Tierschutz als Argument reicht nicht: Elefanten müssen im Zirkus antreten
Die Berliner Innenverwaltung scheitert vor Gericht mit dem Versuch, das Gastspiel eines Zirkus mit vielen Wildtieren zu verhindern.
Die Weihnachtsferien für Elefant, Löwe und Co fallen aus: Der jährliche Zirkus am Olympiastadion darf laut einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts nun doch stattfinden. Das teilte das Gericht am Montag mit. Dabei wollte der rot-rot-grüne Senat eigentlich keine Zirkusse mit Wildtieren mehr in Berlin gastieren lassen.
Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Linke und Grüne Ende des Jahres 2016 darauf geeinigt, landeseigene Grundstücke an Zirkusse nur noch zu vergeben, „wenn die artgerechte Tierhaltung sichergestellt wird“. Im Fall des Weihnachtszirkus Voyage, der seit 24 Jahren in Berlin auf einer zum Olympiastadion gehörenden Fläche gastiert, bot sich nun vermeintlich eine Chance, diesen Anspruch auch durchzusetzen.
Die für die Fläche zuständige Innen- und Sportverwaltung von Andreas Geisel (SPD) verweigerte im Oktober die Vermietung an den Zirkus. Begründung: Eine artgerechte Haltung von Wildtieren könne im Zirkus aufgrund der dortigen Verhältnisse grundsätzlich nicht gewährleistet werden. Auf dem Programm des Voyage stehen laut eigener Webseite unter anderem die Auftritte eines Flusspferdes, von zwei Giraffen, von vier Elefanten und sieben Löwen (Motto: „Afrika pur!“).
Doch dem Verwaltungsgericht, vor dem daraufhin der Zirkus geklagt hatte, reichte diese Argumentation nicht. Der Zirkus habe einen Anspruch auf die Nutzung des Grundstücks, der sich aus der „langjährigen Vergabepraxis in Verbindung mit der Berufsfreiheit und dem Gleichbehandlungsgesetz“ ergebe. Zudem sei die Begründung des Senats rechtswidrig. Denn: „Verstöße gegen die tierschutzrechtlichen Anforderungen wurden durch die zuständigen Behörden in der Vergangenheit nicht festgestellt“, so das Gericht in einer Mitteilung.
Das stimme nicht, erklärt dagegen Michael Efler, Sprecher der Linksfraktion für Tierschutz. Ihm lägen dokumentierte Verstöße des Zirkus gegen den Tierschutz vor, sagte er am Montag der taz. Mehrfach sei Anzeige gegen den Zirkus gestellt worden, unter anderem, weil dessen Giraffen in Fahrzeugen transportiert worden seien, in denen sie nicht aufrecht stehen konnten. Dokumentiert sei zudem ein Vorfall aus dem vergangenen Jahr, wonach ein Wachhund des Zirkus einen Tierarzt beim Kontrollbesuch gebissen und schwer verletzt habe.
Dennoch wundert es Efler nicht, dass das Verwaltungsgericht jetzt dem Zirkus recht gegeben hat. Sich in der Begründung nur auf den Koalitionsvertrag zu berufen und die Vermietung sehr kurzfristig abzusagen – „dass dieses Vorgehen der Innenverwaltung nicht funktioniert, ist eigentlich klar“, so Efler.
Doch das Scheitern sei nicht allein Geisels Schuld: „Die Koalition insgesamt hat es bisher nicht geschafft, eine Rechtsgrundlage für ein Verbot von Wildtieren in Zirkussen zu schaffen. Das muss jetzt geschehen“, fordert der Linkspartei-Politiker.
Innenverwaltung prüft Beschwerde
Geisels Sprecher Martin Pallgen teilte mit, dass die Innenverwaltung nun prüfe, ob sie gegen die Entscheidung Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen werde. „Das wird rasch passieren“, so Pallgen. Die erste Aufführung des Zirkus ist für den 14. Dezember angekündigt.
Der Zirkus selbst betont auf seiner Webseite: „Allen Tieren im Berliner Weihnachtszircus geht es gut! Rund um die Uhr pflegen wir unsere Tiere!“ Die Besucher würden mit ihrem Ticketkauf „die notwendigen Investitionen in die hohen Haltungsansprüche unserer Tiere“ unterstützen. Efler bleibt bei seiner Einschätzung: „Den Bedürfnissen von Elefanten, Giraffen, Tigern oder Flusspferden kann man nicht gerecht werden im Zirkus.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr