Thrombose durch hormonelle Verhütung: Risikofaktor Antibabypille

Drospirenonhaltige Pillen bergen möglicherweise ein höheres Thromboserisiko. In den USA muss nun verstärkt darauf hingewiesen werden.

Steckt in der Antibabypille ein Thromboserisiko? Bild: AllzweckJack/photocase.com

Als Susan Tabbach im Januar 2009 von einem Schmerz in der linken Brust mitten in der Nacht aufwacht, denkt sie zunächst an Muskelkater. Die damals 29-Jährige war gerade aus dem Skiurlaub gekommen.

Nie hätte die Architektin aus Aachen eine Lungenembolie vermutet und diese auf die Einnahme der Yasminelle, einer drospirenonhaltigen Pille von Bayer, zurückgeführt. Erst nach fünf Tagen stellten die Ärzte die Diagnose: Ein Blutgerinnsel hatte ein Blutgefäß in ihrer Lunge verstopft. Eineinhalb Jahre dauerte es, bis sich Tabbach völlig davon erholte.

In Deutschland gelten die Pillen der sogenannten „dritten Generation“, zu denen die Bayer-Präparate Yasmin, Yasminelle und Yaz gehören, als sehr begehrte hormonelle Verhütungsmittel. Derart beliebt sind sie aufgrund der positiven Nebenwirkungen, die das enthaltene Drospirenon mit sich bringt. Grundsätzlich besteht jede empfängnisverhütende Pille aus den Hormonen Gestagenen und Östrogenen.

Das Drospirenon wurde ursprünglich von Bayer als Ersatz für das natürlich vorkommende Gestagen Progesteron entwickelt. Vorteil des Drospirenons: Es beugt der Verschlechterung des Hautbildes und einer Gewichtszunahme vor, über die die Pillenanwenderinnen lange Zeit klagten.

Dreimal höheres Thrombosereisiko

Doch seit die Schering AG, die inzwischen in BayerHealth Care aufgegangen ist, den Arzneistoff 2000 auf den Markt brachte, ist das künstliche Gestagen umstritten. Die US-Gesundheitsbehörde FDA teilte Anfang April mit, dass einige Studien gezeigt hätten, dass das Thromboserisiko bei den Anwenderinnen dieser Präparate um ein Dreifaches höher sei als bei nicht Drospirenonhaltigen.

Andere Studien hingegen ließen diesen Zusammenhang nicht eindeutig erkennen. Dennoch forderte die FDA Bayer auf, die Beipackzettel von Yasmin und ähnlichen Produkten zu überarbeiten. Künftig müssen die Präparate in den USA mit dem Hinweis „Frauen über 35, die rauchen, sollten Yasmin nicht verwenden“ versehen werden.

Die genaue Anzahl ist unbekannt

Laut Bundesministerium für Gesundheit sind in Deutschland bereits 2011 die Produktinformationen der drospirenonhaltigen Pillen angepasst worden. „Sie geben die beschriebenen Risiken ausreichend wieder“, sagt Ministeriumssprecher Oliver Ewald.

So ließ Bayer in vergangenen Jahr die deutschsprachige Produktinformation von Yasmin um folgende Absätze ergänzen: „Von 100.000 Frauen, die eine Pille anwenden, wie zum Beispiel Yasmin, kann binnen eines Jahres bei 30–40 Frauen ein Blutgerinnsel auftreten. Die genaue Anzahl ist unbekannt. Die Höhe des Risikos kann je nach Art der Pille variieren. Besprechen Sie verfügbare Optionen mit Ihrem Arzt.“

Bayer selbst verweist auf die Uneinigkeit bezüglich des Thromboserisikos in der Wissenschaft. „Einige Studien kamen zu dem Ergebnis, dass es keinen Unterschied zwischen den Gestagenen gibt, laut anderen gibt es einen solchen Unterschied“, so Friederike Lorenzen, Bayer-HealthCare-Sprecherin. Zudem hätten alle oralen Kontrazeptiva von Bayer, auch die mit Drospirenon, ein positives Nutzen-Risiko-Profil, wenn sie gemäß ihrer Indikation eingenommen würden.

Bereits vor 50 Jahren entwickelt

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) sowie der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) vermuten dennoch, dass „kombinierte Antikonzeptiva, die Drospirenon enthalten, möglicherweise ein höheres Thromboserisiko bergen als solche, die Levonorgestrel oder Norethisteron enthalten“. Dies teilten die Verbände in einer gemeinsamen Presseerklärung mit.

Levonorgestrel und Norethisteron gelten als synthetische Gestagene der ersten und zweiten Generation und wurden bereits in den fünfziger und sechziger Jahren entwickelt. Die positiven Nebenwirkungen des Drospirenons weisen beide Substanzen aber nicht auf.

Nach Angaben der DGGG erhöht sich das Thromboserisiko durch das Drospirenon vermutlich, weil es zu einer geringfügig verstärkten Wasserausscheidung führe. „Das kann zu einem leichten Gewichtsverlust führen, allerdings nicht zu einem Verlust an Fettgewebe“, heißt er bei der Fachgesellschaft.

Übergewicht als Risikofaktor

Wegen dieser Eigenschaft würden drospirenonhaltige Antikonzeptiva vermehrt von übergewichtigen Frauen angewandt. Durch die zusätzliche Entwässerung könne sich das Blut verdicken und damit das Thromboserisiko erhöhen. Übergewicht und mangelnde Bewegung stellten aber ohnehin einen Risikofaktor für die Entwicklung von Thrombosen und Embolien dar.

Laut der Fachverbände kann deshalb derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass das vermutlich erhöhte Thromboserisiko unter Drospirenonanwendung vor allem das erhöhte Thromboserisiko bei Übergewicht und Bewegungsmangel widerspiegelt.

DGGG und BVF raten deshalb den Anwenderinnen, vor der Wahl des Verhütungsmittels alle Faktoren, die das Thromboserisiko zusätzlich erhöhen könnten, wie Rauchen, Übergewicht oder die Möglichkeit einer genetisch bedingten Gerinnungsstörung, gemeinsam mit dem Gynäkologen auszuschließen.

Gesundheitsschäden bis hin zum Tod

Für Frauen wie Susan Tabbach ist das nicht genug. Sie fordert Bayer dazu auf, diese Präparate vom Markt zu nehmen. „Ein Medikament, das derartige Risiken birgt, sollte überhaupt nicht verkauft werden“, sagt Tabbach.

In den USA hagelte es nach dem FDA-Beschluss Kritik an Bayer. 11.300 Klagen wurden dort bis zum 1. Februar eingereicht. Die Klagegründe reichen von Gesundheitsschäden bis hin zum Tod, auf die Einnahme der drospirenonhaltigen Präparate zurückzuführen. Der Bayer-Konzern hat bereits mit 170 Anwenderinnen in den USA grundsätzliche Vergleichsvereinbarungen getroffen. Ähnliche Vereinbarungen zwischen Patientinnen hierzulande und dem Pharmariesen sind nicht bekannt.

In Deutschland liegen dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bislang 15 Berichte über Todesfälle im Zusammenhang mit der Anwendung drospirenonhaltiger Kontrazeptiva vor. Als Mitglied der Selbsthilfegruppe „Risiko Pille“ wird sich Susan Tabbach mit anderen drospirenongeschädigten Frauen auch in Zukunft für mehr Aufklärung durch Gynäkologen, die Übernahme von Unverträglichkeitstests vor dem Verschreiben dieser Medikamente einsetzen.

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