.“

Im Magen Khalafs seien zudem chemische Superabsorber gefunden worden, die die Schädigungen des Darms begründen würden. Deren Herkunft sei noch ungeklärt.

Ein von Hinterbliebenen und Freun­d*in­nen initiiertes Bündnis „In Erinnerung an Qosay“ will weiter für Aufklärung eintreten, sagt Gundula Oerter, Pressesprecherin der Gruppe. Sie sagt, sie sei nicht überrascht: „Welchen Fall kennen wir, wo die Staatsanwaltschaft nach einer polizeilichen Tötung nicht das Verfahren eingestellt hat?“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Manchmal beneide ich Italien.



    Dort gibt es Staatsanwälte, die sich mit der Mafia und Staatschefs anlegen und Richter, die sie verurteilen - obwohl sie dabei um ihr Leben fürchten müssen.



    In Deutschland verweigern die Staatsanwälte schon eine anständge Untersuchung von Vergehen der Polizei. Frage: Warum?



    Sollten sie sich mehr vor der Polizei fürchten als ihre italienischen Kollegen vor der Mafia? Dann haben wir ein echtes Problem in Deutschland! Oder stecken sie mit der Polizei unter der selben Decke? Dann haben wir auch ein Problem! Beide könnten unter den Oberbegriff organisierte Kriminalität fallen.

    • @Mainzerin:

      Ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen, daß die Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft stimmen und die Ermittlungen deshalb eingestellt wurden ? Vielleicht waren die Angaben des "Freundes" nicht belastbar ?

    • @Mainzerin:

      Und per Ferndiagnose können Sie beurteilen, dass es ein Vergehen der Polizei war und die Staatsanwaltschaft eine anständige Untersuchung verweigert?

      • @Sophokles:

        Nein, dazu bedarf es keiner Ferndiagnose, nur der Schlüsse aus den Zeugenaussagen und dem Handeln der Staatsanwaltschaft.