Thriller über Frauenmorde in Mexiko: Allein gegen die Machos
Nirgendwo sonst werden mehr Menschen umgebracht als in Ciudad de Juarez. Der 3Sat-Thriller „Das Paradies der Mörder“ zeigt diese Welt der brutalen Männer.
Ciudad Juárez ist die tödlichste Stadt der Welt, ein Paradies der Mörder. Nirgendwo sonst auf der Welt werden – gemessen an der Einwohnerzahl von Anderthalbmillionen – so viele Menschen umgebracht. Mehrere Tausend in jedem Jahr.
Die mexikanische Wüstenstadt, direkt an der Grenze zu den USA und gegenüber dem texanischen El Paso gelegen, ist eine der wichtigsten Transitruten für Kokain und andere Drogen. Hier bekriegen sich das Juárez- und das Sinaloa-Kartell, die lokale Polizei und die Bundespolizei.
Und als wäre das nicht schon schlimm genug, gibt es auch noch eine seit Mitte der 1990er Jahre andauernde Mordserie an jungen Frauen. Die Zahlen, die zu lesen sind, weichen voneinander ab, mehrere hundert Leichen sind es sicher.
Das nur mal vorangeschickt. Denn wäre die Wirklichkeit nicht wirklich so krass, dann müsste man meinen, der mexikanische Thriller „Das Paradies der Mörder“ (Regie: Carlos Carrera), mit dem 3sat am Freitagabend die fünfteilige Filmreihe „Mexiko real“ abschließt, sei reichlich unsubtil.
Alle Männer sind geil, korrupt und brutal
Stattdessen spricht es aber wohl eher für die dokumentarischen Qualitäten des Spielfilms, wenn, mit der einzigen Ausnahme eines Radiojournalisten, alle Männer als korrupte, geile, brutale, zynische, moralisch verwahrloste Machos porträtiert werden. Allen voran der Gouverneur: „Diese Morde sind ein richtiges Wespennest. Je weniger wir da reinstechen, desto besser!“
Und tatsächlich haben die mexikanischen Behörden die vielen so ähnlichen Fälle des Missbrauchs und der Verstümmelung, der Tötung und des Verschwindens junger, oft zugewanderter Arbeiterinnen aus den Maquila-Fabriken internationaler Konzerne jahrelang heruntergespielt.
Tatsächlich wurde auch, wie im Film, zuerst ein Ägypter verhaftet. Die Frauenmorde von Ciudad Juárez gingen weiter. Sie waren bereits Gegenstand eines hoch gelobten Romans von Roberto Bolaño („2666“) und eines viel verrissenen Films mit J.Lo und Antonio Banderas („Bordertown“).
Der bekannteste Schauspieler in „Paradies der Mörder“ ist Jimmy Smits, man kann ihn in TV-Serien wie „L.A. Law“, „NYPD Blue“ oder „Dexter“ gesehen haben. Aber die die Heldenrolle in diesem Film musste eine Frauenrolle sein.
Sie hat keinen Schweigekodex
Ana de la Reguera spielt eine toughe Polizistin, neu in der Stadt, nicht korrumpiert, nicht korrumpierbar, an keinen machistischen Schweigekodex gebunden. Sie ist die feministische Variante eines Corrado Cattani, kämpft auf ebenso verlorenem Posten wie ab 1984 der Commissario „Allein gegen die Mafia“.
Mit dem Radiojournalisten spricht sie über die Motive hinter den Frauenmorden:
Sie: „Es gibt unzählige Gründe.“
Er: „Snuff-Pornografie.“
Sie: „Könnte sein.“
Er: „Oder Organhändler.“
Sie: „Oder auch das.“
Er: „Oder Möchtegerne, die aus purem Spaß töten.“
Sie: „Stimmt. Jede Theorie könnte es sein. Oder auch alle zusammen. Wir hätten dann noch häusliche Gewalt. Ein Ehemann, der seine Frau tötet, weil sie nicht gekocht hat. Ein Onkel, der seine Nichte vergewaltigt und sicherstellt, dass sie schweigt.“
Die Opfer sind so zahlreich, es wäre zu einfach, alle Frauenmorde einem einzigen Serienkiller zuzuordnen. Und wenn der Drogenkrieg jährlich Tausende den Kopf kostet, mitunter im Wortsinn: dann sinkt irgendwann auch die Hemmschwelle für einen Mord aus anderen Beweggründen. Zumal an einer Frau.
„Das Paradies der Mörder“, Freitag, 22.35 Uhr, 3sat.
Eine um so merkwürdigere Leerstelle bildet der Drogenkrieg nun in dem Film. Es mag ein Reflex sein, eine Reaktion. Es mag daran liegen, dass die mexikanischen Behörden die Frauenmorde allzu oft und gerne in diese Schublade gesteckt haben: Wenn die Frauenmorde Teil des Drogenkriegs sind, dann gibt es auch keine speziellen Frauenmorde, um die man sich kümmern müsste. Bequeme Logik.
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