„The Gilded Age“ auf Sky: Unaufgeregte Unterhaltung
Dank besonderer Kostüme ist „The Gilded Age“ zwar schön anzusehen. Doch abgesehen davon bleibt die Serie auf dem Niveau einer Seifenoper.
Wenn kommende Woche in den Kinos der mittlerweile zweite „Downton Abbey“-Film zu sehen ist, dann verschlägt es darin die Familie Crawley unter anderem an die Côte d’Azur. Doch Julian Fellowes, der als Autor die erfolgreiche Serie und ihre Kino-Ableger verantwortete, ist längst zu noch ferneren Ufern aufgebrochen. Denn seine neue Serie „The Gilded Age“ spielt nun nicht mehr in der britischen Heimat, sondern in New York.
1882, also mitten in der titellgebenden wirtschaftlichen Blütezeit der USA nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg, setzt die Handlung damit ein, dass die junge Marian (Louisa Jacobson) in der Ostküstenmetropole ankommt. Nach dem Tod ihres Vaters ist sie mittellos, deswegen muss sie nun unterkommen bei den ihr unbekannten Tanten Ada (Cynthia Nixon) und Agnes (Christine Baranski), die feste Größen in der New Yorker Oberschicht sind. Gesellschaftliche Veränderungen treiben die beiden wie überhaupt die aus „altem Geld“ bestehende High Society der Stadt um.
Weniger jemand wie Marians Reisebekanntschaft Peggy (Denée Benton) bereitet Kopfzerbrechen, eine junge Schwarze mit Schreibambitionen, die bei Agnes als Sekretärin anheuert. Der Unmut gilt eher neureichen Emporkömmlingen wie den Vanderbilts und den Rockefellers. Oder eben den Russells (Carrie Coon & Morgan Spector), die direkt vis-a-vis, an der Ecke zur 5th Avenue, einen prunkvollen Wohnsitz haben errichten lassen und nun mit ausgemachter Kaltschnäuzigkeit auf Zugang zur besseren Gesellschaft drängen.
Mit dieser Beschreibung ist erst ein Bruchteil der Figuren und Konflikte erfasst, die in der ersten Staffel von „The Gilded Age“ Platz finden (eine zweite ist bereits bestellt). Peggys von ihr entfremdete, in Brooklyn lebende Eltern kommen ebenso vor wie ein aus der Provinz angereister Anwalt, der sich um Marians Zuneigung bemüht. Überhaupt sind jede Menge junger Menschen auf Freiersfüßen unterwegs, und weil wir uns in einer von Julian Fellowes erdachten Geschichte befinden, wird natürlich auch dem Dienstpersonal all dieser feinen Herrschaften ausreichend Raum zuteil.
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Darsteller*innen
Dass der Serienschöpfer und Drehbuchautor das New York des ausgehenden 19. Jahrhunderts umfänglich recherchiert hat, ist nicht zu übersehen. Immer wieder tauchen in der Serie reale Figuren auf wie der Architekt Stanford White, die Gründerin des Roten Kreuzes, Clara Barton, oder T. Thomas Fortune, Herausgeber der sich an eine Schwarze Leserschaft wendenden Wochenzeitung The New York Age; auch Ereignisse wie die Inbetriebnahme von Thomas Edisons Elektrizitätskraftwerk in der Pearl Street werden in die Handlung der Serie integriert.
„The Gilded Age“, ab 22. April bei Sky
Letztlich adaptiert Fellowes allerdings doch nur sein „Downton Abbey“-Erfolgsrezept und erzählt eine Seifenoper über Klassenunterschiede und Generationskonflikte, in der die drängendsten Fragen die sind, ob eine Liebschaft wirklich standesgemäß ist und der Butler nun nach britischem oder amerikanischem Muster den Tisch eindecken sollte.
Dazu intrigiert auch hier eine Kammerzofe mit ihrem heimlich schwulen Verbündeten, und Tante Agnes darf snobistisch-schnippische Bonmots zum Besten geben, als sei sie Schwester im Geiste der Dowager Countess of Grantham. Dass die eigentlich spannendsten Themen der Serie – von Rassismuserfahrungen bis hin zu buchstäblich tödlicher Profitgier – allzu leichtfertig abgehandelt werden, ist bedauerlich. Als gediegen-gepflegte, wenn auch nie wirklich aufregende Unterhaltung wird „The Gilded Age“ so zwar nie der chaotischen Lebendigkeit des boomenden New Yorks gerecht, lässt sich aber durchaus hübsch ansehen; nicht zuletzt, was die prächtigen Kostüme angeht.
Entscheidend dazu trägt auch das riesige Ensemble bei, das die Serie fast wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Broadway-Darsteller*innen während der pandemiebedingten Theaterschließungen wirken lässt. Während im Zentrum des Geschehens Meryl Streeps jüngste Tochter Louisa Jacobson aus ihrer eher langweiligen Rolle das meiste herauszuholen versucht, geben sich selbst in kleinen Nebenrollen wunderbare Stars wie Audra McDonald, Jeanne Tripplehorn, Nathan Lane oder Donna Murphy die Ehre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen