Testpflicht im Büro und beim Shoppen: Berlin bummelt weiter beim Testen

Ab Mittwoch wird die Testpflicht in Betrieben und beim Shoppen verschärft – theoretisch. Wie die neue Verordnung umgesetzt werden soll, ist unklar.

Selbsttest unter Aufsicht im Corona-Testzentrum Neukölln Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

BERLIN taz | Seit dem heutigen Mittwoch gilt nun die verschärfte Testpflicht in den Betrieben und beim Shopping. Doch wie das Ganze konkret umgesetzt werden soll, darüber herrscht sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Gewerkschaften Ratlosigkeit. „Wir bekommen Hunderte Anfragen von Unternehmen“, sagt Claudia Engfeld, Sprecherin der Industrie- und Handelskammer in Berlin. Die beiden häufigsten Fragen: „Wo soll ich die Tests hernehmen, und wie soll ich die bezahlen?“

Ein mittelständisches Unternehmen mit zehn MitarbeiterInnen kalkuliere zum Beispiel mit etwa 2.000 Euro Mehrkosten im Monat, sagt Engfeld. Zugleich würden viele gerade kleinere Betriebe noch auf bereits beantragte Liquiditätshilfen warten.

Am Samstag hatte der Senat die Infektionsschutzverordnung verschärft oder besser gesagt: bisherige Lockerungen nicht zurückgenommen, aber dafür die Testpflicht in Betrieben sowie beim Shopping strenger geregelt.

In den Betrieben geht Berlin mit der Regelung, dass in Büros nur noch maximal 50 Prozent der Belegschaft anwesend sein dürfen, sogar über die Beschlüsse auf Bundesebene hinaus. „Das finden wir juristisch problematisch“, kritisiert Engfeld. „Es gibt die juristische Einschätzung, dass der Arbeitgeber nicht in die Privatwohnung des Arbeitnehmers eingreifen darf.“

Homeoffice Nur noch 50 Prozent der Arbeitsplätze dürfen belegt werden. Es gibt Ausnahmen, etwa im Einzelhandel und Gesundheitswesen.

Testpflicht Betriebe müssen zwei Tests pro Woche anbieten – medizinische Schnelltests durch geschultes Personal oder „zur Selbstanwendung unter Aufsicht“. Außerdem müssen ArbeitgeberInnen „auf Wunsch“ eine Bescheinigung über das Testergebnis ausstellen. Shoppen (außer Lebensmittel, Drogeriebedarf, Medikamente) geht nur mit einem „tagesaktuellen, negativen Testergebnis“.

Ausgangssperren oder -beschränkungen oder eine Verlängerung der Osterferien habe man am Dienstag im Senat noch nicht abschließend beraten, sagte Senatorin Kalayci. Sie machte allerdings deutlich: „Es wäre aber gut, wenn weitere Maßnahmen kommen. Wir haben nicht sehr viel Zeit.“ Details zu den Überlegungen nannte Kalayci nicht. Es gehe aber um „andere Varianten“ als Ausgangssperren oder Ausgangsbeschränkungen. Vor einem Beschluss im Senat seien jetzt Gespräche und Abstimmungen mit den Fraktionen im Abgeordnetenhaus geplant. Aktuell sind in Berlin Zusammenkünfte mit fünf Personen aus zwei Haushalten erlaubt, plus Kinder unter 14 Jahren. (akl)

Wer soll es kontrollieren?

Bei den Gewerkschaften sieht man den Berliner Weg aus „Testen und Bummeln“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntagabend den Senatsbeschluss rügte, indes aus anderem Grund kritisch. Es sei völlig unklar, wer in den Betrieben eigentlich die Tests entweder durchführen (bei medizinischen Schnelltests) oder aber im 4-Augen-Prinzip (bei Selbsttests) kontrollieren solle. „Es darf jedenfalls nicht so laufen, dass am Ende der Arbeitnehmer verantwortlich gemacht wird, falls ein Selbsttest ohne 4-Augen-Prinzip fehlerhaft war“, sagt ein Sprecher des DGB Berlin.

Bei Verdi sieht man den aktuell noch immer nicht abzusehenden Engpass an Selbsttests als Problem: „Wenn die Testkapazitäten nicht da sind, ist die Verordnung nur eine stumpfe Waffe“, sagt ein Sprecher. Die Politik müsse nun nachjustieren: „Für alle Bereiche mit Kontakt zu Menschen und wo Homeoffice nicht möglich ist, etwa im ÖPNV oder im Einzelhandel, muss es die Selbsttests prioritär geben.“

Tatsächlich sind weltweite Lieferengpässe bei den Selbsttests ein Problem: In den Schulen zieht sich die Beschaffung für SchülerInnen seit Wochen, für GrundschülerInnen gab es bis zu den Osterferien gar keine Tests. Nach den Ferien sollen die Tests aber da sein, „das ist sicher“, versprach Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Dienstag.

Auch für KundInnen könnte „Testen und Bummeln“ kompliziert werden: „Die Einkaufszentren und Warenhäuser versuchen, eigene Testangebote einzurichten“, sagt Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg. „Das braucht normalerweise aber einen Vorlauf von vier Wochen.“ Dass kleinere Läden von der auch möglichen Variante Selbsttest vor Ort unter den Augen des Verkaufspersonals Gebrauch machen, glaube er nicht.

Kalayci berichtete von 210 Teststellen mit einer Kapazität von 560.000 Schnelltests pro Woche. Es sei aber auch klar, „dass wir jetzt weiter nach oben skalieren müssen.“ Auch die Shoppingzentren zögen mit: „Ich erlebe da eine hohe Dynamik.“

Das allerdings gilt auch für die Infektionszahlen: Die 7-Tage-Inzidenz stieg am Dienstag – einen Tag vor „Testen und Bummeln – um 45 Prozent auf 146,4 Prozent.

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