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Theaterbrand in Hamburg-HarburgUn-kosmischer Horror

Eigentlich sollte nur der Spielplan gruseln machen: Das kleine Miskatonic-Theater in Hamburg wird Opfer eines Brandes. Seine Be­trei­be­r:in­nen sind nun obdachlos.

Feuerwehrleute löschen am 9. März 2025 den Brand im Miskatonic-Theater. Vier Menschen wurden leicht verletzt Foto: Marcus Golejewski/dpa

Hamburg taz | Nein, Cthugha war nicht im Spiel, der Große Alte, dessen Gestalt an einen Feuerball erinnert. Überhaupt stand kein Angehöriger des düsteren Pantheons, das im frühen 20. Jahrhundert der Schriftsteller H.P. Lovecraft ersann, hinter dem Brand des kleinen Miskatonic-Theaters am vergangenen Sonntag; zumindest nicht, wenn wir den Ermittlern des Hamburger Landeskriminalamtes Glauben schenken.

Demnach hatte zuerst ein Müllcontainer gebrannt. Dieses Feuer hatte dann übergegriffen auf das Gebäude, in dem reichlich Holz verbaut gewesen sein muss. Um 12.18 Uhr war die Feuerwehr wegen des relativ kleinen Containerbrandes erstmals alarmiert worden, nur Minuten später erging ein weiterer Alarm, diesmal mit dem Zusatz „Menschenleben in Gefahr“.

Die Grün­de­r:in­nen und Be­trei­be­r:in­nen des weltweit möglicherweise einzigen exklusiv dem Horror-Genre verpflichteten Theaters, Nisan Arikan und Lars Henriks, die mit ihrer zweijährigen Tochter im selben Haus wohnen, wurden von der Polizei aus dem Gebäude geholt.

Insgesamt mussten 13 Menschen das viergeschossige Gebäude verlassen, auch eine Katze wurde unbeschadet gerettet. Vier Bewohner:innen, darunter das Kind, kamen wegen Verdachts auf Rauchvergiftung kurz ins Krankenhaus.

Nicht der erste Schicksalsschlag

„Es brannte der Bühnenbereich eines Theaters im Erdgeschoss in voller Ausdehnung“, teilte die Feuerwehr mit, die in der Spitze 60 Kräfte vor Ort im Einsatz hatte. „Parallel zur Menschenrettung wurde die Brandbekämpfung mit drei Strahlrohren im Innenangriff durchgeführt. Ebenso stellten zwei Drehleitern eine Anleiterbereitschaft sicher.“ Die Buxtehuder Straße, wie hier die teils stark befahrene Bundesstraße 73 Richtung Richtung Cuxhaven heißt, wurde zeitweise gesperrt.

Zerstört wurden auch Requisiten und Technik – auch das eigene Tonstudio, etwa für Hörspielproduktionen, ist dahin. „Alles, wofür wir unser Leben lang gearbeitet haben, ist unwiederbringlich verloren“, erklärten Arikan und Henriks am späten Donnerstagabend – „unsere Bühne, unser Equipment, unsere Requisiten, unsere Studio-Technik, selbst unsere privaten Wohnräume.“

Mit Schicksalsschlägen kenne die beiden sich bereits aus. Kurz vor der geplanten Eröffnung war im vergangenen August eingebrochen worden. Equipment im Wert von rund 15.000 Euro wurde damals gestohlen.

Eröffnet haben Arikan und Henriks das Haus trotzdem. Gespielt wurde seitdem vor allem Lovecraft, aber auch eine Meta-Beschäftigung mit Mary Shelley und ihrem „Frankenstein“ oder das Kinder-Musical „Kommissar Pferd“. Den Ma­che­r:in­nen zufolge waren die Vorstellungen zum allergrößten Teil ausverkauft. Fans der Stoffe – oder inzwischen auch der sie in Szene Setzenden – reisen auch von weiter weg an.

Jetzt braucht es Unterstützung

Was nun benötigt wird, ist wiederum einerseits ganz akut: Geld. Eine Crowdfunding-Seite ist eingerichtet. Stand Freitagnachmittag war darüber knapp doppelt so viel Geld hereingekommen, wie die Miskatonic-Leute es sich als (zweites) Ziel gesetzt hatten: etwas über 13.000 Euro – die größte Spende, nicht anonym, betrug immerhin 2.000 Euro.

„Wie es langfristig weitergeht, ist noch ungewiss“, erklärt das Theater auf der GoFundMe-Spendenkampagnenseite. „Aber wir lassen den Vorhang nicht einfach fallen. Wir sind bereits dabei, mögliche Anschlüsse auszuloten – sei es eine Exil-Spielstätte, neue Kooperationen oder andere Wege, das Miskatonic Theater in irgendeiner Form am Leben zu halten.“

Dafür sucht man nun auch eine – temporäre – Ausweichspielstätte. Ob sich die nun in Flammen aufgegangenen Räume je wieder als Theater nutzen lassen werden, ist dabei offen. Die Rede ist von sechs bis neun Monaten Sanierungszeit. Dem Hamburger Abendblatt sagte Henriks, mehrere Hamburger Theater hätten den Miskatonics schon Bühnenzeiten angeboten.

Will man es optimistisch betrachten – wie es dem geheimen Patenonkel des Hauses, dem Menschen misstrauenden Lovecraft, so selten gelang –, könnte sich neben den bundesweit verstreuten Fans des Hauses und seines Konzepts vielleicht auch der Stadtteil solidarisch zeigen.

Noch im März steigt im Hamburger Süden, an Kulturangebot nicht gerade reich, das kleine Literaturfestival „Suedlese“. Und dem geht es ganz ausdrücklich auch darum, die Vielfalt des dortigen Geschehens abzubilden – und die unterstreicht so ein Haus des Horrors ganz eindeutig.

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