Tierrechtler loben Geflügelfleischkonzern: Wiesenhof investiert in Kunst-Fleisch
Das Unternehmen unterstützt die Entwicklung von Fleisch aus der Retorte. Die Tierrechtsorganisation Peta sieht darin einen Erfolg für sich.
Berlin taz Deutschlands größter Geflügelfleischkonzern PHW/Wiesenhof steigt in die Entwicklung von künstlich hergestelltem Fleisch ein. An dem israelischen Start-up Supermeat habe die Firma eine Minderheitsbeteiligung erworben, sagte PHW-Vorstandsvorsitzender Peter Wesjohann der Deutschen Presse-Agentur. Die Tierrechtsorganisation Peta reklamierte diesen neuen Teil der Konzernstrategie als Erfolg für sich.
Das Unternehmen, das immer wieder im Zentrum von Tierschutzskandalen stand, kündigte auf taz-Anfrage an, SuperMeat sowohl bei „Forschung und Entwicklung als auch im Bereich der strategischen Positionierung auf dem europäischen Markt“ zu beraten. „Peta und Wiesenhof haben 2012 über diese Strategie und diese neue Entwicklung gesprochen, und das hat durchaus als Denkansporn bei Wiesenhof gefruchtet“, sagte der Leiter der Rechts- und Wissenschaftsabteilung, Edmund Haferbeck, der taz. Die Tierschützer und die Fleischproduzenten hatten damals nach jahrelangen Auseinandersetzungen in den Medien und vor Gericht einen Dialog begonnen.
Wesjohann erklärte nun, er sehe das Engagement bei SuperMeat „weniger als rein finanzielles Investment, sondern vielmehr als den Beginn einer strategischen Partnerschaft“. Er gehe davon aus, dass es in einigen Jahren eine Nachfrage nach künstlich erzeugtem Fleisch geben werde, ähnlich wie nach veganen Fleischersatzprodukten, die Wiesenhof bereits anbietet. Wie hoch die PHW-Beteiligung an dem israelischen Unternehmen ist, sagte er nicht. Weitere Investoren kommen unter anderem aus den USA.
In 3 Jahren sollen Restaurants das Kunstfleisch bekommen
„Diese Partnerschaft wird es uns ermöglichen, eine revolutionäre neue Generation schmackhafter, nachhaltiger Fleischprodukte in ganz Europa und darüber hinaus auf den Markt zu bringen“, erklärte SuperMeat-Geschäftsführer Ido Savir. Das Fleisch werde ähnlich viel kosten wie konventionelles Geflügelfleisch.
Die Firma aus Tel Aviv hat nach eigenen Angaben 3 Millionen US-Dollar unter anderem von Beteiligungsgesellschaften erhalten. Savir sagte, er rechne damit, in drei Jahren die erste Generation von künstlich erzeugtem Fleisch an Restaurants liefern zu können. „Der nächste Schritt wäre, in weiteren 2 bis 5 Jahren die Produktion auf einen industriellen Maßstab zu vergrößern, um Supermärkte und den Lebensmittelhandel zu versorgen.“
Der Vorteil künstlich erzeugten Fleisches, das auch In-Vitro-Fleisch genannt wird, liege in der Effizienz und der Chance, damit den hohen Ressourcenbedarf für die Fleischerzeugung zu verringern. Savir verwies auf Studien, wonach sich mit Fleisch aus Petrischalen der Ausstoß von Treibhausgasen sowie der Verbrauch von Land und Wasser senken ließen. Der Philosoph Richard David Precht etwa sieht in Fleisch aus dem Labor „die Lösung eines Menschheitsproblems – ethisch, ökonomisch und ökologisch“.
Energieaufwendige Produktion
Das künstliche Fleisch wird erzeugt, indem tierische Muskelzellen im Labor wachsen. Diese würden Hühnern „schmerzfrei“ entnommen, so das Unternehmen. Laut Peta müssen für Laborfleisch nicht extra Tiere gezüchtet und gehalten werden, weshalb die Organisation die Technik seit Jahren befürwortet. Auch die vegane Albert-Schweitzer-Stiftung schreibt, dass solche Technologien „nicht nur Tierleid erheblich mindern, sondern auch die Umwelt und die natürlichen Ressourcen schonen“ würden.
Allerdings ist nach einer jüngsten Studie des Karlsruher Instituts für Technologie die Herstellung des Labor-Fleisches noch aufwendig und nur in geringen Mengen möglich. Da die erforderlichen Bioreaktoren bisher viel Strom benötigen, gibt es gerade bei Geflügelfleisch Zweifel, ob die Treibhausgas-Emissionen geringer sein werden. Doch die Forscher stellten auch fest, dass In-Vitro-Fleisch in Zukunft vielleicht dabei helfen könnte, Probleme des Fleischkonsums mit Blick auf die wachsende Weltbevölkerung, den Klimawandel und den Tierschutz zu lösen.
Laut der Studie sieht ein Teil der Verbraucher in künstlich erzeugtem Fleisch eine von vielen möglichen Alternativen zur konventionellen Fleischproduktion. Auf Widerstand stoße In-Vitro-Fleisch aber bei denen, die auf eine Verringerung des Fleischkonsums und den ökologischen Umbau der Landwirtschaft setzen. (mit dpa)
Leser*innenkommentare
Dieter Kulinar
Kunstfleisch - wie krank ist das denn? Haben wir nicht schon genug Künstliches im Essen, oder vergewaltigte Naturrohstoffe? Wie industriell hergestellte Nahrung nutzen Zusatzstoffe nur der Industrie - nicht dem Menschen und schon garnicht seiner Gesundheit. Die Herstellung von Kunstfleisch zbd ggf, die Patentierung gehört dazu. Man siehe Monsanto und Co.
Warum entsteht denn Tierleid? Weil das Tier als Ware oder Rohstoff gesehen wird, weil es der Vergbraucher möglichst billig und nicht darauf verzichten möchte, weil Billig-Fleisch nur in Massentierhaltungen erzeugt werden kann, weil der Mensch keinen Respekt vor Tier (aber auch anderen Menschen und der Natur hat), weil keiner mehr die Augen sieht, die das Tier hat... Die Aufzählung könnte endlos weitergehen.
Unser Gebiss zeigt uns, dass Fleischkonsum moderat schon immer ein Teil unserer Ernährung war, ebenso unser Darm.
Bio-Fleisch ist die bessere Wahl, wobei Großbetriebe ohne Verbandszugehörigkeit existieren, die der konventionellen Mast kaum nachstehen.
Demeter ist für mich die Qualität erster Wahl. Lieber ein kleineres Stück Fleisch mit hohem Zufriedenheitspotential, als ein riesen Fetzen, der viel Wasser und wenig Geschmack beinhaltet.
Ich hätte da noch den Vorschlag, unsere Ernährung komplett synthetisch herzustellen und aus der Tube zu lutschen, da ist Konsistenz, Textur, Geschmack und Duft zweitrangig - kann man ja alles künstlich beimischen.
Wohlbekomms!
Gruß Tom
Jakob Petersdorff
Hi Tom,
tatsächlich ist diese Vorstellung abstrus, Fleisch aus "dem Reagenzglas" zu futterm.
Ich werfe dazu aber mal die Frage in den Raum, ob das im Vergleich zu einer spätestens seit Entstehung der Massentierhaltung perversierten Kultur der Ignoranz und Ausbeutung anderer indiviueller Lebewesen nicht eine wunderbare Lösung ist das bestehende System zu unterwandern, indem man alldiejenigen, die nicht bereit sind sich überhaupt mit dem Thema auseinanderzusetzen eine Alternative anbieten und evtl. irgendwann sogar gesetzlich auferlegen könnte, mit der sie keine größeren Adaptierungsschwierigkeitn haben dürften. Der Geschmack müsste ählich sein und auch die Herstellungsweise sollte wie bisher auch niemanden aus dieser Zielgruppe wirklich interessieren.
Nur ein kleiner Denkansatz in aller Freundschaft.
LG Jakob
Manfred Stein
Erinnert irgendwie an Soylent Green (Jahr 2022 … die überleben wollen) US-amerikanischer Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1973 unter der Regie von Richard Fleischer. Charlton Heston spielt einen Polizisten in New York im Jahr 2022, der einem ungeheuerlichen Geheimnis auf die Spur kommt. Sehenswert!
Rudolf Fissner
Die Geschichte führt einem doch schön vor Augen wie selbst der Veganismus sich wünderbar kuschelig in die industrielle Konsumgesellschaft einflutschen lässt. Energieeffizienz in der Nahrungsmittelproduktion ist nun mal kein Kriterium des Veganismus
Age Krüger
Zu dem Problem des heutigen noch hohen Energieaufwandes ist zu sagen, dass er immer noch günstiger ist wie die normale Fleischproduktion. (Ein Veganer hat natürlich eine noch günstigere Energiebilanz seiner Nahrung.)
Lohnen wird es sich imo noch eher bei Rind- statt bei Geflügelfleisch, da durch die künstliche Rindfleischproduktion auch Methan erheblich verringert wird.
Dennoch muss man auch sagen, dass die ganze Sache etwas sehr optimistisch da dargestellt wird. Ich kenne den Stand in Israel nicht, aber die Uni Maastricht forscht auch schon länger daran und die sagen, dass die Kosten für ein Pfund Kunstfleisch immer noch das -zigfache vom herkömmlich erzeugten Fleisch ausmachen. Kurzum: Solange im Kapitalismus der Profit die Entscheidungen steuert, bin ich skeptisch, ob die Menschen wirklich was für ihre Gewissensberuhigung zahlen werden. Das Gewissen könnten sie durch vegetarische oder vegane Ernährung sofort und preiswerter beruhigen.
Der Geschmack von "Soylent Green" soll auch noch nicht so überzeugend sein.
Helmut Kaiser
Kunstfleisch. Nanofood. Seit 2000 wird daran geforscht. 2018 sind 16 Institute und Unternehmen in der Forschung und Entwicklung weltweit. Mehrere Studien von hkc22.com zeigen die Entwicklung seit 1998 und die zu erwartende Marktreife bzw Markteinführung. An Nanotechnology in Food and Agriculture führt kein Weg vorbei. http://www.hkc22.com/Nanofood.html
lukas ophoven
Ich finde es einfach sinnfrei, gut für die Tiere, keine Frage. Die Umwelt leidet aber dennoch weiter? Wieso zum teufel kann man es nicht einfach reduzieren? Gegen Fleisch essen spricht nichts, sage ich als Vegetarier, wenn man es eben einfach in Maßen geniesst und eben keine Maßentierhaltungen entstehen.
Kleinere Betriebe, gutes Fleisch, Glückliche Menschen und glückliche Umwelt. Die Menschen würden von ihrem Konsumwahn entrissen und , vielleicht, wieder anfangen nachzudenken dass man eben nicht alles haben kann worauf man grade Bock hat.
Zum Teufel mit diesen ganzen Schwachsinnigen Ideen
Manfred Stein
Bin mal gespannt wo und wie die Nährstoffe für das künstliche Fleisch produziert werden.
81331 (Profil gelöscht)
Gast
...die Kunst des Fleisches!
disenchanted
Nun das ist wohl der gangbarste Weg. Menschen mit Schuldgefühlen und Moral in den Vegetarismus oder den Veganismus zu drängen war von anfang an eine doofe Idee. Wenn man ein Produkt hat das exakt wie Fleisch schmeckt aber keins ist dann wird sich das Essen von echtem Fleisch innerhalb von Jahren überlebt haben.
Bernhard Hellweg
Wiesenhof produziert was der Verbraucher kauft. ...
Matthias Rackwitz
@Bernhard Hellweg am Anfang steht immer der Produzent und nicht der Konsument - andersherum wird also ein Schuh daraus
Günter Witte
Es geht ums Geschäft, Wiesenhof möchte am Markt bleiben, also Investiert man in Kunstfleisch, Hauptsache der Verbraucher kauft es.
Rudolf Fissner
@Günter Witte Was habe sie gegen vegane Produkte?
DiMa
Fleisch (von ahd. fleisc) bezeichnet im Allgemeinen Weichteile von Mensch und Tieren. (Quelle Wikipedia). Sogenanntes "In-Vitro-Fleisch" kann vieles sein, nur eines nicht: Fleisch. Bitte gebt dem Chemiezeugs süätestens bei Martkeinführung einen anderen Namen.
Energiefuchs
Energieintensiv? Wenn das Erdöl alle ist, ist Schluss mit dem ganzen Mist. Seid ehrliche Vegetarier oder Fleischesser, lasst Tiere ein normales Leben haben. Respektiert die Umwelt. Wiesenhof tut das definitiv nicht, nirgendwo. Boykott!
Rudolf Fissner
@Energiefuchs Es geht also nur um das Etiket "Wiesenhof" ?