Thailand-Experte über die Wahlen: "Es gibt viel aufzuarbeiten"

Das thailändische Militär steht vor einem Scherbenhaufen, meint Thailand-Experte Wolfram Schaffar. Es gehe den Generälen nur noch darum, in Amt und Würden zu bleiben.

Wieder eine Shinawatra an der Macht: Yingluck Shinawatra bei Koalitionsverhandlungen. Bild: reuters

taz: Herr Schaffar, der Armeechef hatte dazu aufgerufen, die "richtigen" Leute zu wählen, also nicht die jetzt siegreiche Partei Puea Thai. Nun erklärt der Verteidigungsminister, die Armee akzeptiere das Wahlergebnis. Der Armeechef schweigt.

Wolfram Schaffar: Das zeugt vom Bewusstsein, dass die Wahl eher ein Referendum war. Es ging weniger um politische Programme. Yingluck Shinawatra hatte gar keins und der jetzt abgewählte Abhisit Vejjajiva hatte immer versucht, möglichst den weggeputschten Thaksin zu kopieren. Es ging um die Frage, wie Macht organisiert und ausgeübt wird. Die Thais stimmten jetzt klar gegen die Machtausübung hinter den Kulissen, gegen das Zusammenspiel royalistischer Kräfte mit dem Militär. Das müssen die Militärs jetzt verdauen. Armeechef Prayuth unterstützt die bislang regierende Elite. Seine Wahlempfehlung könnte ein Zeichen von Schwäche sein.

Thailand erlebte schon Dutzende Putsche. Der letzte dürfte auch aus Sicht der Militärs wenig bewirkt haben, denn die weggeputschten Kräfte wurden jetzt schon zum zweiten Mal wiedergewählt. Ist das Militär jetzt bereit, sich unter eine zivile Regierung zu stellen?

WOLFRAM SCHAFFAR hat bis 2008 an Bangkoks renommierter Chulalongkorn-Universität Politikwissenschaft gelehrt. Heute ist der Thailand-Experte Professor für Internationale Entwicklung an der Universität Wien.

Der Putsch 2006 hat das Land viel stärker polarisiert als vom Militär erwartet. Seitdem hat es gesehen, dass auf all seinen Interventionsfeldern die Konflikte nur noch schlimmer wurden. Im April 2010, beim Aufstand der Rothemden, sah das Militär ein, dass ein weiterer Putsch international nicht mehr akzeptabel ist. Das Militär steht vor einem Scherbenhaufen. Derzeit geht es der dominanten Militärfraktion darum, in Amt und Würden zu bleiben und den hohen Militäretat zu sichern.

Könnte das ein möglicher Deal mit der neuen Regierung sein?

Es werden mehrere Dinge zu verhandeln sein, wobei die Rothemden nicht einfach alles akzeptieren werden, schließlich gibt es mit der Niederschlagung ihres Aufstands 2010 mit über 90 Toten viel aufzuarbeiten. Daran hängt auch die Frage der Amnestie, also ob die jetzigen Kommandeure bleiben können und ob dies der Auftakt zu einer nationalen Versöhnung sein könnte.

Es wird befürchtet, dass mit dem Sieg von Thaksins Schwester der Machtkampf zwischen Rot und Gelb weitergeht. Ist das Wahlergebnis eine Chance, neue Wege zu gehen?

Dass eine Shinawatra angetreten ist, bedeutet zunächst, dass der alte Machtkampf noch stärker geworden ist. Aber es sind auch Abnutzungen auf beiden Seiten zu sehen, also die nur noch geringe Bereitschaft zu konfrontativen Massenmobilisierungen. Das jetzige klare Votum könnte Fronten klären, was Kompromisse auf höchster Ebene - denn es ist ein Konflikt zwischen den Eliten - ermöglicht.

Wie könnte eine Versöhnung aussehen?

Die verschiedenen Konflikte müssen einzeln behandelt werden. Das Militär muss demokratisiert werden. Beim Elitenkonflikt zwischen den Kapitalfraktionen auf der Seite Thaksins versus denen um das königliche Schatzamt müsste ausgleichend geklärt werden, welche Sektoren der Wirtschaft welche Zugänge zu Ressourcen bekommen. Und die Niederschlagung des Rothemden-Aufstands 2010 kann nur eine Versöhnungskommission aufarbeiten, die Verantwortliche benennt. Das ist unwahrscheinlich.

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