Terrorverdächtiger über Islamismus: „Die V-Leute wären arbeitslos“
Das Islamische Kulturzentrum in Bremen wurde im Februar das vierte Mal durchsucht. Der Vorsitzende wehrt sich gegen Kriminalisierung.
taz: Herr Habibzada, die Bremer Polizei und Verfassungsschutz observieren das Islamische Kulturzentrum (IKZ) seit Jahren. Vom Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SDP) heißt es, wegen Kontakten nach Saudi-Arabien…
Omar Habibzada: Wenn die Experten des Verfassungsschutzes sich ein wenig Mühe gäben, dann würden sie verstehen, dass – ganz unabhängig von dem politischen System dort – Saudi-Arabien das wichtigste Land für die Muslime ist. Dort liegt unser Mekka. Täglich wenden sich über eine Milliarde Muslime in der Welt zum Gebet dorthin. Die Pilgerfahrt kann nur dort vollzogen werden. Da liegen Prophetenmoschee und grab, das ist das Land der Offenbarung. Von dort aus hat sich der Islam in die ganze Welt verbreitet. Da sind die islamischen theologischen Universitäten und so weiter. Ägypten ist das zweitwichtigste Land in Bezug auf die islamische Theologie. Wie eben für die Schiiten der Iran und der Irak wichtig sind…
… oder für die Katholiken der Vatikan…
… so sind für uns sunnitische Muslime spirituell und theologisch Saudi-Arabien und Ägypten wichtig. Für die politischen Systeme dort können wir nichts. Nebenbei gesagt: Saudi-Arabien ist politisch, militärisch und wirtschaftlich ein wichtiger Verbündeter der USA und ein Partner Deutschlands. Was wird uns vorgeworfen?
Seit 15 Jahren wird der Eingang zur Moschee Islamisches Kulturzentrum (IKZ) in Bremen von einer Kamera des Verfassungsschutzes überwacht. Mehrfach wurden die Räume durchsucht, Unterlagen und Computer beschlagnahmt - ohne dass sich ein Vorwurf strafbarer Handlungen bestätigte.
Die Moschee vertritt einen streng konservativen Islam. Nur die Fantasie des Verfassungsschutzes mache daraus ein Zentrum „gewalttätiger Salafisten“, so der Vorsitzende Omar Habibzada.
Ende Februar 2015 stürmten wieder Polizisten in den Gebetsraum, diesmal schwer bewaffnet: In dem Durchsuchungsbefehl stand, es seien dort Maschinenpistolen zu finden. 60 Stück sollen gekauft und an Gemeindemitglieder verteilt worden sein. Gefunden wurde nichts.
Das Verwaltungsgericht hat dem Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) jüngst untersagt, zu behaupten, das IKZ werde aus Saudi-Arabien finanziert.
Offenbar, dass Sie aus Saudi-Arabien, aus einer Ecke, die den gewalttätigen Salafismus unterstützt, Geld bekommen.
Das ist Quatsch. Ich sage Ihnen: Wenn Innensenator Mäurer nachweisen kann, dass wir von saudischen Kreisen, die gewalttätige Islamisten unterstützen, Geld bekommen, dann werde ich als Vorsitzender dieser Gemeinde zurücktreten. Und wenn er das behauptet und nicht nachweisen kann, dann soll er zurücktreten. Ich hatte in der Pressekonferenz nach dem 28. Februar das Angebot gemacht, auf der politischen Ebene Gespräche mit dem Innensenator zu führen. Ich habe den Eindruck, dass der Innensenator oder der für Religionsangelegenheiten zuständige Bürgermeister Böhrnsen kein realistisches Bild von unserer Gemeinde haben. Sie verlassen sich auf die Quellen des Verfassungsschutzes, und da sind sie nicht gut beraten.
Sie meinen, die Behörden agierten parteilich? Woran machen Sie das fest?
Einige Monate vor dem Terror-Aufmarsch Ende Februar hat es im vergangenen August gewalttätige Auseinandersetzungen in der Bremer Neustadt gegeben. Zwei Mitglieder unserer Gemeinde, Studenten, hatten mit einem dritten, einem Deutschen, in einem Restaurant über einen konvertierten Deutschen gesprochen. Sie ahnten dabei nicht, dass am Nebentisch jesidische Kurden saßen. Die haben sich offenbar provoziert gefühlt. Mir wurde berichtet, dass die Jesiden zu ihnen kamen und gefragt haben: Seid ihr stolz darauf? Unsere Gemeindemitglieder haben gesagt: Natürlich sind wir stolz darauf, wenn jemand zum Islam konvertiert. Die sollen dann sofort Messer gezückt haben. Die Polizei hat das auch über Zeugenaussagen in ihren Akten, einem der Studenten wurde der Arm gebrochen, als mit einem Stuhl auf seinen Kopf eingeschlagen wurde und er das abwehren wollte.
37, wurde in Afghanistan geboren und ist in Deutschland aufgewachsen. Der Wirtschaftsarabist arbeitet als Vermittler von Islam-konformen Vermögensanlagen und ist Vorsitzender des Islamischen Kulturzentrums Bremen.
Hat die Polizei ermittelt, wer die Täter waren?
Die Polizei hat nichts ermittelt. Sie war nicht in der Lage oder wollte nicht. Aber wir konnten der Polizei später mitteilen, wer die Täter waren.
Das war, als der Islamische Staat in Kobane einmarschieren wollte, und die Kurden auch in Bremen empört waren.
Es gab damals in verschiedenen Städten gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Kurden und gläubigen Muslimen. Ich habe einen kurdischen Muslim, den ich lange kenne, gebeten, ob er nicht vermitteln könnte. Das waren ja nicht Rangeleien zwischen Jugendlichen, sondern hatte einen politischen Hintergrund. Er wollte das machen. Er hatte dann in der Neustadt eine Verabredung zu einem Gespräch in dieser Sache…
… und dann wurde er überfallen. Laut Polizeibericht stiegen fünf Männer aus einem schwarzen BMW und schlugen ihm mit einer Axt an den Kopf. Sie sollen auch Schlagstöcke und eine Pistole dabei gehabt haben.
Sie haben versucht, ihn zu töten. Er musste ins Krankenhaus, er hatte neben der Kopfverletzung auch mehrere Schnitte von Macheten auf dem Rücken und Arm. Ich habe heute noch ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn um diese Vermittlung gebeten habe. Hätte ich das nicht getan, wäre ihm das nicht passiert.
Die Staatsanwaltschaft sagt, die Polizei kenne die Hintergründe dieses Vorfalls nicht.
Wir haben uns an die Polizei gewandt und mit der Polizeiführung gesprochen. Ich habe ihnen das zu erklären versucht. Man hat den Vorgang aber immer wieder in die Ecke von Kriminalität schieben wollen und den politischen Zusammenhang geleugnet. Stellen Sie sich einmal vor, so ein Überfall wäre von Muslimen ausgegangen und zwar gegenüber Jesiden – es hätte eindeutige Pressemitteilungen der Polizei und ein großes Echo gegeben. Wir haben um eine Vermittlung mit der jesidischen Gemeinde gebeten. Die Polizeiführung hat dazu erklärt, die Jesiden steckten allgemein in einer Opferrolle und das politische Klima sei nicht geeignet für vermittelnde Gespräche.
Die Polizei hat den Taxifahrer gesucht, der den Verletzten ins Krankenhaus gebracht hat.
Wir haben der Polizei das Kennzeichen des beteiligten Autos gegeben und die Namen der Täter. Die Polizei hatte sich gewundert, wie wir das herausbekommen haben. Sowohl das Opfer des nächtlichen Überfalls als auch die Opfer aus dem Restaurant waren bei der Polizei, um anhand von Fotos die Täter zu identifizieren. Sie wurden da aber mehr zu unserer Gemeinde und zu meiner Person gefragt als zu den Vorfällen selbst. Das Opfer des nächtlichen Überfalls ist gar nicht Gemeindemitglied, konnte also auch wenig sagen. Er hat sich darüber sehr gewundert. Wir haben dann nichts mehr davon gehört – bis zum 28. Februar, bis zu der Erstürmung und anschließenden Durchsuchung unsere Gemeinderäume. Wir sind aus allen Wolken gefallen.
Wie haben Sie das erlebt?
Ich kam von der Arbeit, habe die ganzen Polizeiautos gesehen. Aber offenbar war die Absperrung nicht vollständig, ich bin jedenfalls bis zum IKZ gekommen. Als ich dann die Treppe hoch kam, war die Polizei sehr überrascht und fragte mich, wie ich dahin komme. Die Polizei hat eine Maschinenpistole auf mich gerichtet und gesagt: Wo wollen sie hin? Ich habe gesagt, ich will ins IKZ. Sie haben gesagt, das dürfe ich nicht. Dann habe ich ihnen erklärt, dass ich der Vorsitzende bin. Dann durfte ich hinein und habe die Menschen auf dem Boden gefesselt gesehen, die Spürhunde überall, die Polizisten liefen mit Schuhen durch unseren Gebetsraum. Ich habe dagegen protestiert. Ich wurde sogar zwei Mal abgetastet und durchsucht.
Woher wissen Sie, dass V-Leute gegen Sie im Einsatz sind?
Als die Presse über die Erstürmung unserer Vereinsräume berichtet hat, sind zu uns Menschen gekommen, die berichtet haben, dass der Verfassungsschutz schon im September im kriminellen Milieu mit Migrationshintergrund herumgefragt haben soll, wer als V-Mann Aussagen über uns bestätigen könnte. Ihnen wurde ein bestimmter V-Status versprochen. Im Oktober soll auch das Landeskriminalamt Ähnliches versucht haben. Die Leute, die da angesprochen worden sind, sind keine religiösen Menschen, aber nachdem sie gehört haben, dass die Moschee mit Schuhen betreten wurde und dass da Hunde herumgelaufen sind, haben mehrere ein schlechtes Gewissen bekommen und sich entschuldigen lassen.
Es gab nach den Übergriffen Gespräche darüber, wie Muslime sich schützen können. Könnte so ein Gespräch belauscht worden sein? Frauen sollten Pfefferspray bekommen…
Ich weiß nicht, was die V-Leute da berichtet haben. Aber was soll an Pfefferspray denn Schlimmes sein? Die V-Leute wären doch vermutlich arbeitslos, wenn sie die Wahrheit berichten würden. Seit 15 Jahren werden wir beobachtet. Der Verfassungsschutz filmt unseren Eingang und jeden, der in die Moschee kommt, aus dem 6. Stock des Gebäudes gegenüber. Die V-Leute müssen doch Geschichten erzählen, damit sie Geld verdienen und weiter beschäftigt werden.
Unterscheidet der Verfassungsschutz nicht zwischen frommen Muslimen und islamischen Terroristen?
Unsere Moschee wurde in den letzten Jahren viermal durchsucht – ohne dass sich daraus irgendein Vorwurf gegen die Gemeinde oder einzelne Gemeindemitglieder ergeben hätte. Ich kann Ihnen sagen, dass in unserer Gemeinde das Vertrauen zur Polizei und auch zu dem Anspruch der Rechtsstaatlichkeit zerstört wurde. Es wird in der Gemeinde befürchtet, dass die Polizei nach diesen ständigen Leerläufen nächstes Mal die Beweise gleich mitbringen würde.
Ihr Schatzmeister und Imam soll laut Verfassungsschutz zu Allah für die „Verbrennung“ aller ungläubigen „Kuffar“ und um die „Zerstörung“ der „dreckigen Juden“ und „schmutzigen Christen“ gebetet haben…
Es gibt eine eidesstattliche Versicherung vor Gericht, in der wir erklären, dass diese Behauptung nicht stimmt. Der V-Mann, der dem Verfassungsschutz über unsere Predigten berichtet, hat solche Aussagen übrigens auch nicht unserem Schatzmeister zugeordnet, sondern einem ausländischen Besucher. Ich war bei dieser Freitagspredigt am 19. Juli 2013, um die es geht, anwesend und habe nichts dergleichen gehört, so wie auch andere Gemeindemitglieder nicht. Der Freitagsprediger von damals, Herr Al-H., hat mir bestätigt, dass er so etwas nie sagen würde. Es würde dem Geist unserer Gemeinde völlig widersprechen, so etwas zu sagen. Wir rufen dazu auf, die hiesigen Gesetze zu respektieren und werben für ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Religionen und Kulturen.
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