Theatertipps der Woche: Mutwillig verschüttet
Das BE läuft Amok, die Schaubühne probt den Weltuntergang, das Ballhaus Nanynstraße geht der Schwarzen Geschichte Europas nach.
E s ist die abgründige und am Ende tödliche Geschichte einer Obsession, die Stefan Zwei in seiner Novelle “Amok“ erzählt, die alles sprengt, was heute unter dem Hashtag #metoo verhandelt wird: ein westlicher Arzt, der kurz nach dem Ersten Weltkrieg in Indonesien praktiziert, wird von einer verheirateten weißen Frau aufgesucht, die ihn um einen (damals noch illegalen) Schwangerschaftsabbruch bittet. Als Preis verlangt der Arzt eine Liebesnacht mit ihr, was die Frau empört ablehnt. Er stellt ihr weiter nach und findet sie dann sterbend: als sie an den Folgen des Eingriffs ihr Leben verliert, der von einem schuddeligen Hinterzimmerengelmacher vorgenommen wurde.
Kurz zuvor ringt sie dem Arzt noch das Versprechen ab, dafür zu sorgen, dass ihr Mann nie die wahren Umstände ihres Todes erfährt. Das löst einen Sog aus, der spiralförmig immer tiefer in den Abgrund und am Ende auch zum Tod des Arztes führt. Die Schauspielerin Cordelia Wege hat den Text für die Bühne adaptiert und als Solo am Berliner Ensemble inszeniert, das sie auch selber spielen wird: Extremschauspielerin und virtuose Sprechperformerin, die sie ist („Amok“, Premiere 1.9., 19:30 Uhr).
In der Schaubühne kommt in dieser Woche eine neue Inszenierung der britischen Regisseurin Katie Mitchell heraus: „Kein Weltuntergang“ von Chris Bush. Thema des neuen Texts der 1986 geborenen britischen Dramatikerin ist der Klimawandel, dessen komplexe Ursachen sie in immer neuen Anläufen darin immer wieder neu verortet, in Fragen von Klasse, Patriarchat und Kolonialismus etwa.
Katie Mitchell, Meisterin fragmentierten Erzählens, bietet kein lineares Narrativ, „sondern Fragmente unzähliger möglicher Erzählungen. Die collagehafte, zersplitterte Form des Textes lädt die Zuschauer_innen ein, ein eigenes Narrativ zu konstruieren“, wie die Vorankündigung verspricht, und damit selber Verantwortung zu übernehmen („Kein Weltuntergang“, Premiere 4.9., 20 Uhr).
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Weiße Verklärung
Emanzipation braucht role models und eigene Helden. Was, wenn es sie längst gibt, aber das Wissen darum mutwillig verschüttet ist. Wer weiß zum Beispiel, dass der Vater von Alexandre Dumas, dem großen Schriftsteller und Autor so weltberühmter Bücher wie „Der Graf von Monte Christo“ oder „Die drei Musketiere“, Schwarz gewesen ist? Als Sohn eines französischen Grafen und seiner Schwarzen versklavten Mutter Marie-Cessette Dumas wurde Dumas' Vater auf Haiti geboren und später vom Vater nach Frankreich geholt. Dort stieg er in der Armee von einfachen Dragoner zum General auf.
Ein Denkmal des „Schwarzen Generals“ in Paris haben die Nazis während der Besatzung der französischen Hauptstadt zerstört. Im europäischen Bewusstsein sind die Dumas nämlich weiß. Tatsächlich aber stehen sie für die Tatsache, dass Europas Kultur und Geschichte diverser sind. Mit diesem Umstand beschäftigen sich im Ballhaus Naunynstraße in dieser Woche die Autorin und Schauspielerin Amina Eisner und der Regisseur Atif Mohammed Nor Hussein in dem Stück „Courageux! Furchtlos!“ (Premiere 2.9., 20 Uhr).
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