Thomas Kutschaty tritt zurück: SPD in Nordrhein-Westfalen kopflos

Im einstigen Stammland NRW tritt SPD-Landeschef Thomas Kutschaty zurück – nachdem er seine Kandidatin nicht als Generalsekretärin durchsetzen konnte.

Thomas Kutschaty, Landesvorsitzender der SPD in Nordrhein-Westfalen ist zurückgetreten Foto: Federico Gambarini/dpa

DÜSSELDORF taz | Trauermienen bei den Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Düsseldorfer Parteizentrale: In der einstigen sozialdemokratischen Hochburg Nordrhein-Westfalen ist der SPD-Landesvorsitzende Thomas Kutschaty am Donnerstag überraschend zurückgetreten. Grund dafür sei die mangelnde Unterstützung der Parteigremien, erklärte der 54-Jährige.

Zuvor hatte sich Kutschaty, der aktuell auch Landtagsfraktionsvorsitzender und ein Vize der Bundes-SPD ist, nicht mit seinem Vorschlag durchsetzen können, die 36-jährige Rechtsanwältin Magdalena Möhlenkamp aus Bonn zur neuen SPD-Landesgeneralsekretärin zu machen.

Mit dem offenbar mit großen Teilen der Partei nicht abgesprochenen Personalvorschlag sei Kutschaty bereits am Mittwoch in drei teilweise sehr emotionalen digitalen Konferenzen gescheitert, heißt es aus SPD-Kreisen. Zunächst hätten alle Vertreter der vier SPD-Regionen Westliches Westfalen, Niederrhein, Mittelrhein und Ostwestfalen-Lippe ihrem da noch amtierenden Landeschef klargemacht, dass sie sein Vorschlagsrecht als einsame Entscheidung nicht akzeptierten. Auch in einer anschließenden virtuellen Sitzung des Parteipräsidiums habe Kutschaty keine durchgreifende Unterstützung erhalten.

Im folgenden Gespräch mit dem erweiterten Landesvorstand sei die Personalie Möhlenkamp dann gar nicht mehr diskutiert worden. Gesprochen hätten da „nur noch Jusos über den Leitantrag zum anstehenden Parteitag in Münster“. Viele wichtige Ge­nos­s:in­nen hätten sich dagegen bereits zu Kungelrunden zurückgezogen. Entsprechend groß ist der Frust. „Atomisiert“ sei die Partei, hieß es von Kutschaty-Unterstützer:innen im Landesvorstand. „Mit solchen Leuten ist kein Staat zu machen.“ Statt offensiv um Wäh­le­r:in­nen zu werben, drehten sich große Teile der NRW-SPD um sich selbst.

Kutschaty machte auch nach Wahlniederlage weiter

Letztlich gescheitert ist Kutschaty damit doch noch an der Aufarbeitung der verlorenen Landtagswahl vom Mai 2022, bei der die SPD mit ihm als Spitzenkandidat auf historisch schlechte 26,7 Prozent abgestürzt war. Dennoch wollte Kutschaty als Partei- und Fraktionschef weitermachen. Seine „Mission“, die Sozialdemokratie in ihrem einstigen Stammland wieder stark zu machen, sei „noch nicht erfüllt“, verkündete der Jurist, der aus der zur Region Niederrhein zählenden Stadt Essen stammt. Beim Landesparteitag am 6. Mai wollte er erneut als Vorsitzender kandidieren. Denn in Umfragen habe die SPD bei völlig desaströsen 17 Prozent gelegen, als er zum 2021 Landesparteichef gewählt wurde, erinnerte Kutschaty in seinem Rücktrittsstatement.

Gehen sollte dagegen die bisherige Generalsekretärin Nadja Lüders. Die stammt aus Dortmund und damit aus der mächtigsten NRW-Region, dem Westlichen Westfalen. Vor allem dort dürfte Kutschatys Entscheidung, die weithin unbekannte Möhlenkamp zur Lüders-Nachfolgerin zu machen, nicht gut angekommen sein. Schließlich hatte sich Kutschaty im Kampf um den Fraktionsvorsitz bereits 2018 gegen den Vorsitzenden der Region Westliches Westfalen, Marc Herter, durchgesetzt.

Jetzt sollen ausgerechnet Herter als dienstältester Landesparteivize und Lüders als noch amtierende Generalsekretärin den Übergangsprozess moderieren. Sollte Herter, der sich auf das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Hamm im östlichen Ruhrgebiet zurückgezogen hat, Ambitionen auf den Parteivorsitz haben, werde er wohl gewählt, hieß es aus dem Landesvorstand.

Denkbar seien aber auch Kandidaturen des Duisburger SPD-Chefs Mahmut Özdemir, der in Bonn lebenden Juso-Bundeschefin Jessica Rosenthal oder der aus Herne stammenden SPD-Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering. Möglich ist aber auch, dass der Landesparteitag in Münster abgesagt wird, um mehr Zeit zu gewinnen – und den Landesvorsitz mit einer Doppelspitze zu besetzen.

Bleibt Kutschaty Fraktionschef?

Unklar ist auch, wie lange Kutschaty noch Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion bleibt. Er werde dazu mit den Abgeordneten das Gespräch suchen, sagte er dazu bei seiner Rücktrittserklärung. Nachfragen waren bei dem Pressetermin keine zugelassen. Übersetzt bedeutet das wohl: Fraktionsvorsitzender will der bisherige Parteichef nur bleiben, wenn er sich der breiten Unterstützung der SPD-Abgeordneten sicher sein kann – nicht umsonst hat Kutschaty, der 13 Jahre lang in eigener Kanzlei als Rechtsanwalt gearbeitet hat, immer wieder betont, er sei als Volljurist wirtschaftlich von der Partei unabhängig.

Als mögliche Nachfolger für den Fraktionsvorsitz sind der Kölner Jochen Ott, Vorsitzender der SPD-Region Mittelrhein, oder die Parlamentarische Geschäftsführerin Sarah Philipp im Gespräch.

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