Teure Klassenfahrt: Schullandheim? So yesterday!
Kreuzberger SchülerInnen machen eine Klassenfahrt nach New York. Kostenpunkt: 38.000 Euro – finanziert aus Steuermitteln.
Was lässt man sich die Erziehung seiner SchülerInnen zu guten, aufgeklärten BürgerInnen kosten? 38.000 Euro investierte ein Englischlehrer an der Kreuzberger Robert-Koch-Oberschule in seine ElevInnen: Rund 2.500 Euro pro SchülerIn für eine Woche New York City. Er habe damit „antiamerikanischen Ressentiments“ der Jugendlichen begegnen wollen, hatte er dem Tagesspiegel erzählt, der zuerst über den Trip berichtet hatte.
Nun ist die Empörung groß. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) höchstpersönlich meldete sich am Donnerstag im RBB zu Wort: Sie erwarte, „dass Lehrkräfte und Schulen verantwortungsvoll die Ziele ihrer Klassenfahrten aussuchen“.
Der Grund, warum die reiselustige Kreuzberger Klasse mehr ist als nur eine Randnotiz: Die Fahrt wurde komplett vom Jobcenter bezahlt – also aus Steuergeldern. Das Jobcenter sprang ein, weil in dem Englisch-Leistungskurs alle 15 SchülerInnen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) hatten. Das wird vom Bundesfamilienministerium bezahlt und soll Kindern aus einkommensschwachen Familien ermöglichen, zum Sportverein oder in die Musikschule zu gehen – oder eben auf Klassenfahrt.
Normalerweise machen die Eltern mit der KlassenlehrerIn unter sich aus, wie viel ihnen der Spaß des Nachwuchses wert ist. Da aber im Schulgesetz nicht festgeschrieben ist, wie teuer eine Klassenfahrt maximal sein darf, kann man sich im Fall einer reinen BuT-Klasse theoretisch – und offenbar auch praktisch – jeden Betrag vom Jobcenter erstatten lassen.
Schüler wollen „Erlebnis“
Die Gymnasiallehrer-Gewerkschaft Philologenverband forderte nun prompt, „intensiv zu prüfen, ob es nicht erheblich mehr Beispiele für unverhältnismäßige Mittelverwendungen“ gebe. Dafür wäre dann allerdings der Bund zuständig, nicht das Land Berlin.
„Man sollte jetzt nicht hysterisch werden“, sagt hingegen Stefanie Remlinger, bildungspolitische Sprecherin der Grünen. Über die „Verhältnismäßigkeit“ von Klassenfahrtkosten hätten die Schulen bisher sehr gut alleine entschieden. „Da braucht es keine Obergrenze.“
Der Kreuzberger Rektor Rainer Völkel hat sich unterdessen öffentlich entschuldigt. Nur die Landesschülervertretung tanzte am Donnerstag aus der Reihe: „Es ist heutzutage wichtig, dass Schüler ein Erlebnis haben“, sagte Koordinator Micha Schmidt. Verständlich: Wenn schon Wanderwoche, dann doch am besten im Central Park.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen