Tierrechtler loben Geflügelfleischkonzern: Wiesenhof investiert in Kunst-Fleisch
Das Unternehmen unterstützt die Entwicklung von Fleisch aus der Retorte. Die Tierrechtsorganisation Peta sieht darin einen Erfolg für sich.
Das Unternehmen, das immer wieder im Zentrum von Tierschutzskandalen stand, kündigte auf taz-Anfrage an, SuperMeat sowohl bei „Forschung und Entwicklung als auch im Bereich der strategischen Positionierung auf dem europäischen Markt“ zu beraten. „Peta und Wiesenhof haben 2012 über diese Strategie und diese neue Entwicklung gesprochen, und das hat durchaus als Denkansporn bei Wiesenhof gefruchtet“, sagte der Leiter der Rechts- und Wissenschaftsabteilung, Edmund Haferbeck, der taz. Die Tierschützer und die Fleischproduzenten hatten damals nach jahrelangen Auseinandersetzungen in den Medien und vor Gericht einen Dialog begonnen.
Wesjohann erklärte nun, er sehe das Engagement bei SuperMeat „weniger als rein finanzielles Investment, sondern vielmehr als den Beginn einer strategischen Partnerschaft“. Er gehe davon aus, dass es in einigen Jahren eine Nachfrage nach künstlich erzeugtem Fleisch geben werde, ähnlich wie nach veganen Fleischersatzprodukten, die Wiesenhof bereits anbietet. Wie hoch die PHW-Beteiligung an dem israelischen Unternehmen ist, sagte er nicht. Weitere Investoren kommen unter anderem aus den USA.
In 3 Jahren sollen Restaurants das Kunstfleisch bekommen
„Diese Partnerschaft wird es uns ermöglichen, eine revolutionäre neue Generation schmackhafter, nachhaltiger Fleischprodukte in ganz Europa und darüber hinaus auf den Markt zu bringen“, erklärte SuperMeat-Geschäftsführer Ido Savir. Das Fleisch werde ähnlich viel kosten wie konventionelles Geflügelfleisch.
Die Firma aus Tel Aviv hat nach eigenen Angaben 3 Millionen US-Dollar unter anderem von Beteiligungsgesellschaften erhalten. Savir sagte, er rechne damit, in drei Jahren die erste Generation von künstlich erzeugtem Fleisch an Restaurants liefern zu können. „Der nächste Schritt wäre, in weiteren 2 bis 5 Jahren die Produktion auf einen industriellen Maßstab zu vergrößern, um Supermärkte und den Lebensmittelhandel zu versorgen.“
Der Vorteil künstlich erzeugten Fleisches, das auch In-Vitro-Fleisch genannt wird, liege in der Effizienz und der Chance, damit den hohen Ressourcenbedarf für die Fleischerzeugung zu verringern. Savir verwies auf Studien, wonach sich mit Fleisch aus Petrischalen der Ausstoß von Treibhausgasen sowie der Verbrauch von Land und Wasser senken ließen. Der Philosoph Richard David Precht etwa sieht in Fleisch aus dem Labor „die Lösung eines Menschheitsproblems – ethisch, ökonomisch und ökologisch“.
Energieaufwendige Produktion
Das künstliche Fleisch wird erzeugt, indem tierische Muskelzellen im Labor wachsen. Diese würden Hühnern „schmerzfrei“ entnommen, so das Unternehmen. Laut Peta müssen für Laborfleisch nicht extra Tiere gezüchtet und gehalten werden, weshalb die Organisation die Technik seit Jahren befürwortet. Auch die vegane Albert-Schweitzer-Stiftung schreibt, dass solche Technologien „nicht nur Tierleid erheblich mindern, sondern auch die Umwelt und die natürlichen Ressourcen schonen“ würden.
Allerdings ist nach einer jüngsten Studie des Karlsruher Instituts für Technologie die Herstellung des Labor-Fleisches noch aufwendig und nur in geringen Mengen möglich. Da die erforderlichen Bioreaktoren bisher viel Strom benötigen, gibt es gerade bei Geflügelfleisch Zweifel, ob die Treibhausgas-Emissionen geringer sein werden. Doch die Forscher stellten auch fest, dass In-Vitro-Fleisch in Zukunft vielleicht dabei helfen könnte, Probleme des Fleischkonsums mit Blick auf die wachsende Weltbevölkerung, den Klimawandel und den Tierschutz zu lösen.
Laut der Studie sieht ein Teil der Verbraucher in künstlich erzeugtem Fleisch eine von vielen möglichen Alternativen zur konventionellen Fleischproduktion. Auf Widerstand stoße In-Vitro-Fleisch aber bei denen, die auf eine Verringerung des Fleischkonsums und den ökologischen Umbau der Landwirtschaft setzen. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden